15.10.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 130 / Tagesordnungspunkt 6

Oliver WittkeCDU/CSU - Konsequenzen aus dem Abgasskandal bei Dieselfahrzeugen

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Eines vorweg: Jawohl, auch wir sind entsetzt über das Ausmaß des Skandals. Es ist völlig klar, dass der zur Diskussion stehende Betrug nicht nur ein Betrug im Hinblick auf staatliche Vorgaben und europäische Normen ist, sondern auch ein Betrug an Kunden des VW-Konzerns sowie an den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die exzellente Arbeit leisten. Es wird in diesen Tagen im Übrigen immer klarer, dass es sich nicht um das Fehlverhalten einiger weniger handelt. Vielmehr hat eine bestimmte Unternehmenskultur diesen Skandal ermöglicht. Daher geht es nun nicht nur um eine umfassende und transparente Aufklärung, sondern auch um einen Wechsel der Unternehmenskultur im VW-Konzern. Das ist dieser Konzern, insbesondere die Führung dieses Konzerns, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch den Kundinnen und Kunden sicherlich schuldig.

Aber genauso klar ist auch – das will ich hier in aller Deutlichkeit sagen –: Wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, stehen zu einem erstklassigen Unternehmen, in dem erstklassige Arbeit geleistet wird und erstklassige Automobile gebaut werden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Kirsten Lühmann [SPD]: Wir von der SPD auch!)

Meine Damen und Herren von den Grünen und der Linksfraktion, wir werden es nicht zulassen, dass Sie hier eine effiziente Technologie, nämlich die Dieseltechnologie, ein exzellentes Unternehmen, nämlich den VW-Konzern, sowie eine innovative und leistungsstarke Branche, nämlich die deutsche Automobilindustrie, Pars pro Toto in Misskredit bringen.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Das hat niemand gesagt! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das hat VW selbst gemacht!)

Das haben diese drei Institutionen nicht verdient. Ganz im Gegenteil: Sie sind Leistungsträger unserer Wirtschaft in Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren von den Grünen, ich lese Ihnen gerne vor, was in Ihrem zur Debatte stehenden Antrag steht: „Die Schönfärberei ... der Automobilindustrie ist gescheitert.“

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Sie wollen die Betrügereien decken?)

Weiter ist die Rede von systematischer „Verbrauchertäuschung, Gesundheitsgefährdung und Klimazerstörung“.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles passiert!)

Wenn das kein Automobil-Bashing ist, wenn das nicht die Fortsetzung Ihres Antiautokurses ist, dann frage ich mich, wo hier die inhaltliche Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Themen stattfindet, die auf der Tagesordnung stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das sind Fakten! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt total irre!)

Liebe Frau Lay, wenn Sie vorgeben, Arbeitnehmerinteressen zu vertreten, und so tun, als würden Ihnen die Jobs am Herzen liegen, dann hören Sie bitte auf, von Kumpanei zu reden, wenn die Bundeskanzlerin mit den Chefs der deutschen Automobilkonzerne spricht. Das ist richtig, und das fordern wir auch von ihr. Es ist gut, dass sich die Kanzlerin um die Arbeitsplätze kümmert und sie sichert.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Es kommt darauf an, was hinten herauskommt!)

Im Zusammenhang mit der Dieseltechnologie möchte ich noch etwas sagen. Es gibt kaum eine Technologie, die in den vergangenen Jahren in puncto Sauberkeit solche Fortschritte gemacht hat wie die Dieseltechnologie.

(Stephan Kühn (Dresden) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Theorie! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf dem Papier!)

Die durchschnittlichen CO2 -Emissionen von Pkw sind seit 1995 um 30 Prozent gesunken. Seit Euro 3 wurden die NOx-Emissionen von Diesel-Pkw um 84 Prozent reduziert.

(Stephan Kühn (Dresden) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf dem Papier!)

