Georg KippelsCDU/CSU - Kinder in Entwicklungs- und Schwellenländern
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Mit unserem Antrag wollen wir nichts Geringeres, als den steinigen und unsicheren Weg von Kindern aus Entwicklungs- und Schwellenländern ins Leben leichter, besser und zukunftsfähiger zu gestalten. Kinder sind die Zukunft. Kinder sind die zerbrechlichsten Wesen auf dieser Erde. Kinder brauchen Schutz und Fürsorge; denn sie brauchen ihre Kraft und ihre Fähigkeiten, um die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte zu meistern. Die Kinder der Entwicklungsländer und ihre Chancen im Leben werden ihre und auch unsere Gesellschaften gestalten. Sie werden das Angesicht der zukünftigen Welt prägen.
Mit unserem Antrag möchten wir dabei die wechselseitige Bedeutung von Gesundheit und Bildung für eine nachhaltige und stabile Gesellschaft hervorheben, und zwar gerade am Anfang des Lebens, weil dort gemachte Fehler meist nicht mehr korrigiert werden können. Insofern ist der Anfang des Lebens die mit Abstand wichtigste Phase der Entwicklung – einmalig und uneinholbar.
Gesundheit ist die Basis von gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung. Ohne eine gesunde Bevölkerung von Kindesbeinen an ist keine erfolgreiche Entwicklung einer Gesellschaft möglich. Ohne Gesundheit als Fundament von Bildung und Bildung als Fundament einer qualifizierten Arbeit führt der Lebensweg eines Kindes nicht aus der Armut heraus; es verliert die Eigenverantwortlichkeit und damit seine Würde. Der Antrag beschreibt daher die zwingende Bedingung, ohne die eine erfolgreiche Entwicklung von Staaten gar nicht stattfinden kann. Alles, was danach kommt, sind nur unvollständige Reparaturmaßnahmen.
Dies lässt sich an belastbaren Befunden festmachen. In diesem Zusammenhang möchte ich zwei Themen besonders betonen:
Das ist zum einen die Rolle der Frauen in der Gesellschaft. Die Entwicklung der Kinder ist untrennbar mit der Achtung der Frauen und damit der Mütter verbunden. Missachtet man die Rechte der Frau, wird zwangsläufig auch das Kind in seiner Entwicklung verletzt. Werden Frauen geachtet, wird den Rechten von Frauen umfassend Rechnung getragen, ist dies ausschlaggebend für Müttergesundheit und gesellschaftliche Selbstbestimmung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Damit ist der Start ins Leben gesichert, und die Mutter ist immer die Anwältin der Kinderrechte.
Zum anderen ist die Erstellung von belastbaren Gesundheitssystemen von zentraler Bedeutung für eine leistungsfähige und damit auch produktive Gesellschaft. Hierzu bedarf es der koordinierten und ganzheitlichen Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, die Situation in den Entwicklungs- und Schwellenländern signifikant zu verbessern und auf Standards zu bringen, die nach unseren langjährigen Erfahrungen absolut zwingend notwendig sind.
Dies will ich gerne an einem konkreten Beispiel belegen. Seit fast neun Monaten erleben wir in meinem Büro hier in Berlin die Schwangerschaft einer Mitarbeiterin mit. Es ist eine Freude, zu sehen, wie gut es Mutter und Tochter – dass es ein Mädchen ist, weiß sie schon – in dieser Zeit geht. Dies verdankt sie unserem frei zugänglichen und modernen Gesundheitssystem, in dem Mutter und Kind von der ersten Minute der Schwangerschaft an optimal betreut werden. Dies wird sich bis zur Entbindung und sofort darüber hinaus im Leben der neuen Erdenbürgerin fortsetzen.
In den Industrieländern ist dies eigentlich nichts wirklich Bemerkenswertes mehr. Aber wie viele Risiken entstehen für Mutter und Kind, wenn all diese Versorgungsleistungen fehlen? 2014 starben in Deutschland im ersten Lebensjahr weniger als vier Kinder je 1 000 Lebendgeburten. Diesem Ideal stehen nun die Realitäten der Entwicklungs- und Schwellenländer gegenüber. Hier ist Millenniumsentwicklungsziel 5 – Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter – eines der Ziele, bei denen immer noch großer Handlungsbedarf besteht. Die Todesursachen sind Mangelernährung, auch schon in der Schwangerschaft, Malaria, HIV/Aids, Pneumonie und Durchfall. Vieles ist behandelbar und manches allein durch Aufklärung vermeidbar. Deshalb hat die Verbesserung der Gesundheit von Müttern bei den Zielen der 2030‑Agenda für nachhaltige Entwicklung Priorität; sie ist Teil des sogenannten SDG 3.
