15.10.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 130 / Tagesordnungspunkt 7

Klaus-Peter SchulzeCDU/CSU - Nagoya-Protokoll - Zugang zu genetischen Ressourcen

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ratifizierung und Umsetzung des Protokolls von Nagoya ist auf den ersten Blick nur etwas für den am Artenschutz interessierten Feinschmecker, aber bei näherem Hinsehen wird die weitreichende naturschutz- und entwicklungspolitische Bedeutung dieses Themas deutlich. Die vorliegenden Gesetzentwürfe zur Ratifizierung und zur Umsetzung des Protokolls in Deutschland sind der erfolgreiche Abschluss eines Jahrzehnte währenden Diskussions- und Verhandlungsprozesses. Daher ist die heutige Verabschiedung beider Gesetzentwürfe ein historischer Moment und unterstreicht Deutschlands führende Rolle in der internationalen Naturschutzpolitik.

Das Protokoll – darauf hat die Staatssekretärin schon hingewiesen – ist im Wesentlichen während der deutschen Präsidentschaft zwischen 2008 und 2010 federführend bearbeitet, unter der Mitwirkung vieler einzelner Mitgliedstaaten vorbereitet und entsprechend unterzeichnet worden.

Worum geht es beim Protokoll von Nagoya? Es regelt den Zugang zu den genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus ihrer Nutzung ergeben. Es setzt das dritte Ziel der CBD um, schafft einen verlässlichen internationalen Rahmen für den Umgang mit genetischen Ressourcen und einen ökonomischen Anreiz für die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Es ist ein Instrument zur Verhinderung der Biopiraterie, gibt den Entwicklungs- wie auch den Nutzerländern einen verlässlichen Rahmen bei der Nutzung genetischer Ressourcen. Es trägt dazu bei, den Wert biologischer Vielfalt bei der Herstellung neuartiger Produkte besser zu berücksichtigen und setzt wirtschaftliche Anreize für die Bewahrung und nachhaltige Nutzung der Natur. Länder mit hoher biologischer Vielfalt sollen auch wirtschaftlich davon profitieren, dass sie Lebensräume und Arten schützen und erhalten. Es soll gewährleistet sein, dass Forscher die Gesetze der Herkunftsländer respektieren und für ihre Forschung nur biologisches Material nutzen, das im Herkunftsland legal erlangt wurde. Durch die In-Wert-Setzung genetischer Ressourcen wird ein starker Anreiz für den Natur- und Artenschutz weltweit gesetzt. Es kann ein Beitrag zum Schutz der Lebensgrundlagen der indigenen Völker sein, wenn es gelingt, dass die Nationalstaaten die Vorteile, die sie erhalten, auch an die jeweiligen indigenen Völker weitergeben.

Den Wert der biologischen Vielfalt und den wirtschaftlichen Nutzen von Ökosystemen und der darin beheimateten Pflanzen und Tiere haben wir Menschen frühzeitig erkannt. Bis zum Inkrafttreten des Protokolls am 12. Oktober 2014 hatten jedoch die Herkunftsstaaten, zumeist Entwicklungsländer, keinerlei Vorteile aus der Nutzung ihrer genetischen Ressourcen, und es verstärkten sich mehr und mehr die Forderungen nach einem Einschreiten gegen die schon erwähnte Biopiraterie und den Raubbau an biologischer Vielfalt in solchen Ländern. Nicht erst seit dem Wirken des wohl berühmtesten deutschen Biopiraten, Alexander von Humboldt, profitiert auch Deutschland vom Nutzen der Ressourcen anderer Länder, sei es für die Entwicklung von neuen Medikamenten aus Heilpflanzen, für die Kosmetikproduktion oder für innovative Erzeugnisse der Biotechnologie.

Das Nagoya-Protokoll wurde infolge der am 5. Juni 1992 in Rio de Janeiro unterzeichneten Biodiversitätskonvention nach einem langen und schwierigen Verhandlungsprozess am 29. Oktober 2010 in Nagoya beschlossen und setzt erstmals international verbindliche Standards für den Umgang mit genetischen Ressourcen und fördert so Transparenz und Rechtssicherheit.

