15.10.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 130 / Tagesordnungspunkt 6

Birgit Malecha-NissenSPD - Konsequenzen aus dem Abgasskandal bei Dieselfahrzeugen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hört sich an wie ein Wirtschaftskrimi und ist doch Realität. Im Frühjahr 2014 gab es erste Hinweise, dass europäische Dieselmodelle der Marke VW die strengen amerikanischen Abgasnormen nicht einhalten. Während man in der Folge noch von technischen Problemen sprach, kam dann im September dieses Jahres der Paukenschlag: Der VW-Konzern gab erstmals öffentlich zu, bei Abgastests manipuliert zu haben. Nun haben sich die Ereignisse überschlagen und den vorläufigen Höhepunkt erreicht: Texas verklagt VW wegen des Verstoßes gegen Verbraucherschutz- und Umweltgesetze, und das Kraftfahrt-Bundesamt ordnet, ganz aktuell, den Rückruf von 2,4 Millionen Autos an.

Inzwischen ist auch klar: Insgesamt sind etwa 11 Millionen VW-Fahrzeuge von der Manipulation betroffen. Meine Kollegin Birgit Kömpel hat gesagt: Gerade unsere Generation ist der Marke VW sehr verbunden. Sie hat auch ein Stück weit unser Leben begleitet.

Wir müssen dabei fest im Blick haben: Die Automobilindustrie hat für den Standort Deutschland eine enorme wirtschaftliche Bedeutung – damals wie heute. Deutsche Fahrzeughersteller und ihre Zulieferer sind in vielen Bereichen Innovationsführer, und das muss auch in Zukunft so bleiben. Die Folgen dieses Skandals werden jedoch noch lange nachwirken. Unsere besondere Sorge gilt dabei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern,

(Beifall bei der SPD)

großartig ausgebildeten Facharbeiterinnen und Facharbeitern, Ingenieurinnen und Ingenieuren. Sie sind verunsichert, wissen nicht, wie es für sie weitergeht, und haben Angst um ihren Arbeitsplatz.

Warum geht ein erfolgreicher Konzern einen solchen Weg? Das werden sich viele fragen. Warum so viel Energie in die Manipulation stecken, statt ein Produkt weiterzuentwickeln? Fakt ist – hier widerspreche ich meinem Vorredner –: Die Dieseltechnologie stößt bei hohen Leistungen, bei hohen Geschwindigkeiten an ihre Grenzen, was die Einhaltung der Abgasnorm angeht. Lassen Sie uns deshalb den Skandal als echte Chance nutzen, unsere Energie und unseren Erfindergeist in die Weiterentwicklung alternativer Antriebe zu investieren! Mein Kollege Arno Klare hat uns heute schon eine innovative To-do-Liste vorgestellt. Die Zukunft gehört der Elektromobilität.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Denn wir haben reichlich Strom aus erneuerbaren Energien. Damit ist der Weg zu wirklich sauberer Mobilität frei.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute ein Auto kaufen, dann können wir viele technische Errungenschaften als Extras dazukaufen: vernetzte Navigation, klimatisierte Sitze, Einparkhilfen, automatische Distanzregelung, Fernlichtassistenten, um nur einige zu nennen. Mittlerweile machen diese Extras einen beträchtlichen Teil des Kaufpreises aus. Automatische Distanzregelung und Fernlichtassistenten sind jedoch nicht nur Luxus, sondern tragen auch wesentlich zur Verkehrssicherheit bei.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielleicht müssen wir an dieser Stelle einmal umdenken und diese Fahrerassistenzsysteme auch zur Standardausrüstung eines Fahrzeugs erklären, ähnlich wie früher den Airbag.

(Beifall bei der SPD)

Katalysatoren zur Steuerung der Abgaswerte, über die wir heute sprechen, gehören zur Standardausrüstung. Wird deswegen alles unternommen, die Kosten zu senken, zu manipulieren und gesetzliche Vorgaben zu umgehen, weil es eine Standardausrüstung ist? Wird etwa auch bei anderen Standardausrüstungen gespart und der Fokus zu stark auf gewinnbringende Extras gelegt? Diese Frage werden wir heute nicht beantworten können, aber mir war es wichtig, sie heute einmal in den Raum zu stellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Umweltministerin Barbara Hendricks hat bereits schärfere Abgasvorschriften und -kontrollen für alle Dieselfahrzeuge gefordert. Die Kosten für das Kontrollsystem sollen dabei die Hersteller tragen. Was heißt das jetzt konkret? Mein Kollege hat es zum Teil schon genannt – ich möchte es noch einmal erwähnen –: Das neue Testverfahren WLTP mit weltweiten strengen Prüfstandards muss schnellstmöglich eingeführt werden, möglichst noch vor 2014.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist vorbei! Das geht nicht mehr!)

Dieses Verfahren löst ein altes Messverfahren ab, das schon in den 90er-Jahren entwickelt wurde. An der Stelle ist es mir wichtig, zu sagen: Man kann sich gut vorstellen, dass ganz viel Raum für Manipulationen besteht, wenn man ein Messsystem nutzt, das fast 20 Jahre alt ist, aber die Software auf dem Stand des Jahres 2015 ist.

Als Zweites werden wir natürlich –

Ich darf Sie an die Zeit erinnern.

Ja. Es gibt zu diesem Thema so viel zu sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ja, aber das geht leider nicht. Es sitzen noch ganz viele hier im Saal, die viel zu sagen haben.

Okay, noch zwei Sätze. – Zweitens werden wir uns umgehend auf EU-Ebene für die Einführung der Messung der Realemissionen von Pkws als weiteres Kon­trollverfahren einsetzen. Wir müssen dafür sorgen, dass neben den theoretischen Messungen natürlich auch auf der Straße gemessen und geprüft wird, um das Verbrauchsverhalten realistisch abzubilden.

Jetzt!

Ich bedanke mich ganz herzlich.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Danke schön. – Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Johann Saathoff, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5974989
Wahlperiode 18
Sitzung 130
Tagesordnungspunkt Konsequenzen aus dem Abgasskandal bei Dieselfahrzeugen
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