Millenniumsentwicklungsziel 4 – die Senkung der Kindersterblichkeit – hatte die Reduzierung der Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren um zwei Drittel angestrebt. Zwischen 1990 und 2015 konnte die Sterblichkeitsrate fast halbiert werden. 2012 starben damit 6 Millionen weniger Kinder als 1990. Der Erfolg ist beachtlich, aber er ist auf keinen Fall zufriedenstellend. Und die Ursachen sind im Grunde geblieben: Krankheiten, fehlende Hygiene und nicht nur keine, sondern auch fehlerhafte Ernährung; „satt“ heißt eben nicht zwingend auch „gesund“.
Krankheiten stellen ein besonderes Problem für die Entwicklung von Kindern dar, vor allen Dingen, wenn sie schon während der Schwangerschaft übertragen werden. Die Geißeln der Menschheit heißen auch heute noch: HIV/Aids, Tuberkulose, Malaria und 17 vernachlässigte Tropenkrankheiten, die NTDs. Kinder sind diesen Bedrohungen besonders ausgesetzt; allein 500 Millionen Kinder bei den NTDs. Die Infektion mit einer oder gar mehreren Krankheiten bedeutet eine existenzielle Benachteiligung der Kinder in ihrer physischen wie mentalen Entwicklung, und dies vor allen Dingen, wenn dies in den ersten drei Lebensjahren geschieht. Die Verarbeitung von Bildung setzt aber auch körperliche Gesundheit voraus.
Die Schwangeren- und Neugeborenenversorgung und vor allen Dingen die Vorsorge sind immer noch unzulänglich. Wir brauchen dringend Geburtshelfer, Gesundheitsfachkräfte, auch unterhalb der Qualifikation eines Arztes, und vor allen Dingen Hebammen. Der Bedarf wird immerhin auf 350 000 Hebammen geschätzt.
Unsichere Abtreibungen sind nach wie vor in erschütternd hoher Zahl Todesursache von schwangeren Frauen. Ungefähr die Hälfte aller schwangeren Frauen in den Entwicklungs- und Schwellenländern leiden unter Anämie. Als Folge dessen sterben jährlich 100 000 Frauen bereits bei der Geburt.
Die körperliche und geistige Unterentwicklung eines Kindes lässt sich zu 50 Prozent auf die Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft zurückführen. Ein Fünftel aller Behinderungen weltweit sind Folge von Hunger und Unterernährung. Die Todesursache bei Kindern unter fünf Jahren ist in 45 Prozent der Fälle eine vermeidbare Mangelernährung. Dabei zeigte eine Studie des Welternährungsprogramms, dass das Wissen um die Zusammenhänge von Hygiene, Gesundheit und Ernährung wichtiger ist als der reine Zugang zu Lebensmitteln.
Wie einfach die Vermittlung von Wissen helfen kann, zeigt ein Beispiel aus Myanmar, das die Wirkung von Hygiene- und Ernährungsinformationen auf das Leben von Mutter und Kind beschreibt. Die 30‑jährige Ngwar Sa Ra hat vier kleine Kinder. Nach dem Training wurde ihr allerdings erstmals klar, dass das Stillen genauso wichtig ist wie das gesunde Zufüttern. Davor gab sie ihrer Tochter immer Wasser zu trinken, weil sie dachte, Wasser sei wichtiger als Muttermilch. Nach der Schulung begann sie, ihre Tochter voll zu stillen und später gesund zu füttern.
Um immer mehr Kindern zu einem guten Start ins Leben zu verhelfen, fordern wir in unserem Antrag deshalb nicht nur mehr Eigenverantwortung von den Partnerländern beim Auf- und Ausbau von Gesundheitssystemen, einschließlich professioneller Geburtshilfe, sondern auch, bei dem Beitrag der Bundesregierung zur Umsetzung der 2030‑Agenda einen Schwerpunkt auf ganzheitliche Gesundheitsförderung für Kinder zu legen. Wir fordern deshalb, weitere Partnerländer dabei zu unterstützen, Mangelernährung bei Kindern zu bekämpfen und Mittel zur Förderung von außerschulischer Hygiene‑, Ernährungs- und Gesundheitsbildung bereitzustellen.
Und last but not least fordern wir die Bundesregierung auf, mit den Partnerländern an einer erheblichen Verbesserung bei der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf reproduktive und sexuelle Rechte und Gesundheit zu arbeiten.
Ich möchte, dass mehr Kindern, wie der alsbaldigen Tochter meiner Mitarbeiterin, die den Namen Emilia tragen soll, ein bestmöglicher Start ins Leben ermöglicht wird. Daher schließe ich mit einer Liedzeile von Herbert Grönemeyer:
Die Welt gehört in Kinderhände, dem Trübsinn ein Ende ... Kinder an die Macht!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Dr. Georg Kippels. – Nächster Redner in der Debatte: Niema Movassat für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5980871 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 131 |
Tagesordnungspunkt | Kinder in Entwicklungs- und Schwellenländern |