Volker UllrichCDU/CSU - Einführung einer Speicherfrist und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im Gegensatz zu Ihnen, meine Kollegen vom Bündnis 90/Die Grünen, eine intensive und sachliche Debatte über die Einführung von Speicherpflichten für Verkehrsdaten geführt.
(Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD] – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da lachen ja die Hühner!)
Um mit einem Missverständnis, das in der öffentlichen Debatte immer wieder aufkommt, aufzuräumen, möchte ich hier heute klarstellen: Der Staat speichert nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Der Staat legt keine staatliche Datensammlung an. Wir verpflichten durch das heutige Gesetz die Telekommunikationsanbieter, Verbindungsdaten für zehn Wochen und IP-Adressen und Anrufkennungen ebenfalls für zehn Wochen zu speichern; Standortdaten von Mobiltelefonen werden für vier Wochen gespeichert.
Um ein weiteres Missverständnis aus der Welt zu schaffen: Diese Speicherung wird im Wesentlichen nicht neu begründet, sondern die Telekommunikationsanbieter halten diese Daten bereits vor, zu Rechnungszwecken oder zu Wartungs- und Reparaturzwecken.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Bereits jetzt können Strafverfolgungsbehörden nach richterlichem Beschluss auf diese Daten zugreifen. Nur hängt es im Augenblick vom Zufall ab, ob die Daten noch gespeichert sind oder nicht. Ich sage Ihnen ehrlich: Zufälligkeit ist für uns kein gültiges Rechtsprinzip.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wann darf der Staat auf diese Daten zugreifen? Er darf nur dann zugreifen, wenn es der Aufklärung oder Verhinderung schwerster und allerschwerster Straftaten dient,
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Und woher weiß er das?)
wenn es um die Gefahrenabwehr, zum Beispiel die Abwehr von terroristischen Anschlägen, oder um Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder der Länder geht.
(Zuruf des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])
Dieser Zugriff darf nur nach richterlichem Beschluss und nur im Einzelfall erfolgen. Die Daten von Berufsgeheimnisträgern unterliegen einem absoluten Verwertungsverbot.
Warum brauchen wir das? Wir brauchen das, weil sich beispielsweise im Bereich des Kindesmissbrauchs und der Kinderpornografie Ermittlungsansätze bald nur noch in der digitalen Welt finden lassen.
(Thomas Strobl (Heilbronn) [CDU/CSU]: So ist das!)
Wir brauchen das, weil wir bei Mord und Totschlag oftmals durch die Funkzellen feststellen können: Wer hat sich denn im Umfeld eines Tatortes aufgehalten? Wir brauchen das, um Schleuserkriminalität zu bekämpfen, und wir brauchen das auch, um möglichen Hinweisen auf islamistische, rechtsextreme und andere Attentate nachzugehen.
(Thomas Strobl (Heilbronn) [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Der wehrhafte Rechtsstaat braucht diese Instrumente.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Viele Delikte vollziehen sich heute in der digitalen Sphäre. Dieser Gesetzentwurf trägt dazu bei, eine digitale Spurensicherung sicherzustellen.
Der Gesetzentwurf eröffnet den Strafverfolgungsbehörden nicht alle Möglichkeiten.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Doch!)
Er schafft aber im begrenzten Umfang zumindest Chancengleichheit mit Verbrechern; er behebt Defizite in der Strafverfolgung. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir wollen nicht, dass Verbrecher ihre Taten mit Smartphones planen und ausführen, während die Strafverfolgungsbehörden, wenn es nach Ihnen ginge, nur Schreibmaschinen und Kohlepapier haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dieser Gesetzentwurf wahrt auch einen hohen Datenschutzstandard. Bei der Speicherung und beim Abruf der Daten wird der Stand der Technik der Jahre 2015, 2016 und 2017 zugrunde gelegt. Die Daten sind im Inland zu speichern. Hier rufe ich der Kommission zu: Wie wir unsere Sicherheit und Ordnung gestalten, ist eine Frage der inneren Sicherheit und nicht des Wettbewerbs und des Binnenmarkts.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In diesem Gesetzentwurf ist auch geregelt, dass die Daten eine Woche nach Ablauf der Frist zwingend zu löschen sind und dass die Telekommunikationsanbieter, die gegen diese Löschungspflicht verstoßen, teilweise hohe Bußgelder riskieren. Das ist ein Goldstandard des Datenschutzes.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD] – Thomas Strobl (Heilbronn) [CDU/CSU]: Mehr Datenschutz!)
