Barbara LanzingerCDU/CSU - Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Besucherinnen und Besucher! Nach dem Beschluss des Bundestages, aus der Atomenergie bis 2020 auszusteigen, heißt es für uns: Wir müssen uns nicht nur Gedanken darüber machen, wie wir die Umstellung unseres Energiesystems meistern – das ging dann ja doch recht schnell –, sondern auch, wie wir gemeinsam die nukleare Energie zurückbauen und entsorgen. Dass diese Technologie nicht ohne Einschränkungen nutzbar sein wird, war uns, denke ich, schon von Anfang an klar. Wir haben bereits 1960 das Atomgesetz erlassen. Ein Gesetz, in dem klar geregelt wird, dass die Betreiber von Kernkraftwerken auch für den Rückbau und die Entsorgung verantwortlich sind – getreu dem Verursacherprinzip.
(Beifall der Abg. Ute Vogt [SPD])
Und genau dieses Prinzip gilt auch heute noch für uns. Aus dieser Verantwortung wollen und werden wir die Energieunternehmen auch nicht entlassen. Das steht für uns auch gar nicht zur Debatte.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Deshalb haben wir auch im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir „von den Kernkraftwerksbetreibern ihre Mitwirkung an der Energiewende und die Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die geordnete Beendigung der Kernenergienutzung erwarten“ und dass wir auch erwarten, „dass die Kosten für den Atommüll und den Rückbau der kerntechnischen Anlagen von den Verursachern getragen werden“. Dafür müssen und mussten die Konzerne Rückstellungen bilden. Eines steht für uns fest: Betrieb und Rückbau sind ein Gesamtpaket und nicht verschiedene Teile. Es darf jedoch nicht sein, dass die Energieversorgungsunternehmen ihre Verantwortung mit der Auszahlung von Rückstellungen weitergeben bzw. übergeben. Hierfür müssen wir die rechtlichen Ansprüche und Konsequenzen klären.
Neben der Verantwortung der Kernkraftbetreiber müssen wir aber auch darauf achten, dass die Rahmenbedingungen für die Betreiber vernünftig sind, um den Energieversorgern ein Wirtschaften zu ermöglichen und ihre Vermögenswerte auch nicht zu entwerten. Wenn wir als Politik ständig über neue Orte diskutieren, die für ein Endlager geeignet sind, und ständig neue Anforderungen stellen, dann haben die Unternehmen keine Planungssicherheit. Dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Rückstellungen dann nicht ausreichen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist nicht sinnvoll, ständig über die Insolvenz dieser Unternehmen zu spekulieren und sie regelrecht herbeizureden, wie Sie das machen. Diese Unternehmen spielen für uns schließlich noch für lange Zeit eine wichtige Rolle für unsere Versorgungssicherheit. Deshalb haben wir neben den finanziellen und gesellschaftsrechtlichen Fragen auch insbesondere verfassungsrechtliche Fragen zu klären.
Ganz anders lesen sich Ihre Anträge und das von Ihnen in Auftrag gegebene Gutachten. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Unternehmen bewusst ihrer Verantwortung entziehen würden. Das kann man so nicht stehen lassen. Eine Rückstellungsbildung bedeute zwangsläufig – so Sie und Ihre Gutachten –, dass Gelder für den Zweck der Finanzierung von Rückbau und Ewigkeitslasten angelegt würden. Diese Argumentation ist nicht sachgerecht. Ich kann mir die Forderung aus Ihrem Gutachten, die Versorgungsunternehmen nicht nur finanziell zu belangen, sondern auch noch ihr Eigentum an Sachanlagen und Beteiligungen im Netzbereich und gegebenenfalls sogar im Energievertriebsbereich in einen Fonds zu überführen, überhaupt nicht erklären. Das kann man nicht gutheißen. Das käme einer Enteignung gleich. Das ist Sozialismus pur. So etwas dulden wir nicht, und so etwas tragen wir auch nicht mit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben die Gutachter des Wirtschaftsministeriums empfohlen!)
