Sylvia Kotting-UhlDIE GRÜNEN - Änderung des Atomgesetzes
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Atomgesetznovelle, die wir heute beschließen wollen, behandelt den Atommüll, das Gefährlichste und Langlebigste, was die Menschheit je produziert hat. Der Gesetzentwurf in seinen Buchstaben ist für uns als grüne Fraktion völlig in Ordnung; er ist ja auch relativ mager. Wir werden ihm zustimmen.
Die Differenzen liegen eher in dem, was dahintersteht: im Nationalen Entsorgungsprogramm. Deswegen haben sich auch alle bisherigen Rednerinnen und Redner darauf bezogen. Auch ich will das tun und mit Konrad anfangen. Ich finde es erfreulich und lobenswert, dass das BMUB sehr stark auf die Einwendungen eingegangen ist und – das erachte ich auch als einen Ausfluss der Arbeit der Endlagerkommission – auch die gesellschaftspolitischen Implikationen, die ein solches Endlager hat, sehr stark in den Vordergrund gerückt hat. Jetzt wird also davon Abstand genommen, als erste Priorität für die Asse- und Urenco-Abfälle, wie es noch im Entwurf des NaPro stand, die Option Konrad zu sehen. Dass dies in den Hintergrund gerückt ist, ist gut.
Aber immer noch ist im Hinblick auf Konrad ein Fehler zu finden – ich bitte, da nachzuarbeiten –: Im Nationalen Entsorgungsprogramm steht, der Stand von Wissenschaft und Technik sei für Konrad erst bei Ende der Betriebszeit nachzuweisen. Ich glaube, dass man damit den Menschen im Umfeld von Konrad das Leben mit dem Endlager noch ein Stück schwerer macht. Der Stand von Wissenschaft und Technik muss zu Beginn der Einlagerungsphase, also bei Inbetriebnahme von Konrad, nachgewiesen werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Herr Kanitz hat sehr deutlich ausgeführt – Sie hatten ja auch ein bisschen mehr Redezeit als ich –,
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch gut so!)
welche Aufgaben das NaPro uns in der Endlagerkommission stellt; deswegen will ich darauf nur relativ kurz eingehen.
Frau Schwarzelühr-Sutter, für uns in der Endlagerkommission ist klar: Ja, wir geben gemäß dem Zeitplan – so haben wir es zumindest vor – einen Bericht ab. Das wird aber nicht, wie ursprünglich gedacht, ein wirklicher, vollkommener Abschluss- bzw. Endbericht sein, in dem wir alles darlegen, wie man das Verfahren zur Endlagersuche starten kann, sondern er wird bewusst „Bericht“ heißen, und es werden auch offene Fragen thematisiert. Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen die Abfälle aus der Asse und von Urenco an demselben Standort eingelagert werden können – in zwei Endlager, die auf irgendeine Weise miteinander verbunden sind –, werden wir nicht beantworten können, sondern diese Frage wird ein Nachfolgegremium beantworten müssen.
Ein großer Fehler in dem NaPro ist auch die Regelung – Frau Bulling-Schröter hat es schon benannt – zum Eingangslager. Ich halte es für völlig untragbar, festzulegen, dass ein Eingangslager nach der Benennung des Standortes durch die Behörde und anschließendem Beschluss des Bundestages errichtet wird. Das wäre in der Tat ein Rückfall zum Prinzip „Gorleben“.
Nach der Genehmigung des Standortes kann das Eingangslager gebaut und in Betrieb genommen werden, nicht vorher. Ich bitte wirklich inständig: Lassen Sie uns einen solch absolut gravierenden Fehler nicht machen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie der Abg. Ute Vogt [SPD])
Weil das zurzeit sehr stark diskutiert wird, will ich auch noch kurz etwas zum Nachhaftungsgesetz sagen – auch deshalb, weil Sie sich, Herr Kanitz, in Ihrer Rede zur ersten Lesung dieser Atomgesetznovelle, die Sie ja zu Protokoll gegeben haben, wie wir alle, sehr stark mit der Finanzierung befasst haben. Zu dem Nachhaftungsgesetz, das Sie für überflüssig erachtet haben, haben Sie gesagt, Sie hielten das für einen Startschuss zur Deindustrialisierung unseres Landes.
(Lachen des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich zitiere Sie jetzt:
Eine zeitlich und inhaltlich unbegrenzte Haftung kann nicht verhältnismäßig sein und entfaltet eine gefährliche Signalwirkung für andere, risikobehaftete Branchen. Heute wollen Sie ein Einzelfallgesetz für die Energieversorgungsunternehmen, und morgen diskutieren wir über weitere Branchen mit langfristigen Risiken ...
(Steffen Kanitz [CDU/CSU]: Genau!)
Herr Kanitz, weil Ihre Ausführungen ansonsten darauf schließen lassen, habe ich bisher gedacht, Sie hätten erkannt, dass der Atommüll wirklich ganz singulär langfristige Risiken aufweist und wirklich mit nichts, aber auch gar nichts und keiner anderen Branche in der Wirtschaft zu vergleichen ist und es von daher absolut gerechtfertigt ist, sich extra für diesen Bereich Gesetze zu überlegen. Ein solches Gesetz ist zum Beispiel das Nachhaftungsgesetz.
(Steffen Kanitz [CDU/CSU]: Verfassungsrecht!)
Dieses Gesetz ist richtig; wir brauchen es dringend. Das ist ein guter erster Schritt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben des Weiteren gesagt:
Das Nachhaftungsgesetz geht von der verfassungsrechtlich unzutreffenden Prämisse aus, die EVU hätten alles zu bezahlen, was der Staat für gesellschaftspolitisch wünschenswert hält.
Nein, das haben die EVU nicht, aber die Entsorgung und die sichere Verwahrung des Atommülls, den sie selbst produziert haben, haben sie in der Tat zu bezahlen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ute Vogt [SPD] und Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])
Vielen Dank, Frau Kollegin Kotting-Uhl. – Nächste Rednerin: Hiltrud Lotze für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Steffen Kanitz [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5975588 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 130 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Atomgesetzes |