Katharina DrögeDIE GRÜNEN - Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Dr. Gundelach, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede gesagt, dass das Vergaberecht keine verkappte Gesellschafts- und Sozialpolitik sein soll. Ich muss sagen: In dieser Zuspitzung, so wie Sie sie formuliert haben, teile ich Ihre Aussage nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wenn man sich anschaut, was wir in der Vergabepolitik machen, muss man sagen: Die öffentliche Hand bewegt Milliarden. Jeder sechste Euro in der Europäischen Union wird durch die öffentliche Hand bewegt. Das ist ein Riesenvolumen. Damit ist der Staat der wichtigste Nachfrager für die Wirtschaft. Die Kriterien, die wir uns durch die Vergabepolitik geben, gestalten in erheblichem Ausmaße, wie wir unsere Wirtschaft lenken und ob wir auf dem Weg zu einer nachhaltigen und sozial gerechten Wirtschaft sind oder eben nicht. Darum geht es in der Vergabepolitik. Und damit hat die Vergabepolitik eine erhebliche Lenkungswirkung für ganz viele gesellschaftliche Bereiche, für ganz viele Bereiche unseres alltäglichen Lebens.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Um diese Kriterien, die wir heute mit der Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beachten, geht es. An erster Stelle steht in der Vergabepolitik natürlich immer die Garantie eines fairen Wettbewerbs. Es geht darum, dass beispielsweise in einer Stadt – ich komme aus Köln – ein Auftrag an ein Unternehmen nicht allein deshalb vergeben wird, weil der Bürgermeister den Chef dieses Unternehmens vom Fußball kennt.
(Marcus Held [SPD]: Das ist eine Unterstellung! Das ist unmöglich!)
Darum geht es an erster Stelle in der Vergabepolitik.
An zweiter Stelle geht es in der Vergabepolitik darum, dass die öffentliche Hand nicht nach der Maxime „Geiz ist geil“ verfahren darf.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Sie darf nicht durch Vorgaben, die sie macht, und durch Preisgrenzen, die sie setzt, die Unternehmen, die die Angebote machen, zu Lohndumping und Preisdumping veranlassen. Das ist aus meiner Sicht nicht nur ein soziales, sondern auch ein ökonomisch sinnvolles, ein wirtschaftliches Kriterium; denn das billigste Angebot ist in ganz vielen Fällen nicht immer das wirtschaftlichste Angebot. Wenn man für die öffentliche Hand arbeitet, spielen Qualitätskriterien an vielen Stellen eine ebenso wichtige Rolle. Deshalb finde ich es so wichtig, dass die EU-Vergaberichtlinie den Begriff der Wirtschaftlichkeit hier noch einmal ausdrücklich verankert hat, um dieser Politik entgegenzuwirken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Ich habe die EU-Vergaberichtlinien an verschiedenen Stellen angesprochen. Herr Kollege Held, Sie haben sehr ausführlich und – wie ich finde – auch an vielen Stellen richtig geschildert, um welche Verbesserungen es bei der Novellierung des Vergabegesetzes geht. In erster Linie – das gehört auch zur Wahrheit – ist der Entwurf, den Sie als Bundesregierung vorlegen, eine Umsetzung von EU-Richtlinien. Das ist richtig und Ihr gutes Recht. Aber zur Wahrheit gehört auch dazu, dass man sagt, dass die EU-Vergaberichtlinien in erheblichem Maße dadurch verändert wurden, dass zum Beispiel meine Kolleginnen und Kollegen im Europaparlament – ich möchte hier insbesondere Heide Rühle als Berichterstatterin erwähnen – in erheblichem Maße Veränderungen daran durchsetzen konnten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Im Bereich „nachhaltige und soziale Beschaffung“, im Bereich „Fair Trade“, im Bereich „erleichterte Bedingungen für kleine und mittelständische Unternehmen“ hat meine Fraktion im Europaparlament Änderungen vorgenommen. Die können wir heute gemeinsam begrüßen. Die setzen Sie auch um, das ist richtig. Aber ich finde, das zu erwähnen, gehört zur Wahrheit der Geschichte dazu.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich habe gesagt, Sie setzen mit Ihrem Gesetzesentwurf viele richtige Vorgaben der Richtlinien um. Wir stehen erst am Anfang des Beratungsprozesses. Wir haben noch eine Ausschussanhörung. Wir haben noch eine Ausschussberatung. Ich hoffe, dass wir auch in einen Dialog treten können. An der einen oder anderen Stelle nutzen Sie nämlich Spielräume, die Ihnen der EU-Gesetzgeber gegeben hat, aus meiner Sicht nicht ausreichend. Darüber müssen wir miteinander sprechen.
Zum Beispiel geht es um soziale Dienstleistungen. Wir haben in der Vergangenheit erfahren, dass die Vergabepolitik gerade im Bereich der Arbeitsmarktdienstleistungen und der sozialen Dienstleistungen dazu geführt hat, dass Preisdumping und Lohndumping die Folge waren. Wenn Träger, die einen Qualitätsanspruch hatten, oder Träger, die auf Tariflöhne gesetzt haben, bei der Vergabe nicht ausreichend berücksichtigt wurden, bekamen sie deswegen keinen Zuschlag und mussten sich vom Markt zurückziehen. Insolvenz war dann die Folge, und Personal wurde entlassen. Teilweise hat es dann zwar bei anderen Trägern neue Beschäftigung gefunden, aber zu deutlich schlechteren Bedingungen. Das wiederum hat negative Auswirkungen auf die Qualität der Dienstleistungen.
Hier hat der EU-Gesetzgeber Spielräume vorgesehen, die in Ihrem Gesetzentwurf aus meiner Sicht – wir haben viele Stellungnahmen der Sozialverbände gelesen; Sie haben sie genauso bekommen wie wir – nur unscharf umgesetzt wurden. Hier gibt es noch Präzisierungsspielraum, den Sie nutzen sollten. Ich hoffe, dass wir in der Anhörung in einen konstruktiven Dialog eintreten können, um den Gesetzentwurf an dieser Stelle verbessern zu können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mit Blick auf die Zeit möchte ich es an dieser Stelle damit bewenden lassen. Ich habe noch eine Reihe von Punkten, die wir in der Anhörung beraten können. Ich muss ganz ehrlich sagen: Das Vergaberecht ist das wichtigste Steuerungsinstrument, das wir haben, um die Wirtschaft zu lenken. Es geht nicht um die Sanktionierung von Geschäftsmodellen, sondern es geht um das Befördern einer positiven, einer nachhaltigen, einer sozial gerechten Wirtschaft. Mit der Novellierung des Vergabegesetzes haben wir eine große Chance. Diese sollten wir im Parlament gemeinsam nutzen. Darauf freue ich mich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Barbara Lanzinger von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5981048 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 131 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts |