Matthias HeiderCDU/CSU - Konsequenzen aus dem Abgasskandal bei Dieselfahrzeugen
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird heute wohl nicht das letzte Mal sein, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen müssen. Wir alle haben aber, wie ich glaube, inzwischen den Eindruck gewinnen können, dass es mehr darum geht, politisches Kapital aus dem Fehlverhalten von einzelnen Personen zu schlagen. Das, was Sie uns heute hier verquickt vortragen, macht jedenfalls deutlich, dass Sie allen Anspruch auf diese Lösung erheben.
Meine Damen und Herren von den Grünen, es gibt durchaus ein paar Punkte, die vernünftig sind. Da gibt es auch gar keinen Widerspruch zu den Forderungen in Ihrem Antrag, nämlich dass Aufklärungsarbeit zu leisten ist. Dass es allen Beteiligten angelegen sein muss, Schaden vom Unternehmen Volkswagen und damit auch Schaden von der deutschen Wirtschaft abzuwenden, das ist ein Gebot, dem Sie alle schon im Interesse der Arbeitsplätze in Deutschland zustimmen müssten.
Es wird eine Menge Aufklärungsarbeit betrieben. VW hat eine externe Revision in Form von Anwälten in den USA und Deutschland beauftragt. In Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Betruges. Der Verkehrsminister hat eine Kommission aus Experten von Kraftfahrt-Bundesamt und Ministerium einberufen, die ebenfalls an der Aufklärung des Fehlverhaltens arbeitet. Es gibt einen Austausch mit den amerikanischen Behörden. Und die Bundesregierung berichtet dem Bundestag und seinen Ausschüssen.
Ich stelle zunächst einmal fest, dass all das, was notwendig ist, im Moment getan wird, um die Situation aufzuklären.
Ich lese in Ihrem Antrag aber beispielsweise auch, dass Sie glauben, es sei jetzt ein Wendepunkt im Hinblick auf die Dieseltechnologie erreicht. Das klingt, als hätten Sie schon die Abschaffung des Diesel-Pkw beschlossen. Das ist aber genau der falsche Weg, und das hat der Kollege Wittke in seiner Rede gerade eindrucksvoll belegt. Natürlich brauchen wir saubere Dieselmotoren, aber wir brauchen auch Dieselmotoren, die effizient sind. Dabei ist es ein hoffnungsvolles Potenzial, dass die meisten Hersteller von Dieseltechnologie sagen, dass der Verbrauch um weitere 15 bis 20 Prozent verbessert werden kann. Wenn wir eine saubere und gleichzeitig sparsamere Technologie behalten können, warum sollen wir sie dann schon abschaffen, nur weil Sie das heute hier fordern?
Zum Antrag der Linken wollte ich eigentlich nichts sagen. Nur so viel: Sie geben vor, dass Sie Arbeitsplätze schützen wollen. Sie schlagen dafür kompliziertere Strukturen beim Umweltbundesamt und beim Kraftfahrt-Bundesamt vor. Sie wollen gleich auch noch die Gruppenklage als neue Klageart einführen und damit wahrscheinlich Sammelklagen nach amerikanischem Vorbild Vorschub leisten. Sie sprechen von einem Unternehmensstrafrecht.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Nein! Das haben Sie falsch verstanden! Das ist doch Quatsch!)
Dabei bestrafen Sie eigentlich die Mitarbeiter des VW-Konzerns; denn Unternehmensstrafrecht ist so etwas wie eine kollektive Schuldzuweisung. Bei uns in Deutschland ist es Gott sei Dank so, dass Schuld an ein persönlich vorwerfbares Verhalten geknüpft ist. Gerade diesem persönlichen Fehlverhalten der entsprechenden Mitarbeiter des Konzerns sind wir auf der Spur. Wir wollen nicht diejenigen bestrafen, die mit guter Arbeit dazu beitragen, dass ein vernünftiges Produkt entsteht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Lassen Sie uns einen Blick auf das Ausmaß des Schadens werfen. Weltweit sind 11 Millionen Fahrzeuge betroffen, allein in Deutschland 2,4 Millionen. Das Vertrauen der Verbraucher ist tief enttäuscht, weil sie Autos von VW als ein solides und zuverlässiges Produkt aus Deutschland kennen. Das Bild der seriösen deutschen Ingenieurskunst insgesamt ist angekratzt. Wenn Sie mit Besuchern aus dem Ausland sprechen, dann erfahren Sie, dass man dort auch die große Sorge hat, dass die Marke „made in Germany“ damit beschädigt wird. Wie konnte es eigentlich zu diesem dolosen und massiven Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter bei VW kommen? Das ist die Frage, die uns hier heute interessieren muss.