Mit modernen Dieselsystemen lässt sich der Kraftstoffverbrauch um 20 Prozent im Vergleich zum Ottomotor reduzieren. Wenn wir im Übrigen über neue Technologien sprechen und beispielsweise die Hybridtechnologie voranbringen wollen, dann brauchen wir die Dieseltechnologie; denn Hybridtechnologie ohne Dieseltechnologie ist unsinnig und wird es nicht geben. So lange, bis der elektroenergetische Antrieb oder der Wasserstoffantrieb zu 100 Prozent im Automobilverkehr eingesetzt werden können, brauchen wir Zwischenlösungen. Deshalb brauchen wir eine Fort- und Weiterentwicklung der Dieseltechnologie. Diese lassen wir uns von Ihnen nicht kaputtreden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Deutschland hat geschlafen!)

Herr Kollege Wittke, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Krischer zu?

Ja, bitte, gerne.

Danke, Herr Kollege Wittke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich habe eben schon versucht, Herrn Staatssekretär Ferlemann eine Zwischenfrage zu stellen – die hat er nicht zugelassen –, als er die Pressemitteilungen des Bundesverkehrsministeriums aneinandergereiht und hier vorgelesen hat.

Mich würde interessieren, ob Sie die Auffassung von Herrn Staatssekretär Ferlemann, die er hier vorgetragen hat, teilen, wonach bei Stickoxiden – Sie haben gerade selber über die Dieseltechnologie gesprochen – keine weitere Grenzwertreduzierungen im Realbetrieb erforderlich sind, oder ob das gilt, was die Bundesumweltministerin gestern, nachzulesen in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung  – ich kann Ihnen das gerne vorlesen –, fordert, nämlich dass es bei Stickoxiden im Realbetrieb deutliche Emissionsreduktionen geben muss. Könnten Sie mir bitte diese Frage beantworten? Gilt das, was Herr Ferlemann sagt – es gibt keine weitere Veränderung bei den Grenzwerten –, oder gilt das, was die Bundesumweltministerin gestern in dem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung gesagt hat?

Herr Kollege Krischer, Sie wissen vielleicht, dass der Verkehrsministerrat am 8. Oktober dieses Jahres, also vor wenigen Tagen, sich mit genau dieser Problematik beschäftigt hat und beschlossen hat, dass es eine Veränderung der Grenzwerte bei den Stickoxiden geben wird. Das heißt, wir werden dort einen großen Schritt weiterkommen. Ich wäre im Verlauf meiner Rede noch darauf gekommen. Das ist keine Forderung, sondern das ist ein Fakt. Das geschah auf Betreiben auch der Bundesrepu­blik Deutschland; das ist ein Fakt, mit dem wir vorangekommen sind, und damit machen wir die Dieseltechnologie im Übrigen noch sauberer.

(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also gilt das, was die Umweltministerin gesagt hat, und nicht das, was Herr Ferlemann gesagt hat!)

Eines will ich noch anschließen, Herr Kollege Krischer. Wir müssen ein ganz klein wenig auch darauf achten, dass wir hier nicht das Geschäft ausländischer Automobilkonzerne betreiben.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass wir führend sind in der Dieseltechnologie, dass wir eine Technologie entwickelt haben, die über die Jahre hinweg Stück für Stück sauberer geworden ist, und dass beispielsweise amerikanische Automobilunternehmen und auch andere ausländische Automobilkonzerne kein Interesse daran haben, diese europäische Technologie weiter zu fördern, liegt doch offen auf der Hand.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Wittke deckt eine Verschwörung auf! Kommt Ihnen das nicht selber lächerlich vor?)

Da geht es um schlichte wirtschaftliche Interessen, da geht es um Arbeitsplätze. Wir sind dafür da, deutsche Arbeitsplätze zu sichern und nicht Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Wittke, weil Sie so temperamentvoll sind, hat jetzt der Kollege Ostendorff das Bedürfnis, Ihnen eine Frage zu stellen, damit Sie ungebrochen weitermachen können.

Frau Präsidentin, das machen wir vielleicht im Anschluss an diese Debatte. Ich würde jetzt gerne mit meiner Rede fortfahren.

Gut.

Ich habe eine Frage zugelassen. Wir wollen jetzt nicht ein Frage-und-Antwort-Spiel zwischen Wittke und der grünen Bundestagsfraktion machen. Das wäre, glaube ich, auf Dauer etwas langweilig für die anderen Zuhörerinnen und Zuhörer hier im Saal. – Vielen Dank für Ihr Verständnis.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist deutlich geworden – Staatssekretär Ferlemann hat das ausdrücklich gesagt –, dass es auch Handlungsbedarf gibt. Darum ist es gut, dass wir über Real Driving Emissions nicht nur debattieren und nicht nur Forderungen aufstellen, sondern dass das System im Januar 2016 kommen wird und die Labortests endlich durch Untersuchungen und Tests auf der Straße ergänzt werden. Damit verbessern wir die Kontrollen. Ich halte das für einen ganz wichtigen Schritt. Da kommen wir tatsächlich weiter voran.

Ich habe gerade etwas zu den NO X -Grenzwerten gesagt. Der Verkehrsministerrat hat, wie ich gerade schon in der Antwort auf die Frage des Kollegen Krischer ausgeführt habe, am 8. Oktober beschlossen, dass es eine Veränderung der Grenzwerte geben wird. Es wird eine Verschärfung geben. Das ist gut so und vernünftig. Auch da gab es sicherlich Handlungsbedarf.

Ich will auch offen eingestehen: Es reicht eben nicht aus, dass wir als Koalitionsfraktionen ein Elektromobilitätsgesetz als ersten Schritt auf den Weg gebracht haben, sondern es müssen weitere Schritte folgen. Wir wollen die Elektromobilität weiter fördern, und wir werden sie weiter voranbringen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Stephan Kühn (Dresden) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann geht es los?)

– Entschuldigung, Kollege Kühn, was haben Sie in Ihrer Regierungszeit

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist zehn Jahre her! – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon sehr lange her! – Stephan Kühn (Dresden) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein sehr starkes Argument! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das letzte Mal mit der FDP regiert!)

– die ist gar nicht einmal so lange her; Sie waren damals noch nicht dabei – vorangebracht? Nichts haben Sie hinbekommen. Wir haben die Elektrotechnologie bei Kraftfahrzeugen vorangebracht.

Ich will eine persönliche Bemerkung anschließen, weil ich auch da für Offenheit und Transparenz bin.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das letzte Mal mit der FDP regiert!)

– Herr Hofreiter, hören Sie gut zu. Vielleicht gefällt Ihnen das, was ich jetzt sage. – Ich bin dafür, dass beispielsweise Untersuchungsergebnisse des Kraftfahrt-Bundesamtes veröffentlicht werden, weil die Zeiten vorbei sind, in denen man solche Untersuchungsergebnisse irgendwo unter der Decke halten konnte. Da gibt es nichts zu verstecken. Die müssen auf den Tisch gelegt werden, und dann muss darüber debattiert werden. Nur so bekommt man Änderungen hin. Darum werde ich mich ganz persönlich dafür starkmachen, dass wir zu einer Offenlegung solcher Untersuchungsergebnisse kommen. Das tue ich alleine, um Ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen und der Behauptung entgegenzutreten, dass da Kumpanei, Vertuschung oder sonst etwas im Spiel seien. Das ist es nämlich beileibe nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon mal gut!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dass wir aus dieser Krise lernen. Ich hoffe, dass auch andere Unternehmen, im Übrigen nicht nur in der Automobilindustrie, aus dieser Krise lernen. Ich bin mir ganz sicher: Die deutsche Automobilindustrie und auch der VW-Konzern werden gestärkt aus dieser schwierigen Situation hervorgehen, weil wir sie dabei begleiten, weil wir die Rahmenbedingungen setzen

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit wann setzen Sie Rahmenbedingungen?)

und weil wir nicht wie Sie Bashing betreiben, weil wir keinen Feldzug gegen das Automobil betreiben, sondern weil wir an der Seite dieses wichtigen deutschen Industriezweiges stehen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt der Kollege Ostendorff.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5974895
Wahlperiode 18
Sitzung 130
Tagesordnungspunkt Konsequenzen aus dem Abgasskandal bei Dieselfahrzeugen
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