Florian OßnerCDU/CSU - Änderung des Atomgesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte führt uns vor Augen, dass wir eine gewaltige Aufgabe zu bewältigen haben. Unser Ziel ist es, eine sichere Endlagerung für den atomaren Abfall zu finden. Ja, wir bemühen uns jetzt schon fast ein halbes Jahrhundert darum. Weitere 50 Jahre können wir uns gerade vor dem Hintergrund des Ausstiegs aus der Kernenergie nicht mehr leisten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Daher freut es mich, dass wir die 14. Novelle des Atomgesetzes parlamentarisch nun so zügig behandeln. Dafür natürlich herzlichen Dank an das Bundesumweltministerium. Wir schaffen hiermit den Rechtsrahmen für das Nationale Entsorgungsprogramm; das wurde heute schon mehrfach angesprochen. Diesem Programm kommt die Aufgabe der Erstellung einer strategischen Gesamtkonzeption und eines umfassenden Verzeichnisses aller atomaren Abfallarten in Deutschland zu.
Wir setzen damit auch Europarecht um. Jetzt sollten wir zügig weitermachen, um den Zeitplan einzuhalten, den das Standortauswahlgesetz vorgibt. In der Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“, der Endlagerkommission, haben wir uns laut gesetzlichem Rahmen bis zum 30. Juni 2016 Zeit gegeben, um Empfehlungen für Kriterien und Verfahren zur Endlagersuche auszuarbeiten. Diese Zeit müssen wir jetzt sinnvoll nutzen, ohne Nebenkriegsschauplätze zu eröffnen, was ich vor allem an die Kollegen der Grünen richte.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was?)
Mit der Beschlussempfehlung für eine Neuordnung der Behördenstruktur zur nuklearen Entsorgung haben wir in der Endlagerkommission bereits einen zentralen Eckpunkt für den Abschlussbericht gesetzt. Allerdings ist es nach wie vor meine Meinung, dass Regulierung und Betrieb der Endlagerung strikt getrennt durch unterschiedliche Behörden erfolgen sollten und damit die Aufsicht durch verschiedene Bundesbehörden durchgeführt wird.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dies ist nicht nur im Sinne der EU-Vorgaben, sondern entspricht auch meinem Verständnis einer effektiven Kontrolle.
Auch sollten wir uns in der Kommissionsarbeit bei der inhaltlichen Befassung mit dem Thema Rechtsschutz gut überlegen, in welchem Umfang und bis zu welchem Stadium wir bei der Endlagererkundung Rechtsschutz empfehlen. Bundestag und Bundesrat müssen aber Letztentscheidungsrecht in dieser Frage behalten. Es darf nicht sein, dass sich die Endlagerung nach einer Entscheidung durch den Gesetzgeber durch vielfältige Klagemöglichkeiten und Gerichtsverfahren wiederum um Jahre oder gar Jahrzehnte verzögert.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So was kommt vor!)
Das Nationale Entsorgungsprogramm mahnt uns mit der exakten Auflistung und Prognose aller Abfälle gerade dazu, termintreu zu sein und eine Endlagerung in einem vernünftigen Zeithorizont zu realisieren. Der Schacht Konrad – er wurde heute schon mehrfach angesprochen – ermöglicht es uns, voraussichtlich ab 2022 den schwach- und mittelradioaktiven Abfall Schritt für Schritt endzulagern. Den Abschlussbericht sollten wir auf die wesentlichen Fragen mit dem Schwerpunkt hochradioaktive Abfälle beschränken. Wir müssen ihn nicht mit historischen und ethischen Betrachtungen überladen. Die Endlagerkommission ist meines Erachtens auch nicht als belehrendes Gremium gedacht, sondern als Empfehlungs- und Ratgeber für Legislative und Exekutive.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Bürger verlangen von uns mehrheitlich tragbare Lösungsvorschläge für dieses komplexe Problem statt akademischer Spiegelgefechte. Mit einem fristgerechten Bericht können wir gleichzeitig den vereinbarten Zeitplan zum Ausstieg aus der Kernenergie einhalten und ein klares Zeichen der Verantwortung gegenüber den zukünftigen Generationen setzen. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Punkt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass der Rückbau einzelner Kernkraftwerke bereits läuft. Ab 2022 werden die Rückbaumaßnahmen nach Abschaltung der letzten Kernkraftwerke – zum Beispiel Isar 2 in Essenbach bei Landshut in meiner Heimatregion – sicherlich noch intensiver. Das bedeutet, dass weiterer Abfall anfällt.
