Sabine LeidigDIE LINKE - Aktuelle Stunde zu neuen Erkenntnissen zur VW-Abgasaffäre
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben gesagt: „Sie sehen, dass wir entschlossen handeln.“ Ich muss sagen: Wir können eigentlich gar nichts sehen. Sie haben nicht veröffentlicht, wer der Untersuchungskommission angehört. In der Fragestunde in der letzten Sitzungswoche konnte ich Ihnen sozusagen entlocken, dass der Vorsitzende dieser Untersuchungskommission Staatssekretär Odenwald ist. Derselbe Herr Odenwald ist seit 2010 im Verkehrsministerium zentral für Verkehrspolitik verantwortlich.
(Zuruf von der CDU/CSU: Nicht als Staatssekretär!)
– Nicht als Staatssekretär, sondern als Abteilungsleiter der Grundsatzabteilung.
Seit 2007 redet die Deutsche Umwelthilfe öffentlich und auch gegenüber dem Ministerium sehr dezidiert davon, dass die Werte bei den Abgasen, die die Automobile in die Luft blasen, von den Grenzwerten abweichen. Wir haben vom ADAC schon lange nachweislich Listen darüber bekommen, wie die Automobilindustrie systematisch dafür sorgt, dass auf dem Prüfstand, unter Prüfbedingungen, die Werte niedrig sind. Das geht von abgeklebten Rückspiegeln bis zu einer Prüfachse und sonst irgendwas. Die Höchstgeschwindigkeit wird auf 130 km/h festgelegt.
Es gibt also jede Menge Hinweise darauf, dass und wie manipuliert wird. Sie hätten das viel früher in Erfahrung bringen können, wenn Sie nicht nur 72-mal in Ihrem Ministerium mit Spitzenvertretern der Automobilindustrie gesprochen hätten, wie wir mit einer Kleinen Anfrage herausgefunden haben, sondern auch mit der Deutschen Umwelthilfe, dem ADAC und anderen Experten, die seit Jahren genau diese Sachverhalte öffentlich thematisieren. Sie haben nichts dergleichen gemacht. Nun sagen Sie, Sie hätten sich von VW über den Sachverhalt informieren lassen. Das finde ich ärmlich, und es entspricht genau dem Bild, das Sie immer wieder abgeben.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie bestätigen damit im Grunde, dass Sie mit der Autolobby unter einer Decke stecken und die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, gesundheitliche Aspekte sowie den Klimaschutz in diesem Land hintanstellen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will noch ein bisschen ausführen, wie Sie, Ihr Ministerium und auch Ihr Vorgänger – Herr Ramsauer hat keineswegs eine andere Linie verfolgt – sehr systematisch der Automobilindustrie den Betrug bzw. – wie das so freundlich formuliert wird – die Schummelei ermöglicht haben. In der Anhörung am vergangenen Montag hat Herr Ziegler vom Kraftfahrt‑Bundesamt gesagt: Ja, wir haben Hinweise darauf gehabt. Aber wir dürfen gar keine anderen Kontrollen durchführen und müssen für die gleichen Prüfbedingungen sorgen wie bei den Zulassungsverfahren. – Auf meine Frage, was er seit 2011, als ihm das eklatant aufgefallen ist, getan hat, um seine Möglichkeiten zu erweitern, herrschte großes Schweigen im Walde. Wenn aber ich als Gesetzgeber und als Prüfbehörde weiß, dass die Mittel, die mir zur Verfügung stehen, um zu prüfen, nicht ausreichen, um Betrug und Abweichungen von gesetzlichen Regelungen aufzudecken, dann muss ich doch dafür sorgen, dass sich meine Mittel verändern bzw. dass ich bessere Mittel in die Hand bekomme.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das haben Sie nicht getan. Stattdessen unternehmen Sie auch jetzt wieder alles, um für die Automobilindustrie ein Schonpaket zu schnüren. Sie haben dafür gesorgt, dass auf europäischer Ebene verabredet wurde, dass die Grenzwerte auch in Zukunft um das Doppelte überschritten werden dürfen. Der Faktor zwei beim Einhalten der Grenzwerte bedeutet: Die dürfen doppelt so viel rausblasen, wie für Gesundheit und Umwelt verträglich ist. Das halte ich für absolut unverantwortlich.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Noch eine Kleinigkeit, die zeigt, wie wenig Ihren Worten zu glauben ist. Sie haben gerade gesagt, dass die Kunden auf keinen Fall auf dem Schaden sitzen bleiben sollen; auch das hätten Sie mit VW verabredet. Stephan Harbarth, Ihr Kollege von der Union und Obmann im Rechts- und Verbraucherausschuss des Bundestages, ist zugleich im Vorstand einer Anwaltskanzlei tätig, die nun von VW mit der Vertretung ihrer Interessen beauftragt wurde. Just hat die Union am heutigen Tag zum dritten Mal dafür gesorgt, dass das Thema „VW-Abgasaffäre und Verbraucherschutz“ von der Tagesordnung gekickt wird. Unterstützung der Verbraucherinnen- und Verbraucherinteressen sieht anders aus.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Danke schön, Frau Kollegin Leidig.
Wir werden mit Sicherheit noch öfter über dieses Thema reden. Die Grünen und wir haben kluge Anträge gestellt.
Frau Kollegin Leidig!
Ihnen wird nicht erspart bleiben, sich weiterhin mit uns in dieser Frage auseinanderzusetzen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich mache noch einmal alle darauf aufmerksam, dass nach unserer Geschäftsordnung in einer Aktuellen Stunde die Redezeit von fünf Minuten nicht überschritten werden darf. Ich bitte alle, die nun noch reden werden, darauf zu achten, dass das letzte Wort fällt, wenn sich die Uhr der Null nähert.
Der Kollege Arno Klare von der SPD-Fraktion darf uns nun zeigen, wie das geht. – Bitte schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6095403 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 132 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu neuen Erkenntnissen zur VW-Abgasaffäre |