Steffen KanitzCDU/CSU - Änderung des Atomgesetzes
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das Nationale Entsorgungsprogramm, kurz: NaPro, ist das Herzstück der nuklearen Entsorgungsstrategie in Deutschland. Der letzte vergleichbare Beschluss stammt aus dem Jahre 1979. Ich hoffe, dass dieser heutige Beschluss etwas länger hält als der letzte; mindestens jedoch zehn Legislaturperioden, die wir brauchen werden, um ein Endlager für hochradioaktive Abfallstoffe zu finden. Wir wollen es 2050 in Betrieb nehmen. Insofern hat der heutige Beschluss historische Qualität. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken beim BMUB für die geleistete Arbeit und dafür, dass wir heute diesen Beschluss verabschieden können. Vielen Dank für Ihre Arbeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Entwurf des Nationalen Entsorgungsprogrammes wurde öffentlich diskutiert. Die Einwendungen, die gerade von den Linken zitiert wurden, wurden berücksichtigt. Es gibt – Kollege Lagosky ist ja da – keine Erweiterung Konrads durch die Hintertür, was befürchtet wurde. Das stand in der ersten Fassung des Entwurfs nicht drin, aber es wurde jetzt noch einmal klargestellt.
Bei der Umsetzung des NaPros werden die Empfehlungen der Endlagerkommission eine wichtige Rolle spielen. Um diese Rolle sachgerecht auszufüllen, muss die Endlagerkommission stringent und auch pünktlich bis Mitte 2016 ihren Arbeitsauftrag abarbeiten.
Eine für die Endlagerkommission zentrale Aussage im Nationalen Entsorgungsprogramm ist, dass die radioaktiven Abfälle aus der Schachtanlage Asse sowie das angefallene abgereicherte Uran der Firma Urenco bei der Arbeit mitgedacht werden sollen. Vor diesem Hintergrund gab es in den letzten Wochen eine kontroverse Debatte in der Endlagerkommission, aber auch in der Presse darüber, wie diese Abfallarten berücksichtigt werden sollen. Ergebnis der Diskussion ist, dass die Endlagerkommission die Asse-Abfälle behandeln wird und darlegt, wie die Abfälle konditioniert werden müssten, um zusammen mit den hochradioaktiven Abfällen entsorgt werden zu können.
Klar muss aber auch sein, dass der Schwerpunkt der Kommissionsarbeit auf dem Kriterienkatalog für die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle liegt. Alles andere würde die Problemlösung auf zukünftige Generationen verschieben. Ich würde sogar so weit gehen, dass es wahrscheinlich den gesamten Prozess gefährden würde. Ich möchte gerne anhand einiger Fakten erklären, warum ich diese Gefahr für die Zukunft durchaus sehe:
Wir unterscheiden in Deutschland grundsätzlich zwei Abfallkategorien, zum einen die hochradioaktiven, wärmeentwickelnden Abfälle, die größtenteils aus dem Betrieb der Kernkraftwerke stammen und etwa 10 Prozent des Abfallvolumens ausmachen, aber eben 99 Prozent der Radioaktivität – hier liegt also das maßgebliche Gefahrenpotenzial und aus meiner Sicht auch unsere große Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen –, und zum anderen die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle, die zum großen Teil aus dem Rückbau der Kernkraftwerke, der Forschung und auch der Medizin stammen. Sie vereinen rund 90 Prozent des Abfallvolumens; sie sind also mit Abstand die größte Menge der radioaktiven Abfälle in Deutschland, stehen aber für nur 1 Prozent der Radioaktivität. Das Gefährdungspotenzial sollte man nicht kleinreden, aber das ist eben ein anderes Niveau als das der hochradioaktiven Abfälle.
Für 303 000 Kubikmeter dieser schwach- und mittelradioaktiven Abfälle ist bereits ein Endlager gefunden, das eben schon erwähnte Endlager Schacht Konrad. Nach den aktuellen Planungen soll die Inbetriebnahme 2022 erfolgen. Um es ganz klar zu sagen: Ohne Konrad werden wir keinen Rückbau der Kernkraftwerke hinbekommen. Deswegen: Konrad muss kommen. Wir wollen an dem Zeitplan dringend festhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Nach dem Nationalen Entsorgungsprogramm der Bundesregierung müssen auch mögliche zukünftige schwach- und mittelradioaktive Abfälle durch die Endlagerkommission betrachtet werden: die Urantails der Firma Urenco und die prognostizierten Rückholungsabfälle aus der Asse. Bei beiden Abfallarten ist aber noch nicht klar, in welchen Mengen und in welcher Beschaffenheit sie vorliegen werden. Das gilt insbesondere für die Abfälle aus der Asse. Um es mit den Worten des BfS-Präsidenten König zu sagen: Mit der Frage der Menge und der Verbackung der Abfälle mit Salz werden wir leben müssen, bis die Abfälle geborgen werden.
Schätzungen des BfS gehen davon aus, dass die Rückholung der Asse-Abfälle frühestens um das Jahr 2030 beginnen könnte. Wir alle wissen, dass auch dieser Zeitplan ambitioniert ist angesichts der zeitlichen Verzögerungen, die wir insbesondere beim Bau eines neuen Schachtes sehen. Da auch die Rückholung viele Jahre in Anspruch nehmen wird, gehen wir nach einer aktuellen Studie der DMT, die vom BfS in Auftrag gegeben wurde, davon aus, dass wir die gesamten Abfälle der Asse nicht vor dem Jahr 2065 kennen.