Deutschland hat das Protokoll am 23. Juni 2011 unterzeichnet und der Wille, es zu ratifizieren, ist im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD festgehalten. Parallel zur 10. CBD-Vertragsstaatenkonferenz in Pyeongchang, an der ich zusammen mit meinem Kollegen Carsten Träger teilnehmen konnte – das hat genau vor einem Jahr stattgefunden –, fand auch das erste Treffen der Vertragsparteien zum Nagoya-Protokoll statt, bei dem weitreichende Entscheidungen für die internationale Fortentwicklung des Protokolls getroffen wurden. Auf europäischer Ebene wurde das im April 2014 mit der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 geregelt. Die Bundesregierung hat in der Kabinettssitzung am 29. April dieses Jahres die vorliegenden Gesetzentwürfe gebilligt.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat in seiner Sitzung am 14. Oktober 2015 den Gesetzentwürfen zugestimmt, nachdem am 30. September 2015 hierzu eine öffentliche Anhörung stattgefunden hat. Die Anhörung im Umweltausschuss hat noch einmal die gesamte Bandbreite der Wirkung des Protokolls von Nagoya verdeutlicht und aufgezeigt, wie anspruchsvoll die Umsetzung in Deutschland in Verantwortung durch das Bundesamt für Naturschutz als zuständige Vollzugsbehörde sein wird und welche Auswirkungen dies für Wissenschaft und Forschung und für die Wirtschaft haben kann. Das Bundesamt wird aber nicht nur für den Vollzug der Bestimmungen des Protokolls von Nagoya verantwortlich sein, sondern soll etwa 600 zu erwartende Nutzer beraten und informieren, insbesondere aus der Pharmazie, der Kosmetikindustrie, der Biotechnologie, Pflanzenzucht und Gartenbau und natürlich aus dem Bereich der nichtkommerziellen Grundlagenforschung. Auch die Überprüfung der erwarteten etwa 750 Anträge von Sammlungen zur Aufnahme in das EU-Register gehört zu dieser Aufgabe.

Aufgrund der Vielzahl von Aufgaben wird für das Bundesamt für Naturschutz mit zusätzlichem Personalbedarf gerechnet. Im Gesetzentwurf spricht das zuständige Ministerium von insgesamt 16 Stellen. Zunächst einmal sind für das Haushaltsjahr 2016  3 Stellen vorgesehen. Wir haben gemeinsam mit den Sozialdemokraten mit einem Entschließungsantrag darauf hingewirkt, dass zu gegebener Zeit eine Analyse der Anträge erfolgt, geprüft wird, wie hoch der Antragsberg ist, wie die Abarbeitung erfolgt. Auf Grundlage dieser Analyse hat ein Aufwuchs in den Folgejahren beim Personal zu erfolgen. Für uns als Fraktion gilt: Wir wollen keinen Papiertiger als Gesetz haben, aber wir wollen auch keine überbordende Bürokratie. Deshalb ist eine ständige Analyse der Anträge, die dem Bundesamt für Naturschutz vorliegen, dringend erforderlich. Wir werden als Gesetzgeber auch in den nächsten Jahren darauf achten, dass das entsprechend umgesetzt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Derzeit ist die EU-Kommission dabei, sogenannte Guidance-Dokumente zu erarbeiten, die eine genauere Erläuterung von Schlüsselbegriffen regeln sollen. Das ist, glaube ich, das, was die Kollegin der Linken angesprochen hat. Wir gehen davon aus, dass, wenn diese Dokumente vorliegen, durch das Bundesamt entsprechende praxistaugliche Formen der Veröffentlichung vorgenommen werden, damit Rechtssicherheit für alle Beteiligten geschaffen werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mittlerweile haben 62 Staaten das Protokoll ratifiziert, darunter die Europäische Union und die EU-Mitgliedstaaten Kroatien, Dänemark, Ungarn und Spanien. Deutschland wird nunmehr als fünftes EU-Land die Ratifizierung vornehmen. Es zeigt sich wieder, dass wir international ein zuverlässiger Partner sind.

Ich glaube aber, dass wir mit der Verabschiedung der Gesetze am heutigen Tag noch nicht am Ziel angekommen sind. Ich hatte heute Vormittag die Möglichkeit, mit Kollegen aus dem Umweltausschuss ein Gespräch mit der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Rechte indigener Völker zu führen. Frau ­Victoria Tauli-Corpuz hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass die Vereinbarung zum Vorteilsausgleich zwischen den Nationalstaaten nur die eine Seite ist, auf der anderen Seite muss dafür gesorgt werden, dass die Mittel vor Ort ankommen. Man muss zukünftig daran arbeiten, dass die Vorteile aus der Vereinbarung tatsächlich bei den Indigenen ankommen und für den Erhalt ihrer Lebensgrundlagen genutzt werden können. Deutschland muss in den verschiedenen Gremien, in denen es vertreten ist, entsprechenden Druck aufbauen.

Ein zweiter Punkt. Leider treten nicht alle Staaten dem Nagoya-Protokoll bei. Wenn ein so großes Industrieland wie die USA sich dem bisher verschließt, dann ist das für unsere mittelständische Wirtschaft nicht gut; denn sie ist auf faire Wettbewerbsbedingungen angewiesen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Steffi Lemke, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5975270
Wahlperiode 18
Sitzung 130
Tagesordnungspunkt Nagoya-Protokoll - Zugang zu genetischen Ressourcen
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