Wir sollten auch die Sorgen der Menschen an den Standorten der Kernkraftwerke ernst nehmen. In den dortigen Zwischenlagern sind bereits die abgebrannten Brennelemente der Kernkraftwerke verwahrt. Jetzt sehen sich einige dieser Standorte noch mit der Aufnahme von 26 weiteren Castorbehältern mit radioaktiven Abfällen aus den Wiederaufbereitungsanlagen La Hague und Sellafield konfrontiert. Das Standortauswahlgesetz sieht das zwar so vor, doch die Bürgerinnen und Bürger müssen die Klarheit haben, dass es sich tatsächlich nur um eine zeitlich begrenzte Zwischenlagerung handelt. Ein Bericht der Endlagerkommission zum 30. Juni nächsten Jahres mit Schwerpunkt hochradioaktive Abfälle verdeutlicht, dass die Politik Befürchtungen der Bevölkerung klar entgegentritt. Denn eines darf nicht passieren: Zwischenlager dürfen sich letztlich nicht in Endlager verwandeln.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ebenso ist es für mich ein Gebot, das Standortauswahlgesetz in Bezug auf die geografischen Standorte ernst zu nehmen. Bei der Ausarbeitung unserer Empfehlungen muss das Prinzip der weißen Landkarte gelten. Kein Standort darf aus irgendwelchen Gründen von vornherein ausgeschlossen werden. Das bedeutet, dass das Erkundungsbergwerk Gorleben so weit und so gut, wie es technisch und rechtlich erforderlich ist, offengehalten werden muss. Das Bundesamt für Strahlenschutz ist gefordert, dafür Sorge zu tragen. Die Historie und die Symbolik dieses Standorts für die Umweltbewegung und letztlich auch ein Stück weit für Sie, liebe Grüne, dürfen nicht als Rechtfertigung herhalten, den Salzstock Gorleben vorab auszuklammern. Das wäre aus meiner Sicht ungerecht gegenüber allen anderen möglichen Standorten in Deutschland.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tun wir ja auch nicht!)
Das Nationale Entsorgungsprogramm führt aber nicht nur die Abfälle aus der Kernenergie, sondern auch aus der Kerntechnik und der Medizin auf. Wir sollten bei unseren Bemühungen, diesen atomaren Abfall endzulagern, nicht den Forschungsstandort Deutschland gefährden.
Deutschland hat internationale Zusagen zur Nichtverbreitung von hochangereichertem Uran gemacht. Demnach sind wir aufgefordert, dieses Material, das wir für Forschungszwecke benötigen, immer an die Lieferländer zurückzuführen.
Wir sollten den kerntechnischen Forschungseinrichtungen auch nicht die Grundlage entziehen, indem wir den Zugang und die Rücknahme von Brennelementen für Forschungszwecke gesetzlich unmöglich machen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was soll das denn heißen?)
Kerntechnik ist für die Grundlagenforschung in der Industrie – zum Beispiel bei der Materialforschung; das wird oft nicht erkannt –, aber auch in der Medizin – zum Beispiel bei der Krebsforschung – sowie in der Pharmazie unerlässlich. Dort ist sie wichtig. Wir benötigen das Wissen der Experten auf diesem Gebiet für den Erhalt der Spitzenposition des Forschungs- und Entwicklungsstandorts Bayern bzw. Deutschland.
Kompetenzerhalt für den Rückbau ist hier absolut erforderlich und überlebensnotwendig. Den Vorwurf, der Kompetenzerhalt diene dazu, einen Wiedereinstieg in die friedliche Nutzung der Kernenergie zu ermöglichen, halte ich daher für eine ideologisch völlig verfehlte Argumentation.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aus der Verantwortung gegenüber den nachkommenden Generationen heraus dürfen wir das Thema Endlagerung nicht mehr auf die lange Bank schieben. Darum sollten wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, in dieser Legislaturperiode ein unverrückbares Zeichen zur Lösung der Endlagerfrage setzen. Daher müssen wir dieser Novelle zustimmen.
Herzliches „Vergelts Gott“ fürs Zuhören.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5975671 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 130 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Atomgesetzes |