14.10.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 129 / Tagesordnungspunkt 1

Jürgen KlimkeCDU/CSU - Regierungserklärung - 70 Jahre Vereinte Nationen

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Danke sehr, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Zitat des UN-Generalsekretärs Ban ­Ki-moon beginnen:

Das 70-Jahr-Jubiläum der Vereinten Nationen bietet die Möglichkeit zum Reflektieren – zurückzuschauen auf die Geschichte der UNO und Bilanz zu ziehen über die bleibenden Errungenschaften. Es ist auch eine Möglichkeit, zu sehen, wo die UNO – und die internationale Gemeinschaft als Ganzes – ihre Bemühungen verdoppeln muss, um den jetzigen und zukünftigen Herausforderungen über die drei Säulen ihrer Tätigkeit entgegenzutreten: Frieden und Sicherheit, Entwicklung und Menschenrechte.

Bevor ich auf die Defizite der Vereinten Nationen im Bereich der Sicherheitspolitik eingehe, die aus meiner Sicht vorhanden sind, die aber auch schon mehrfach angesprochen worden sind, möchte ich den Wandel betonen, den diese Institution in den vergangenen 70 Jahren vollzogen hat. Längst stehen auch Themen der Entwicklungszusammenarbeit, der Globalisierung und der Klimaerwärmung, jüngst auch die Flüchtlingskrise auf der Agenda der Vereinten Nationen. Zum Beispiel im Bereich der Entwicklung waren die Millenniumsentwicklungsziele lange Zeit Vorgabe und Handlungsrahmen. Pünktlich zum Jubiläum haben wir nun die Post-Agenda in New York unterzeichnet. Mit den neuen Entwicklungszielen wollen wir nicht nur Armut und Krankheiten bekämpfen; wir wollen auch die Globalisierung ökologisch und sozial nachhaltig gestalten. Um es mit Ban Ki-moons Worten zu sagen: Auch da müssen wir unsere Anstrengungen verdoppeln.

Wenn wir von den Defiziten und von der Dysfunktionalität der Vereinten Nationen reden, so meinen wir fast immer die Säulen Frieden und Sicherheit. Tatsächlich ist es in den 70 Jahren des Bestehens der Vereinten Nationen nicht gelungen, gewaltsame Konflikte zu vermeiden oder wenigstens ihre Anzahl deutlich zu reduzieren; im besten Fall kam es zur Mediation. Woran liegt das? Die Vereinten Nationen wurden gegründet, um den großen Krieg zwischen den Blöcken zu verhindern; das ist mehrfach gesagt worden. Sie spiegeln in ihrer Struktur nach wie vor die Situation, die Welt von 1945 wider. Das gilt insbesondere für den Sicherheitsrat. Wir fordern eine Strukturreform, damit sich in der Struktur die globale Verteilung besser abbilden kann. Auch das Vetorecht der ständigen Mitglieder behindert die Aktivitäten der Vereinten Nationen.

Wir sollten auch darüber nachdenken – das ist meine persönliche Meinung; sie wird aber nicht nur von mir propagiert –, ob nicht eine Parlamentarische Versammlung bei den Vereinten Nationen sinnvoll wäre, um die demokratische Legitimation der Vereinten Nationen zu stärken. Wir haben so etwas in der OSZE, in Europa. Da spielt die Parlamentarische Versammlung eine ganz wichtige Rolle; sie erfüllt eine wichtige Funktion. Aus meiner Sicht ist das durchaus ein gutes Beispiel.

Konflikte sind heute nur noch selten zwischenstaatlich, vielmehr häufig von hybrider Kriegsführung, von Freischärlern, von Separatisten oder auch von Terrorismus geprägt. Wir alle wissen, dass solche Konflikte schwerer zu beheben sind. Es reicht eben nicht aus, Blauhelmsoldaten in ein Krisengebiet zu schicken, ohne weitere nationale Kontrollmechanismen zu implementieren. Zudem müssen die Missionen über immer mehr Fähigkeiten verfügen. Zum Beispiel müssen die angesprochenen Polizeiaufgaben oder die Mediationsaufgaben übernommen werden.

Die Vereinten Nationen reagieren auf diese Herausforderungen. So werden immer wieder und immer öfter regionale Organisationen und Akteure einbezogen. Eine gute Kooperation besteht beispielsweise mit der Afrikanischen Union. Die finanziellen Mittel für diese zusätzlichen und anspruchsvollen Aufgaben sind jedoch relativ gering oder stehen fast gar nicht zur Verfügung.

Aus diesem Grunde fordern wir mit unserem Antrag die Bundesregierung auf, die Arbeit der Vereinten Nationen durch eine vermehrte Entsendung deutscher Friedenstruppen zu stärken. Zwar ist die Bundesrepublik der viertgrößte Beitragszahler des Haushaltes der Vereinten Nationen für Friedensmissionen, dennoch stehen wir nur auf Platz 59 der 126 friedenstruppen- und polizeistellenden Staaten. Gerade die Polizeikompetenzen – das ist von Kollegin Bulmahn und vom Kollegen Tom Koenigs angesprochen worden – sind immer stärker gefragt. Es ist das falsche Signal, dass wir als Bundesrepublik Deutschland im Grunde nur eine Handvoll Soldaten schicken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Verändern kann man nur, wenn man etwas versteht und kennt. Deshalb sollte die Bundesregierung – auch das ist eine Forderung unseres Antrages – die Arbeit der Vereinten Nationen in Deutschland unterstützen und bekannter machen, also das Marketing verbessern. Hier leistet die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen viel Gutes. Das sollte aus unserer Sicht stärker unterstützt werden. „ Tu etwas Gutes, und rede darüber“ und nicht „Tu etwas Gutes, und halte die Schnauze“ – das ist das Motto.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich halte es zudem für wichtig, durch Projekte und Simulationen wie Model United Nations die Jugend stärker zu mobilisieren und das Thema Vereinte Nationen auch mit den jungen Leuten stärker zu verbinden, sie zu sensibilisieren. In unserem Antrag greifen wir diese Idee ebenfalls auf. Unsere Kinder leben in einer Welt, die wir für sie gestaltet haben. Sie sollten sich stärker einbringen und die Zukunft so gestalten, wie sie sie sich wünschen, damit sie auch dahinterstehen.

Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Rede vor den Vereinten Nationen gesagt: Nichts muss so bleiben, wie es ist. Veränderung ist möglich, auch im Guten. Jede große Veränderung fängt im Kopf an. Das Ziel, die weltweite Armut abzuschaffen, hat man früher auch als Träumerei abgetan. Nun ist man ein gutes Stück weiter. Wir sehen, dass wir es schaffen können. – Dies muss aus unserer Sicht auch für die Vereinten Nationen gelten: Sehen, was möglich ist, und daran arbeiten, es zu erreichen.

Herzlichen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5969133
Wahlperiode 18
Sitzung 129
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung - 70 Jahre Vereinte Nationen
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