Auch um Missverständnissen vorzubeugen, sei auf das Bundesverfassungsgericht hingewiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat die damalige Regelung des Jahres 2007 für verfassungswidrig erklärt, weil wir in einigen Punkten zugegebenermaßen nicht präzise genug waren. Es hat aber nicht gesagt, dass die Speicherung von Verbindungsdaten per se verfassungswidrig ist. Wer das sagt, nimmt das Verfassungsgericht in eine Geiselhaft. Das ist nicht anständig. Im Gegenteil!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Bundesverfassungsgericht hat einen rechtlich zulässigen Rahmen aufgezeigt, in welchem eine Speicherung und ein Abruf von Verbindungsdaten zulässig sind. Wir halten uns nicht nur an diesen Rahmen, sondern wir bleiben sogar weit hinter dem, was der zulässige Rahmen möglich macht, zurück.
Auch in Bezug auf die Erforderlichkeit hat das Bundesverfassungsgericht ganz deutlich gesagt – ich zitiere –:
Der Gesetzgeber darf eine sechsmonatige Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten auch als erforderlich beurteilen.
Mich ärgert in diesem Zusammenhang, dass Sie manchmal eine sehr unsensible Sprache wählen. Im Vorfeld ist viel von „Massenüberwachung“ und „Generalverdacht“ gesprochen worden. Sie können einen Gesetzentwurf mit Argumenten zutreffend oder auch weniger zutreffend kritisieren oder hinterfragen – gar keine Frage –, aber wenn Sie darüber sprechen, dann haben Sie auch die Verantwortung, sensibel mit Begriffen umzugehen. Wer bei rechtsstaatlichen, engen Ermittlungsansätzen von Überwachung spricht, der ist geschichtsvergessen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Kollege, Herr von Notz begehrt eine Zwischenfrage. – Sie lassen sie nicht zu. Okay.
(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich wollte noch auf das Geschichtsbewusstsein zu sprechen kommen!)
Wir haben festzustellen, dass dieser Gesetzentwurf in engen Grenzen selbstverständlich einen Grundrechtseingriff bedeutet; das ist gar keine Frage;
(Sabine Weiss (Wesel I) [CDU/CSU]: Genau!)
das haben wir auch nie bestritten. Wir gehen mit diesem Umstand auch sehr verantwortungsvoll um. Aber die Ziele dieses Gesetzentwurfs haben ebenfalls einen hohen Verfassungsrang. Es ist von hohem Verfassungsrang, schwere und schwerste Straftaten gleichermaßen aufzuklären. Es ist von hohem Verfassungsrang, Gefahren für Leib und Leben abzuwenden. Es ist von hohem Verfassungsrang, den Opferschutz sicherzustellen. Wir stellen den Täterschutz nicht über den Opferschutz. Für uns sind die Opfer wichtig, und wir kümmern uns um die Opfer, indem wir schwere und schwerste Straftaten aufklären.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es gibt in dieser Frage keinen Gegensatz von Freiheit und Sicherheit. Ganz im Gegenteil: Freiheit und Sicherheit bedingen sich. Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit. Mit diesem Gesetz wird die notwendige Freiheit ein Stück weit gewährleistet, weil wir Gefahren, die es heute gibt, aus dem Weg schaffen oder zumindest dafür sorgen, dass schwerste Straftaten aufgeklärt werden. Wir übernehmen damit Verantwortung für die Freiheit und die Sicherheit der Menschen in diesem Land. Deswegen empfehle ich die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten von Notz das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5978378 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 131 |
Tagesordnungspunkt | Einführung einer Speicherfrist und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten |