Edgar FrankeSPD - Krankenhausfinanzierung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in der Sommerpause über 30 Krankenhäuser besucht, die mich als Ausschussvorsitzenden eingeladen haben. Ich habe mich viel mit Klinikpersonal unterhalten, ich habe mit Verdi-Vertretern diskutiert, vor allen Dingen mit Landräten, Oberbürgermeistern und Krankenhausdirektoren.
Nicht jede Podiumsdiskussion war vergnügungssteuerpflichtig; das muss ich sagen. Viele haben wider besseres Wissen einiges behauptet. Vor allen Dingen wurde behauptet, wir hätten im Krankenhausbereich gespart. Das Gegenteil ist richtig: Wir haben von 2007 bis 2012 20 Prozent mehr ausgegeben. Wir haben 15 Milliarden Euro mehr ausgegeben. Wir sind jetzt bei 70 Milliarden Euro. Das ist schon eine beträchtliche Summe. Im Krankenhausbereich ist also gerade vom Bund nicht gespart worden.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Liebe Linken, wir werden in Zukunft nicht weniger, sondern mehr Geld ausgeben. Wir werden es nur strukturiert ausgeben, für eine sinnvolle und moderne Versorgungsstruktur; denn wir haben in einigen Krankenhäusern noch Strukturen der 70er-Jahre. Wir brauchen aber Spezialisierungen. Wir haben Behandlungsteams im Bereich Onkologie, und es werden kardiologische Interventionen durchgeführt. Das eine oder andere Krankenhaus auf Kreisebene kann inzwischen zwar Herzkatheter legen; aber ich glaube, in diesen Bereichen müssen wir die Qualität verbessern und für Spezialisierungen sorgen. Das ist das Thema, dem wir uns widmen sollten, und wir sollten nicht Geld mit der Gießkanne ausgeben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Im internationalen Vergleich haben wir – auch das muss man ehrlich sagen – eher zu viele als zu wenig Betten. Deswegen ist eine grundlegende Krankenhausreform wichtig. Wir – die Frau Staatssekretärin hat es schon erwähnt – wollen zwei Themen auf die politische Agenda setzen: Qualität und verbesserte Personalausstattung.
Bei den Krankenhäusern gibt es eine Abstimmung mit den Füßen: Wo gehen die Leute hin? Sie gehen in die Krankenhäuser, die Qualität bieten. Sie gehen in die Krankenhäuser, in denen Qualitätsberichte die hohe Qualität dokumentieren und in denen sie erfahrungsgemäß gut betreut werden. Daran kann kein Beschluss etwas ändern. Deswegen ist die Qualität der Maßstab unserer Politik, und so muss das auch sein, liebe Freundinnen und Freunde.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Es kann sein, dass in Ballungszentren ein Krankenhaus entbehrlich ist, weil die Qualität nicht stimmt oder weil es zu viele gibt. Dann ist es vernünftig, finanzielle Anreize zu setzen, damit das Krankenhaus zum Beispiel in eine geriatrische Einrichtung oder ein Hospiz umgewandelt wird. Dafür finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, ist genau richtig. Das ist der richtige Weg und Ausdruck einer zukunftsorientierten Politik; das muss ich sagen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Ich sage Ihnen auch: Zielgerichtete Ausgaben, strukturierte Ausgaben sind viel vernünftiger, weil wir damit etwas bewirken, weil wir dann eine Politik in die richtige Richtung machen. Wenn wir Qualität, eine ausreichende Anzahl von Leistungen und Erfahrungen zum Maßstab nehmen, ist auch das wichtig, weil dann nämlich das Patientenwohl und eben nicht das Geldausgeben im Vordergrund steht.
Gleichzeitig brauchen wir neben Qualität aber auch Versorgungssicherheit. Wir haben viele Krankenhäuser im ländlichen Bereich – ich komme aus Nordhessen –, die eben nicht die nötigen Fallzahlen und die entsprechende Größe haben. Genauso ist es in Bayern. Ich war bei der Kollegin Bärbel Kofler, die da hinten sitzt, in Südostbayern. Dort gibt es in der Fläche natürlich Krankenhäuser, die nicht die Quantität haben, die aber für die Versorgung wichtig sind, weil auch ambulant tätige Ärzte aus der Fläche gehen. Diesen Krankenhäusern müssen wir helfen. Dafür gibt es auch ein vernünftiges Instrument: Diesen Krankenhäusern geben wir mit Sicherstellungszuschlägen finanzielle Anreize, weil sie einfach nicht so hohe Einnahmen erwirtschaften können wie andere Krankenhäuser, die ganz andere Fallzahlen haben. Auch das ist ein richtiger Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Sie schreiben in Ihrem Antrag von Länderfinanzierung und DRGs. Zunächst ist es so: Dass wir eine Unterfinanzierung und ökonomischen Druck haben, liegt vielleicht weniger an den DRGs als vielmehr daran, dass wir aus den Betriebsausgaben Investitionen erwirtschaften müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Das ist der eigentliche Grund für die Unterfinanzierung. Das ist aber kein struktureller Grund. Herr Terpe hat ja so schön gesagt, das Selbstkostendeckungsprinzip sei ein Griff ins Jenseits. Es reicht nicht, wenn wir jetzt vollkommen überholte Rezepte recyceln, sondern wir müssen moderne Strukturen schaffen, damit sich die Versorgung aus Sicht der Patienten verbessert. Wir dürfen aber nicht in die sozialistische Mottenkiste greifen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Was hat denn das mit „sozialistischer Mottenkiste“ zu tun?)
Das Problem der dualen Finanzierung werden wir nicht lösen; denn wir haben gar keinen Durchgriff. Wir haben, sehr verehrte Frau Vogler, gar keinen Durchgriff auf die Länder, weil wir im Föderalismus leben. Das kann auch die Große Koalition nicht ohne Weiteres machen; das geht eben nicht. Aber man muss auch festhalten, dass sich die Länder in dem Bund-Länder-Papier ausdrücklich verpflichtet haben, ihrer Investitionspflicht in stärkerem Maße gerecht zu werden. Auch das ist ein Weg in die richtige Richtung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen Punkt, der mir und vielen in der Koalition am Herzen liegt, ansprechen: die Verbesserung der Personalsituation in den Krankenhäusern. Eine Pflegekraft in Deutschland – da haben Sie recht – muss mehr als doppelt so viele Patienten betreuen wie eine Pflegekraft in den skandinavischen Ländern oder in den Niederlanden. Da ist Ihre Analyse richtig. Wir alle wissen, dass die Arbeit der Pflegekräfte eine höhere Wertschätzung verdient.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen werden wir vier Maßnahmen durchführen: Wir werden nicht nur das Pflegestellenförderprogramm mit 6 000 bis 7 000 zusätzlichen Pflegestellen auf den Weg bringen, wir werden nicht nur eine Expertenkommission einsetzen, um den Pflegebedarf besser abzubilden – sei es durch Personalbemessung, sei es in den DRGs –, sondern wir werden auch die steigenden Kosten infolge von Tarifabschlüssen, die die Obergrenze überschreiten, hälftig refinanzieren. Wir werden schließlich den sogenannten Versorgungszuschlag in einen Pflegezuschlag umwandeln. Das wird für die Krankenhäuser 500 Millionen Euro zusätzlich bringen. Ich glaube, das ist ein riesiger Fortschritt im Hinblick auf die strukturelle Situation der Krankenhäuser bei uns in Deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Denken Sie an Ihre Redezeit?
Ich komme sofort zum Schluss.
So erhalten die Krankenhäuser einen finanziellen Anreiz, ein angemessenes Personalbudget vorzuhalten. Da sie über die Mittel sogar frei verfügen können, ist sozusagen das Indiz für die Höhe des Pflegezuschlags, wie hoch das Personalbudget ist. Das ist vernünftig, das ist kreativ, und das ist die zielgerichtete Gesundheitspolitik der Koalition. Denn eine solche Politik ist am Patienten orientiert und nicht am Geldausgeben mit der Gießkanne. Vielmehr werden die Strukturen und damit die Versorgung aus dem Blickwinkel des Versicherten verbessert. Das ist zukunftsorientierte Politik. Das ist die Gesundheitspolitik, die maßgeblich auch von der SPD betrieben wird.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich möchte Sie wirklich bitten, die Redezeiten einzuhalten, weil wir noch einiges auf der Tagesordnung haben.
Nächster Redner ist Lothar Riebsamen für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5980671 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 131 |
Tagesordnungspunkt | Krankenhausfinanzierung |