Die Ursachen sind wohl insbesondere innerhalb des Konzerns zu suchen,
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und bei der Bundesregierung!)
weil dieser Skandal zeigt: Wenn eine solche Manipulation an einem so zentralen Bauteil wie dem Motor in einem Konzern möglich ist, dann müssen nicht nur dringend die manipulierten Fahrzeuge in die Werkstatt, sondern dann brauchen auch die Compliance-Regeln in diesem Konzern dringend eine Inspektion. Ich habe die Hoffnung, dass der VW-Konzern das jetzt sehr vorbildlich lösen wird.
Die Ursachen sind aber auch außerhalb des Konzerns zu suchen, weil wir prüfen müssen, ob unsere bisherigen Regelungen – das hat der Kollege Kühn gerade richtig angesprochen – zur Erteilung der Typgenehmigungen durch das Kraftfahrt-Bundesamt im Rahmen der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ausreichend sind. Es hat wohl nicht funktioniert, dass man das, was das Kraftfahrt-Bundesamt möglicherweise auch mit eigenen Kräften nachprüfen könnte, konsequent auf Labore und Zertifizierungsstellen outgesourct hat.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)
Wenn die Industrie in einem solchen Umfang von einer Bürokratieentlastungsregelung Gebrauch macht, dass man schon von einem Missbrauch sprechen muss, dann gehört auch diese auf den Prüfstand, gar keine Frage.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können wir doch mal klatschen! – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
– Klatschen Sie ruhig. Ich habe ja schon eingangs gesagt: Es gibt Punkte, da sind wir uns durchaus einig.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das dem Minister auch einmal gesagt?)
Wie reagiert jetzt der VW-Konzern auf diese drohenden hohen Kosten – es wird wohl einen hohen Milliardenbetrag erfordern – in seinem Hause? Ein Sparprogramm wird auf den Weg gebracht.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nichts Neues!)
1 Milliarde Euro soll dieses Sparprogramm erbringen. Das wird einen Kostendruck bei vielen Zulieferern, die auch bei Ihnen zu Hause in den Wahlkreisen angesiedelt sind, auslösen. Das hat das Potenzial, Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätze zu gefährden. Es wird auch dafür sorgen – das haben die Kollegen aus Niedersachsen schon damals in der Aktuellen Stunde vorgetragen –, dass es Gewerbesteuereinbrüche in Städten und Gemeinden gibt. Braunschweig und Wolfsburg haben schon Haushaltssperren verhängt. Wir haben deshalb überhaupt keine Freude an den Folgen dieses Skandals. Im Gegenteil: Wir müssen durch konsequente Aufklärung dafür sorgen, dass ein solcher Vorfall nicht wieder geschehen kann.
Die Industrie – das ist eines der klaren Ziele – muss zeigen, dass der Diesel weiter neben den verschiedenen Möglichkeiten der Elektromobilität eine Zukunftstechnologie ist. Wir müssen zeigen, dass Produkte aus Deutschland für Verlässlichkeit stehen, dass „made in Germany“ weiterhin das Signet für Qualität ist und dass Deutschland auf diesen Feldern Technologieführer ist. Letztens müssen die Verbraucher vor Täuschungen dieser Art geschützt werden. So kann Vertrauen wiederhergestellt werden – das ist die vordringliche Aufgabe –, so schützen wir den deutschen Automarkt, eine Schlüsselbranche unserer Industrie, ohne daraus – diese Bitte habe ich – politisches Kapital schlagen zu wollen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Dr. Birgit Malecha-Nissen, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 18 |
Session | 130 |
Agenda Item | Konsequenzen aus dem Abgasskandal bei Dieselfahrzeugen |