15.10.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 130 / Tagesordnungspunkt 6

Stephan KühnDIE GRÜNEN - Konsequenzen aus dem Abgasskandal bei Dieselfahrzeugen

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Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kein einziges Mal hat das Kraftfahrt-Bundesamt in der Vergangenheit die Angaben der Automobilhersteller kontrollieren lassen. Erst durch die VW‑Affäre soll nunmehr untersucht werden, ob das, was typgenehmigt wurde, auch tatsächlich verbaut wurde.

Das Kraftfahrt-Bundesamt kann diese Aufgabe nicht selber wahrnehmen; denn das Kraftfahrt-Bundesamt besitzt keinen einzigen Rollenprüfstand, um zum Beispiel Abgasuntersuchungen vorzunehmen. Das ist in etwa so, als wenn die Polizei Verkehrskontrollen durchführen soll, aber keine Fahrzeuge dafür zur Verfügung hat. Das Kraftfahrt-Bundesamt ist vollständig auf technische Dienstleister angewiesen. Diese wiederum werden für die Zulassung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen direkt von der Automobilindustrie bezahlt. Da sind wirtschaftliche Interessenkonflikte vorprogrammiert. Wir brauchen daher eine unabhängige europäische Typgenehmigungsbehörde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Feldüberwachung der im Verkehr befindlichen Fahrzeuge sollte künftig durch das Umweltbundesamt übernommen werden.

Herr Ferlemann, Sie haben die Abgasuntersuchung angesprochen. Das war interessant. Sie haben von der Endrohrmessung gesprochen. Ihnen müsste eigentlich bekannt sein, dass seit 2006 – so meine Erinnerung – gar keine Endrohrmessungen mehr durchgeführt werden.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau!)

War das jetzt ein Hinweis darauf, dass sie künftig wieder stattfinden werden? Dann wäre das ja sehr positiv zu bewerten.

(Zuruf des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])

Autos, die Schadstoffgrenzwerte nur im Labor einhalten, aber nicht auf der Straße, sie dort vielmehr um ein Vielfaches überschreiten, sind nicht zukunftsfähig. Das ist Greenwashing, und das ist gescheitert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Messverfahren für Straßentests werden aktuell in Brüssel verhandelt. Bei den sogenannten Real Driving Emissions, kurz RDE, geht es um Abgastests unter realen Fahrbedingungen. Die Kommission hat am 6. Oktober einen Vorschlag dazu vorgelegt. So sollen die realen Emissionen ab 2017 nur noch maximal um das 1,6‑Fache oberhalb der festgesetzten Abgasgrenzwerte liegen dürfen, ab 2019 nur noch um das 1,2‑Fache und damit im Bereich der Messunsicherheit des RDE‑Verfahrens. Morgen, also am Freitag, dem 16. Oktober, muss die Bundesregierung der Kommission antworten, wie sie zu diesem Vorschlag steht. Erfreulich, dass sich die Bundesumweltministerin gestern öffentlich zu diesem Vorschlag bekannt hat. Nur scheint 24 Stunden vor Rückmeldefrist keine abgestimmte Position der Bundesregierung vorzuliegen; denn gestern hat der Parlamentarische Staatssekretär Norbert Barthle im Verkehrsausschuss bekräftigt, dass es dazu noch keine abgeschlossene Meinung der Bundesregierung gibt. Deshalb stellt sich die Frage, ob Verkehrsminister Dobrindt mal wieder auf der Bremse steht.

Ich erwarte von dieser Bundesregierung, dass sie sich jetzt konsequent für den Schutz der Menschen vor gesundheitsgefährdenden Stickoxiden und für eine bessere Luftqualität in Städten einsetzt. Das ist das Gebot der Stunde.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Krise der deutschen Automobilindustrie kann auch eine Chance sein, wenn sie für die Umstellung auf emissionsfreie Antriebe genutzt wird. Wer es mit Klima- und Umweltschutz ernst meint, muss jetzt auf Elektromobilität setzen – und nicht länger auf den Diesel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn damit wäre man international schlecht aufgestellt: In den USA ist der Markt für Diesel praktisch tot, in China gibt es keine Diesel‑Pkw, dort setzt man gleich auf die Elektromobilität.

Industriepolitisch gesehen, darf die deutsche Automobilindustrie nicht den Anschluss verlieren. Dafür hängen von ihr in Deutschland zu viele Arbeitsplätze ab. Die Politik muss jetzt unterstützend eingreifen: Wir brauchen ein Marktanreizprogramm mit einer Kaufprämie für Elektroautos, wenn die Elektromobilität – ob nun mit Batterie- oder Brennstoffzellentechnologie – endlich aus der Nische kommen soll.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen ein Investitionsprogramm für Elektromobilität, um zum Beispiel den Aufbau öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur voranzutreiben. Eine klare Linie der Bundesregierung kann ich an dieser Stelle nicht erkennen: Frau Hendricks ist für eine Kaufprämie, Herr Dobrindt dagegen.

Meine Damen und Herren, jetzt muss gehandelt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie langfristig zu sichern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Vielen Dank. – Der Kollege Matthias Heider spricht jetzt für die CDU/CSU‑Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5974967
Wahlperiode 18
Sitzung 130
Tagesordnungspunkt Konsequenzen aus dem Abgasskandal bei Dieselfahrzeugen
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