Johann SaathoffSPD - Konsequenzen aus dem Abgasskandal bei Dieselfahrzeugen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Ostfriesland gibt es gerade eine ganze Liste von Sorgen; aber meine kleinste Sorge ist derzeit, wen Leonardo DiCaprio denn als Nächstes spielen wird,
(Beifall bei der SPD)
es sei denn, er kandidiert für den Deutschen Bundestag.
Nach Bekanntwerden des Abgasskandals werden schnell Konsequenzen gefordert. Aber eines muss zunächst klargestellt werden: Die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Werken von VW haben gute Arbeit geleistet, nicht nur in den letzten Jahren. Sie sind es, die VW in den letzten Jahrzehnten durch ihren Einsatz zur weltweit größten Automarke gemacht haben.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Heiko Schmelzle [CDU/CSU])
Es sind nicht nur die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Werken, sondern auch an den Werken, also die Zulieferer, die gute Arbeit geleistet haben. Es ist gute Arbeit in den Standortkommunen geleistet worden, die sich auf die Automobilindustrie eingestellt haben. Als Kind von der Küste kann ich sagen, dass stets auch in den Häfen gute Arbeit geleistet wurde, die die wichtige Aufgabe des Exports übernommen haben.
Insofern liegt eigentlich eine unfaire Situation vor, wenn die eigentlichen Leistungsträger plötzlich zur Verantwortung gezogen werden sollen. Verantwortung haben die Menschen in den Managementetagen, nicht die Menschen, die am Band arbeiten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Wir müssen dafür Sorge tragen, dass am Ende nicht die Menschen an den Werkbänken und an den Bändern die Suppe für inakzeptable Managemententscheidungen auszulöffeln haben.
Es ist richtig, Konsequenzen zu fordern. Allerdings ist es genauso richtig, erst alle Sachverhalte gründlich aufzuklären.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Kirsten Lühmann [SPD])
Nur auf Grundlage der Erkenntnis der Aufklärung können wirksame Konsequenzen gefordert werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, keine Frage: Durch den Abgasskandal ist Vertrauen zerstört worden. Das ist besonders schlimm, weil Deutschland weltweit als klimapolitischer Vordenker gilt. Das ist besonders schlimm, weil Deutsche den Ruf haben, auch nachts um drei an einer vollkommen leeren Straße vor einer Fußgängerampel auf Grün zu warten, also Rechtsstaatlichkeit zu leben.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es kommt darauf an, wie man nun beispielgebend mit der Situation umgeht, und man kann darin auch eine Chance sehen. Zum Beispiel kann ich mir gut – wir haben das heute schon mehrfach gehört – einen konsequenten Einstieg in die Elektromobilität vorstellen. Seite 44 des Koalitionsvertrags kann in dieser Frage deutlich helfen.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Interessiert diese Seite 44 Ihren Minister auch nur ein bisschen?)
Ich möchte an dieser Stelle ein Lob für den Neun-Punkte-Plan der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks aussprechen.
(Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Art, wie man die Krise aufklärt, wie man Transparenz schafft, wie man dafür sorgt, dass die Verantwortlichen zur Verantwortung gezogen und die Nichtverantwortlichen geschützt werden, und wie man sich aus der Krise heraus für die Zukunft aufstellt, schafft neues Vertrauen – neues Vertrauen in neue VW-Modelle, aber auch neues Vertrauen in „made in Germany“. Die Dieseltechnologie würde ich an dieser Stelle nicht gleich kaputtreden; denn Dieselantriebe sind energieeffizient und außerdem im Sinne unserer Klimaziele. Dass die Stickoxidproblematik beherrschbar ist, sei an dieser Stelle auch mal erwähnt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Allein in diesem Bereich gibt es 70 000 Arbeitsplätze.
Wer hat eigentlich vor einem Jahr seinen angegebenen Abgas- und Verbrauchswerten getraut? Das gilt übrigens auch für Energieausweise an Gebäuden. Ich will das ausdrücklich nicht kleinreden. Eine wirksame unabhängige Kontrolle ist jetzt wichtiger denn je; wir haben viel über Real Drive Emission gehört. Neue Testverfahren sind wichtig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es in abgeänderter Form schon gehört: Wenn VW hustet, dann hat Ostfriesland eine Lungenentzündung. Die Auswirkungen auf die Region sind enorm. Aber es gibt auch bundesweit Auswirkungen, wegen der Zulieferer von VW. Wir sind gefordert, dafür zu sorgen, dass es nicht zu unumkehrbaren Strukturbrüchen kommt, und zwar wir alle.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Für die Menschen in den Werken, denen man keinen Vorwurf machen kann, müssen wir uns einsetzen. Diese Menschen haben ihre ganze Kraft eingesetzt – oder wie wir Ostfriesen sagen: Knooit hett lüttje Mann sük genug.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5975002 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 130 |
Tagesordnungspunkt | Konsequenzen aus dem Abgasskandal bei Dieselfahrzeugen |