Laut Standortauswahlgesetz soll der Standort für ein Endlager für insbesondere hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle 2031 gefunden sein, das heißt, mindestens drei Jahrzehnte früher. Hier zeigt sich sehr deutlich: Hochradioaktive Abfälle und Asse-Abfälle können nicht zusammen gedacht werden. Wir planen die Inbetriebnahme des Endlagers für 2050. Das heißt, 15 Jahre nachdem wir das Endlager für hochradioaktive Abfallstoffe in Betrieb nehmen, wissen wir erst, wie viele Asse-Abfälle wir haben.
Neben dieser zeitlichen Dimension möchte ich auf eine zweite Herausforderung hinweisen: Hochradioaktive Abfälle und schwach- und mittelradioaktive Abfälle haben sehr unterschiedliche Anforderungen an das Wirtsgestein: Hochradioaktive Abfälle produzieren Wärme. Den bestmöglichen Einschluss gewährleisten dichte Wirtsgesteine wie Tongestein oder Steinsalz. Schwach- und mittelradioaktive Abfälle produzieren keine Wärme; aber aufgrund von Anteilen von Organik und Feuchtigkeit bilden sich Gase. Damit diese Gase ohne Druckaufbau gespeichert werden können, sollte ein poröses Wirtsgestein gewählt werden, das von einer dichten geologischen Barriere umschlossen wird, zum Beispiel einer Tongesteinsschicht. Konrad verfügt über eine solche geologische Gesamtsituation.
In der Endlagerkommission haben uns Fachleute klargemacht, dass diese beiden Abfallarten aufgrund ihrer Eigenschaften nicht unmittelbar zusammen in ein Endlager verbracht werden können. Insbesondere die Asse-Abfälle werden größte Mengen kontaminierten Salzgruß beinhalten, der das Wirtsgestein Ton angreifen würde. Ein gemeinsames Endlager für beide Abfallarten wäre damit faktisch eine Vorfestlegung auf das Wirtsgestein Steinsalz. Eine solche Vorfestlegung haben wir über alle Parteien hinweg, gerade auch in der Endlagerkommission, bisher bewusst vermieden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Stellen Sie sich vor dem Hintergrund dieser dargestellten Fakten nun vor, dass wir in der nächsten Legislaturperiode – das ist unser gemeinsames Ziel – mit der Suche nach einem Endlager für sämtliche Abfallarten beginnen würden. Dann bekommen wir ein Endlager, das die bestmögliche Sicherheit für alle Abfallarten darstellt, sehr wahrscheinlich aber eben nicht die bestmögliche Sicherheit für jede einzelne Abfallart. Dann stellt sich im Rahmen des laufenden Verfahrens möglicherweise heraus, dass sich die Rückholung aus der Asse verzögert oder womöglich unmöglich wird.
Was wird dann passieren? Völlig klar – das wissen wir jetzt schon –: Es wird einen Aufschrei derjenigen geben, die kein Endlager in Deutschland wollen. Hätten wir von Anfang an ein reines Endlager für HAW-Abfälle gesucht, dann wären möglicherweise andere Kriterien angewendet und damit auch andere Standorte auf ihre Eignung hin untersucht worden. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass dadurch ein besser geeigneter Standort für die reinen hochradioaktiven Abfälle übersehen wurde. Die Erwartung „Bestmögliche Sicherheit für 1 Million Jahre“ wäre offensichtlich nicht erfüllt. Dann stehen wir wieder – es ist ja nicht so, dass uns das nicht auch viele wünschen würden – vor einem Scherbenhaufen, beginnen wieder bei null. Ich meine, dass wir genau dies ganz dringend und um jeden Preis verhindern müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])
Wir tragen heute Verantwortung und können die Lösung nicht auf zukünftige Generationen verschieben. Wir haben maßgeblich von der Kernenergie profitiert – ja, das ist richtig – und haben jetzt die historische Chance, eine Lösung zu finden.
Wie könnte diese Lösung aussehen? Ich glaube, wir brauchen zwei parallele Prozesse:
Das neue Suchverfahren sollte in einem ersten Schritt nur ein Endlager für hochradioaktive Abfälle zum Ziel haben. Hierfür liegen alle Ausgangsparameter, die benötigt werden – Abfallmenge, Radionuklidinventar –, vor, sodass wir die Suchkriterien verbindlich festlegen können. Wenn wir von Transparenz und Glaubwürdigkeit des Verfahrens sprechen, dann ist die verbindliche Festlegung der Kriterien vor Beginn des Verfahrens absolut wichtig.
Wir sollten parallel dazu für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle alle notwendigen Grundlagen erarbeiten. Nur: Wie gerade ausgeführt, werden wir Gewissheit über sämtliche Parameter wahrscheinlich erst in 50 Jahren haben. Insofern meine herzliche Bitte: Lassen Sie uns nicht wegen 1 Prozent der Radioaktivität das gesamte Suchverfahren für Jahrzehnte unterbrechen. Auch das gehört zur Glaubwürdigkeit dazu. Ich bitte alle Beteiligten, sich diese Zusammenhänge klarzumachen und uns hier zu unterstützen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Steffen Kanitz. – Nächste Rednerin in der Debatte ist Sylvia Kotting-Uhl für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5975587 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 130 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Atomgesetzes |