Jens KoeppenCDU/CSU - Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das klingt schon alles sehr abenteuerlich, was man hier hört, etwa der Kampfbegriff „Bad Bank“ für Atomrückstellungen. Die gibt es ja gar nicht; das sind von Ihnen erfundene Kampfbegriffe.
(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Es ist der Kampf der Konzerne!)
Es gibt keine Bad Bank für Atomrückstellungen.
Die vorliegenden Anträge stammen aus dem Mai und dem Juli 2014, wurden jetzt herausgeholt und uns wieder vorgelegt.
(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Weil jetzt die Zeit dafür ist!)
Sie selbst haben in Ihrem Antrag geschrieben, dass Sie die Bad-Bank-Pläne Medienberichten entnehmen. Da muss ich Sie fragen: Wie professionell ist es, Medienberichte zum Anlass zu nehmen, im Deutschen Bundestag einen Antrag vorzulegen? Ich halte das für abenteuerlich.
Dann kommt wieder die alte Geschichte der vier großen bösen Energieversorger, die, sage ich einmal, die Gewinne privatisieren
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Verluste sozialisieren! Leider!)
und die Kosten vergesellschaften, die die Steuerzahler schröpfen, die Gesellschaft zugrunde richten usw. usf. Dazu muss ich Ihnen sagen: Bei den Rücklagen, die Sie ansprechen, ist es doch immer so gewesen – das wissen Sie auch –, dass sie Konsens waren, dass diese Rücklagen natürlich staatlich festgelegt und auch immer gelenkt waren. Ich komme dazu auch noch auf Ihre eigene Regierungszeit zu sprechen.
Sie wissen auch, dass die friedliche Nutzung der Kernenergie politischer Konsens war, dass die Nutzung der Kernenergie dazu beigetragen hat, Deutschland als Industriestandort zu wirtschaftlichem Erfolg zu verhelfen. Das war eine saubere Energieform.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie sauber sie ist, sehen wir jetzt! Darum sind die Kosten ja so viel!)
Diese Energieform ist verfügbar, grundlastfähig und auch regelbar.
Auf der anderen Seite – da haben Sie natürlich recht, deswegen gibt es den Konsens über den Ausstieg – gibt es die Frage: Was ist mit dieser Risikotechnologie? Vor allen Dingen – das ist besonders wichtig –:
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer zahlt?)
Was ist mit den Endlagerkosten? Deswegen ist dieser Ausstieg im politischen Konsens beschlossen worden. Den einen ging er zu schnell – auch ich gehöre dazu –, zu abrupt, weil wir mit den Erneuerbaren und Alternativen noch nicht so weit sind. Ihnen ging er zu langsam. Aber jetzt können wir sehen, wie wir damit umgehen. Sie aber fordern, die Konzerne zu zerschlagen. Wem nützt das?
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo lesen Sie das denn, dass die zerschlagen werden sollen? – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Wo steht das denn?)
Wir werden die vier großen Konzerne benötigen, um den Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien zu gehen.
Meine Damen und Herren, was ist geplant gewesen? Welche Überlegungen gab es? Es gab die Überlegung, möglicherweise eine öffentlich-rechtliche Stiftung zu gründen und so die Stilllegung und die Endlagerkosten mit den 36 Milliarden Euro an Rückstellungen zu begleiten. Das war ein Konzeptpapier der Konzerne, die gefragt haben: Wie wollen wir jetzt damit umgehen? Sie müssen zugeben, dass diese Überlegung berechtigt ist; denn wir haben den Konzernen politisch, obwohl es andere Agreements gab, ganz abrupt das Geschäftsmodell entzogen. Dann wird man auch darüber nachdenken dürfen, was in dieser Situation zu machen ist.
Bündnis 90/Die Grünen verurteilen in ihrem Antrag diese öffentlich-rechtliche Stiftung. Zwei Absätze weiter fordern sie die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Fonds – das ist genau das Gleiche – mit Sicherung der Rücklagen, also der 36 Milliarden Euro, allerdings mit einem gewissen Unterschied: Sie fordern von den Unternehmen eine Ewigkeitsgarantie.
Meine Damen und Herren, es gibt keine Garantie für die Ewigkeit, bei keinem Unternehmen und nirgendwo auf der Welt. Übrigens fordern Sie auch nicht die Ewigkeitsgarantie bei Windkraftanlagen in dem Fall, dass sie abgebaut werden müssen, oder bei Solaranlagen dafür, dass sie recycelt werden müssen usw.
(Klaus Mindrup [SPD]: Sie müssen Bürgschaften hinterlegen! – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Kennen Sie den technischen Unterschied zwischen Aluminium und Stahl und Uran und Plutonium?)
Von diesen Unternehmen fordern Sie keine Ewigkeitsgarantie. Also, warum dort?
Meine Damen und Herren, die Debatte um die Höhe der Rücklagen ist wirklich sehr alt. Natürlich gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, ob diese Rücklagen in Höhe von 36 Milliarden Euro ausreichen oder ob sie nicht ausreichen. Ich muss noch einmal daran erinnern: Sie sind politisch festgelegt und gelenkt. Wer allerdings heute beklagt, dass die Rücklagen nicht ausreichen, der sollte wissen, dass zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung mächtig in die Kasse der Rücklagen gegriffen wurde. Ich will Ihnen das auch erläutern.
2001 gab es eine Stellungnahme der Bundesregierung an die Europäische Kommission. Darin hieß es von der rot-grünen Bundesregierung, also Ihrer Regierung, dass die deutschen Rückstellungssysteme bewährt seien, dass die Rückstellungen in der Höhe ausreichend seien und dass es wirklich keinen Reformbedarf gebe. Darüber hinaus haben insbesondere Sie – auch das ist verbrieft – oft gesagt, dass die Rückstellungen zu hoch sind, dass sie zu schnell gebildet werden und die steuerlichen Vorteile für die Unternehmen daraus einen Wettbewerbsnachteil für andere Energieträger darstellen. Deswegen müsse man die Rückstellungen, was die Schnelligkeit ihrer Bildung und die Höhe betrifft, begrenzen. Das alles kann ich Ihnen zeigen, es sind Ihre Worte.
Deswegen hat der damalige Finanzminister Oskar Lafontaine – der ja danach die Flucht ergriffen hat – mit Ihnen zusammen in die Kasse gegriffen. Er sagte, dass es nachträgliche Besteuerungen für die Atomkonzerne geben muss. Das hat zur Folge, dass jetzt 50 Milliarden D-Mark in den Rückstellungen fehlen. Meine Damen und Herren, das ist zwar gut für den rot-grünen Haushalt gewesen, aber sehr schlecht mit Blick auf das, was Sie heute beklagen.
Was ist das Fazit aus dieser Geschichte? Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat jetzt einen Stresstestbericht vorgelegt. Dort ist die Bewertung der Rückstellungen ganz klar. Es wird gesagt, dass die Gutachter davon ausgehen, dass die Rückstellungen ausreichend sind. Jetzt gibt es natürlich auch andere Gutachten. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn Sie sagen: Wir brauchen 78 Milliarden Euro. – Dann kommt aber noch jemand, der mit seiner Zahl genau dazwischen liegt. Ich gehe von dem Stresstestbericht aus, den die Bundesregierung vorgelegt hat.
Natürlich müssen wir schauen, wie wir jetzt gemeinsam den Weg ins Zeitalter der erneuerbaren und der alternativen Energien gehen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass es niemandem nützt, wenn wir große Konzerne – deutsche Firmen bzw. international erfolgreiche Firmen – zerschlagen. Wir werden die Energieversorgungsunternehmen nach wie vor – gerade auf dem Weg hin zu den erneuerbaren Energien bzw. im Zeitalter der alternativen Energien – brauchen. Wir brauchen sie auch bei der Stilllegung bzw. bei der Endlagerung. Weiter brauchen wir sie, wenn es darum geht, neue Technologien zu entwickeln und auszuprobieren. Das wiederum ist ein gesamtgesellschaftlicher Konsens – genauso wie es damals einen gesamtgesellschaftlichen Konsens im Hinblick auf die Nutzung der Kernenergie gab.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Sylvia Kotting-Uhl von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5981209 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 131 |
Tagesordnungspunkt | Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber |