16.10.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 131 / Tagesordnungspunkt 26

Lothar RiebsamenCDU/CSU - Krankenhausfinanzierung

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Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Linke fordert mit ihrem Antrag eine bedarfsgerechte Krankenhausfinanzierung. Dem könnte man sich anschließen. Daran ist zunächst einmal nichts falsch.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Hört! Hört!)

Was ist aber die Voraussetzung für eine bedarfsgerechte Krankenhausfinanzierung? Voraussetzung ist, dass man zunächst einmal eine objektive Krankenhausbedarfsplanung betreibt, die an Erreichbarkeit und Qualität ausgerichtet ist – das werden wir in dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz auch so verankern –, bei der aber nichts nur deshalb so bleibt, wie es ist, weil es immer so war.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Schauen wir jetzt doch einmal nach Thüringen, in ein Bundesland, in dem die Gesundheitspolitik voll in den Händen der Linken liegt. Am 21. November 2014 war in der Ärzte Zeitung zu lesen, was im dortigen Koalitionsvertrag steht: Die Koalition gibt den Krankenhäusern Bestandsgarantie.

(Maria Michalk [CDU/CSU]: Prima!)

Na toll! Das könnte man ja noch verstehen, wenn es in Thüringen zu wenige Krankenhäuser und zu wenige Krankenhausbetten gäbe. Wenn man dort hinguckt, dann sieht man aber, dass Thüringen unter den Flächenländern der absolute Spitzenreiter ist, wenn es um die Zahl der Krankenhausbetten geht.

(Maria Michalk [CDU/CSU]: Im Gegensatz zu Sachsen! – Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Aber das hat nicht die Linke zu verantworten! Da waren vorher andere dran!)

Eine Krankenhausbedarfsplanung kann nicht so funktionieren, dass man zunächst eine Bestandsgarantie gibt und erst anschließend die Bedarfsplanung durchführt. Ich kann Ihnen sagen: Das wäre ein Offenbarungseid bei der Krankenhausbedarfsplanung. So wird es nicht funktionieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Richtig ist, dass wir in unserem Land aufgrund der demografischen Entwicklung vor großen Herausforderungen stehen. Erfreulicherweise werden wir häufig in Gesundheit älter. Daran haben die Krankenhäuser einen beachtlichen Anteil. Auch der medizinisch-technische Fortschritt ist hier eine große Herausforderung.

Weil wir immer älter werden, steigt natürlich auch das Risiko, dass wir möglicherweise – keinem ist es zu wünschen – an Demenz oder an Krebs erkranken, deren Behandlung sehr teuer ist. Gerade weil dies so ist, ist es umso nötiger, bedarfsgerechte Strukturen und ein Finanzierungssystem für die Zukunft zu schaffen, sodass wirtschaftlich und nicht mit Methoden der Steinzeit – Selbstkostenfinanzierung und all diese Dinge – gearbeitet werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Grunde haben wir in den Krankenhäusern vier Grundbaustellen: Es geht um Erlöse und um Kosten – hier sind wir mit dem Krankenhausentgeltgesetz gefordert –, es geht um Strukturen – hier sind die Länder mit einer Bedarfsplanung und vor allem auch die Träger vor Ort gefordert –, und es geht um die Investitionskostenfinanzierung.

Ich beginne mit den Kosten und mit den Erlösen. Hier gibt es zunächst einmal ein systemimmanentes Problem, das uns die Krankenhäuser immer wieder einmal nicht ganz zu Unrecht vorgehalten haben, nämlich die Tarifschere. Immer dann, wenn der Tarifabschluss höher war als die Veränderungsrate des Grundlohns, ist logischerweise ein Defizit entstanden. Über die Jahre hinweg musste hier immer wieder einmal mit Notprogrammen nachgesteuert werden, wie zuletzt mit dem Versorgungszuschlag.

Genau an dieser systemimmanenten Stelle werden wir mit dem Krankenhausstrukturgesetz Abhilfe schaffen, indem die Krankenkassen zukünftig, wenn dieser Fall eintritt, 0,5 Prozentpunkte dieser Differenz übernehmen und den entsprechenden Betrag an die Krankenhäuser bezahlen müssen. Das ist ein ganz gewaltiger Fortschritt, den wir mit diesem Gesetzentwurf erreichen. Damit kommen wir den Krankenhäusern sehr entgegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Heike Baehrens [SPD])

Diese Lücken – ich habe es angesprochen – sind entstanden, und der Versorgungszuschlag, der ausläuft, hat hier geholfen. Deswegen ist es richtig, ihn weiterlaufen zu lassen. Dieser muss aber an das Pflegepersonal gebunden werden. Über das Pflegestellenförderprogramm hinaus, das ja schon im ursprünglichen Gesetzentwurf steht, werden diese 500 Millionen Euro also an das Pflegepersonal gebunden, um die Pflegesituation in den Krankenhäusern in Deutschland zu verbessern. Früher war das einmal der größte Budgetblock in einem Krankenhaus. Das ist heute nicht mehr unbedingt so. Deswegen besteht hier dieser Nachholbedarf, und ich denke, hier sind wir auf einem absolut richtigen Weg, indem wir dies jetzt entsprechend korrigieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Heike Baehrens [SPD])

Dann geht es um ein Thema, das über Jahre hinweg kritisch diskutiert wurde, die doppelte Degression. Das heißt, die Krankenhäuser, die nicht mehr Patienten versorgt haben als vereinbart, mussten für die bluten, die diese Mehrleistungen erbracht haben. Das war ungerecht. Wir schaffen die doppelte Degression ab und helfen damit in erster Linie den kleinen Krankenhäusern, vor allem im ländlichen Raum; das ist wichtig.

Auf der anderen Seite gleichen wir hier aber aus. Da gab es zunächst Kritik an der Organisation. Aber auch hier haben wir in den vergangenen Wochen im Rahmen der Berichterstattergespräche und zusammen mit den Vertretern der Länder Lösungen gefunden, auf deren Grundlage auch mit Blick auf den sogenannten Fixkostendegressionsabschlag – jeder, der dieses Wort ohne Unfall aussprechen kann, ist ein Fachmann – deutliche Verbesserungen gegenüber dem Entwurf erreicht werden.

(Maria Michalk [CDU/CSU]: Du bist der Fachmann!)

Ein anderes Thema sind die Landesbasisfallwerte. Wenn wir Wert auf das Prinzip „gleiches Geld für gleiche Leistung“ legen, dann ist es notwendig, an dieser Stelle nachzujustieren und die großen Preisunterschiede zwischen den Ländern bis zum Jahr 2021 auf ein notwendiges Maß zu korrigieren. Auch wird es uns mit dem Gesetz gelingen, im Bereich Orientierungswert einen sachgerechten Warenkorb für die Krankenhäuser zu definieren.

Nun zu den Strukturen. Ich habe es erwähnt: Letztlich kommt es auf die Träger vor Ort an. Die Krankenhausbedarfsplanung ist zwar wichtig – dazu habe ich das Notwendige gesagt –, aber letztlich müssen die Träger vor Ort sie umsetzen. Es ist für die Landräte, die Bürgermeister, die Ehrenamtlichen, Gemeinderäte und Kreisräte die größte Herausforderung, die Entscheidung zu vertreten, wenn eine Abteilung oder gar ein ganzes Krankenhaus geschlossen werden soll. Selbst wenn es nur um Fusionen geht, ist das eine äußerst schwierige Diskussion.

Wir können diesen Menschen die Diskussion nicht abnehmen; das ist so. Aber wir können sie konstruktiv begleiten. Das machen wir mithilfe des Strukturfonds. Ich bitte darum, diesen Punkt nicht zu unterschätzen. Ich glaube, dass wir mit den 500 Millionen Euro aus dem Fonds und den 500 Millionen Euro aus den Ländern, also 1 Milliarde Euro, den Kommunen – denn die sind hauptsächlich betroffen – richtig helfen können,

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

und zwar in der Argumentation gegenüber der Bevölkerung, aber auch, wenn es darum geht, einen Krankenhausstandort in etwas anderes, Vernünftiges umzuwandeln. Das kann die Schaffung von ambulanten Strukturen sein, die von der Qualität her möglicherweise besser sind als das, was bisher da war. Das kann vielleicht auch die Verbesserung von ambulanten Notfallstrukturen sein, etwa durch Förderung der Telemedizin; das ist ein Punkt, den wir bereits auf der Agenda haben und der für die Zukunft äußerst wichtig sein wird. Das kann auch die Einrichtung von Hospizen sein. Mit 1 Milliarde Euro kann man an dieser Stelle einiges anfangen. Deswegen ist dieser Strukturfonds, den wir mit diesem Gesetz schaffen, so wichtig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Darüber hinaus – dafür bin ich sehr dankbar – werden zukünftig auch die gesetzlichen Krankenkassen in die Lage versetzt, Mittel beizusteuern, um Krankenhausumwandlungen zu finanzieren oder Krankenhausanpassungen mit abzufedern. Diese Möglichkeit hat in der Vergangenheit gefehlt.

Zu fragen ist auch: Was machen wir mit noch nicht abgeschriebenen Fördermitteln? Müssen wir diese zurückzahlen, wenn wir ein Krankenhaus schließen? Das ist natürlich ein Unding. So kann ich gegenüber der Bevölkerung, dem Gemeinderat oder dem Kreistag nicht argumentieren: Ich mache das Krankenhaus zu und muss an das Land zusätzlich ein paar Millionen Euro überweisen, sozusagen als Dankeschön. – Diese Fehlsteuerung in der Gesetzgebung werden wir ebenfalls angehen. Auch das wird äußerst hilfreich sein, wenn es um Strukturen vor Ort und um Krankenhausbedarfsplanung geht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zu den Investitionskosten noch ein Satz. Hier können wir nicht helfen, weil wir als Bund nicht zuständig sind. Die Länder sind für die Förderung der Investitionskosten zuständig. Hier ergeht der Appell an die Länder, ihrem Auftrag nachzukommen, die Investitionskosten zu 100 Prozent zu fördern. Mit Blick auf die Schließungen – das habe ich gerade erwähnt – werden wir die Krankenkassen einbinden. Wir werden sehen, wie diese Entwicklung weitergeht. Wir werden uns sicher auch zukünftig über Krankenhausstrukturen unterhalten.

Ich sehe, meine Redezeit ist abgelaufen. Ich hätte gerne noch etwas zu den Notfallstrukturen gesagt; auch das ist wichtig. Ich will aber die Geduld der Vorsitzenden nicht überstrapazieren.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Der Präsidentin!)

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bin sicher, dass wir in der nächsten Sitzungswoche ein hervorragendes Gesetz für unsere Krankenhäuser verabschieden werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. Vorsitzende ist bei Ihnen jemand anders.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Frau Präsidentin! – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: So viel Zeit muss sein!)

– Gut, danke schön. – Nächste Rednerin in der Debatte: Birgit Wöllert für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5980685
Wahlperiode 18
Sitzung 131
Tagesordnungspunkt Krankenhausfinanzierung
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