04.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 132 / Zusatzpunkt 1

Birgit Malecha-NissenSPD - Aktuelle Stunde zu neuen Erkenntnissen zur VW-Abgasaffäre

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es begann mit einem Paukenschlag im September dieses Jahres. Der VW-Konzern gab erstmals öffentlich zu, bei Abgastests manipuliert zu haben. Danach haben sich die Ereignisse überschlagen. Insgesamt waren bisher etwa 11 Millionen Dieselfahrzeuge von der Manipulation betroffen.

Am vergangenen Montag wurde gemeldet, dass die amerikanische Umweltbehörde EPA einen weiteren Verdacht auf Manipulation bei Fahrzeugen mit 3‑Liter‑Dieselmotoren hat. Volkswagen wies diese Vorwürfe zurück und erklärte, dass keine Software installiert worden sei, um die Abgaswerte in unzulässiger Weise zu manipulieren.

Gestern Abend folgte der nächste Paukenschlag. Das Unternehmen selbst hat Unregelmäßigkeiten bei weiteren 800 000 Fahrzeugen eingeräumt. Erstmals sind auch Benziner betroffen. Ging es bisher um Stickoxide, geht es nun auch um CO 2 -Ausstoß und damit auch um den Spritverbrauch. Das einzig Gute an dieser Nachricht ist, dass der VW-Konzern mit dieser Meldung zeigt, dass er tatsächlich an einer Aufklärung interessiert ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eine rasche, vollständige, vorbehaltlose und transparente Aufklärung ist dringend notwendig. Mit der Salamitaktik muss Schluss sein. Das ist zurzeit das Allerwichtigste. Es muss endlich Butter bei die Fische. Die Fakten müssen auf den Tisch.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Steffen Bilger [CDU/CSU])

Es steht tatsächlich viel auf dem Spiel. Die deutsche Industrie steht seit Jahrzehnten für hohe Qualität, für Sicherheit, für Spitzentechnologie, für Verbraucher- und auch für Umweltschutz. Diese Vorfälle sind nicht typisch für die gesamte Automobilindustrie und schon gar nicht für die hart arbeitenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Wirtschaftsbereich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb gilt unsere besondere Sorge dem Produktionsstandort Deutschland mit den vielen Zulieferbetrieben und seinen Mitarbeitern. Sie sind verunsichert und wissen nicht, wie es für sie weitergeht; sie bangen um ihren Arbeitsplatz. Wichtig ist jetzt, die Affäre schnell aufzuklären, um das Vertrauen in das Unternehmen und seine Produkte wiederherzustellen. Dazu ist es wichtig, dass der Bericht der Untersuchungskommission, der im September in Auftrag gegeben wurde, möglichst bald auf den Tisch kommt.

Was ist zu tun? Als Verkehrspolitiker müssen wir natürlich nach vorne schauen und die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass derartige Manipulationen nicht mehr notwendig sind. Mein Kollege Arno Klare hat dies in Form einer Roadmap schon grob vorstrukturiert. Es geht darum, dass wir die erforderlichen neuen Prüfverfahren möglichst schnell umsetzen und jetzt zur Tat schreiten. Das erste neue Testverfahren, das WLTP, das die weltweit strengsten Prüfstandards aufweist, muss vor 2017 eingeführt werden. Dieses Verfahren wird das alte europäische Messverfahren von 1996 ablösen.

Lassen Sie mich nur einen Aspekt des alten Prüfverfahrens erwähnen: Als Durchschnittstempo werden immer noch 34 Kilometer pro Stunde angenommen. Insofern kann man sich durchaus vorstellen, dass ein solches Verfahren wahrhaftig nicht mehr der Realität entspricht.

Was wird nun mit dem neuen Testverfahren besser gemacht? Es ist ein standardisiertes Verfahren, das weltweit zur Anwendung kommt. Mein Kollege hat es bereits gesagt: Wir müssen Standards schaffen, um Vergleiche ziehen zu können. Es wird eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit angesetzt, und auch Sonderausstattungen werden beim Verbrauch besser abgebildet. Leider wird der Einsatz von Klimaanlagen hierbei nicht berücksichtigt. Es besteht also immer noch eine große Lücke zwischen den Verbrauchsangaben durch standardisierte Verfahren und dem tatsächlichen Verbrauch. Deswegen brauchen wir dringend ein zweites Kontrollverfahren, das die Schadstoffemissionen im realen Fahrbetrieb auf der Straße abbildet. Auch in diesem Fall setzen wir uns für eine schnelle Einführung des neuen Verfahrens auf EU-Ebene ein, das die realen Emissionen berücksichtigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Verkehrspolitiker gestalten wir die Rahmenbedingungen. Wir müssen aber auf das rasante Tempo der technologischen Entwicklung ein Auge haben. Es ist unverständlich, dass man knapp 20 Jahre Stillstand bei den Prüfverfahren in Kauf genommen hat. Dieser Umstand hat natürlich zu Raum für Manipulationen geführt.

Lassen Sie mich zum Schluss ganz klar sagen: Bewusste Manipulationen und Verstöße gegen Umweltauflagen sind kein Kavaliersdelikt. Sie gefährden die Gesundheit der Menschen insbesondere in Ballungsräumen und insbesondere der Kinder, die sich aufgrund ihrer Größe auf Höhe der höchsten Emissionen bewegen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die beste fossile Energie ist immer noch die, die nicht verbraucht wird. Deswegen lautet mein letzter Satz: Der Elektromobilität gehört die Zukunft.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Stephan Kühn, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6095435
Wahlperiode 18
Sitzung 132
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu neuen Erkenntnissen zur VW-Abgasaffäre
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