Vor kurzem habe ich zu dem Thema ein interessantes Zitat von Ihnen gelesen, Frau Kotting-Uhl. Sie sind zwar der Meinung, dass man nicht immer auf die Vergangenheit abheben sollte. Aber manchmal ist es wichtig, zu vergleichen. Sie haben kürzlich im Tagesspiegel gesagt:
Der Stresstest zeigt vielmehr, dass das bisherige System der Rückstellungen mit großen Unsicherheiten behaftet und schlicht nicht tragfähig ist.
Ich bin schon sehr erstaunt, dass Sie das Rückstellungssystem sowohl in der Presse als auch in Ihren Anträgen so stark kritisieren; denn mit diesem System wird seit dem Beginn der Kernenergienutzung in Deutschland, also seit 50 Jahren, erfolgreich gearbeitet.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben wir es ja noch nicht gebraucht!)
– Schreien Sie doch nicht so!
(Abg. Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu.
(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wurde denn rückgebaut?)
Und 2001 hat die rot-grüne Bundesregierung noch in ihrer Mitteilung an die EU betont, dass „das deutsche Rückstellungssystem für die Kernenergie sich seit Jahrzehnten bewährt.
(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)
Es gibt keinen Fall, in dem Rückstellungsmittel nicht bedarfsgerecht für die Stilllegung zur Verfügung standen oder nicht künftig zur Verfügung stehen werden.“ Jetzt sehen Sie das plötzlich ganz anders, obwohl sich nichts verändert hat. Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen: Wir müssen den Fakten ins Auge sehen und vernünftige Rahmenbedingungen für die Energiewirtschaftsunternehmen schaffen, statt ständig neue Anforderungen zu stellen und Stimmung zu machen. Um bessere Bedingungen zu schaffen, wurden am 1. Juli im Koalitionsausschuss drei wichtige Schritte beschlossen, die ich wiederholen möchte.
Der erste Schritt war der Stresstest, mit dem Wirtschaftsprüfer die Höhe der Rückstellungen sowie die Korrektheit der Bilanzierungspraxis überprüft haben. Das Ergebnis zeigt: Die Rückstellungen in Höhe von circa 38 Milliarden Euro wurden sachgerecht gerechnet und reichen aus. Auch sei die Werthaltigkeit der Güter gegeben. Die Energieversorger sind grundsätzlich in der Lage, ihre atomrechtlichen Entsorgungsverpflichtungen zu erfüllen. Die Kostenschätzung zeigt noch etwas Interessantes; denn es werden verschiedene Beispiele berechnet: Die Rückbaukosten werden in Deutschland auf durchschnittlich 857 Millionen Euro je Reaktor geschätzt, während die geschätzten Kosten in anderen Staaten zwischen 205 Millionen und 542 Millionen Euro liegen.
Die Endlagerproblematik ist eine große Aufgabe für die Endlagerkommission. Wenn die Politik ein zusätzliches Endlager möchte – ich wiederhole mich jetzt – und dann die Rückstellungen nicht reichen, liegt das nicht in der Verantwortung der Energieversorger.
In einem zweiten Schritt wurde dann gestern die Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs eingesetzt. Hier sollen unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Stresstests und der Einbindung der Endlagerkommission die verschiedenen Modelle gründlich überprüft werden.
Der dritte Schritt, das Gesetz zur Konzernnachhaftung, wurde heute schon erwähnt. Das brauche ich nicht noch einmal zu tun, außer Sie wollen es noch einmal hören.
Sie sehen: Wir nehmen die Thematik sehr ernst. Wir müssen die Fragen im Gesamtzusammenhang sehen und können diese nicht, wie von der Opposition gefordert, getrennt voneinander diskutieren und entscheiden. Gerade bei einem solch wichtigen Zukunftsthema gilt – das ist mein Motto, das wir, das gebe ich zu, oftmals vernachlässigen –: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.
Vielen Dank für das Zuhören. Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Wochenende.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat Hiltrud Lotze von der SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5981231 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 131 |
Tagesordnungspunkt | Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber |