05.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 133 / Tagesordnungspunkt 3

Norbert Lammert - Hospiz- und Palliativversorgung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland ist das Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses, also die gesetzgeberische Zusammenfassung einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion über die Frage, wie wir in Deutschland mit der letzten Phase des Lebens umgehen.

Der Gesetzentwurf basiert auf Erfahrungen vieler Menschen. Er nimmt die Anregungen von Betroffenen, von Angehörigen, aber eben auch von den am Versorgungsgeschehen Beteiligten und von Experten auf. Mein Dank richtet sich an alle, die so konstruktiv an diesem Prozess mitgewirkt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Mein besonderer Dank gilt aber denjenigen, die tagtäglich im Ehrenamt oder im Beruf ambulant oder stationär Menschen in der letzten Phase ihres Lebens begleiten. Sie machen die verbleibenden Tage für die Betroffenen und ihre Angehörigen wieder lebenswert. Dafür ein ganz herzlicher Dank!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Praktiker haben über Jahre Strukturen aufgebaut. Diese Strukturen wollen wir mit unserem Gesetz erhalten und stärken. Kooperation und Koordination zwischen Ärzten, Pflegediensten, Pflegeheimen, Krankenhäusern und Hospizen gilt es zu verbessern. Die Hospiz- und Palliativversorgung ist von unten gewachsen. Hier geht es darum, dieses aus ehrenamtlichem und beruflichem Engagement Gewachsene nicht zu gefährden. Heute geben wir der Palliativ- und Hospizversorgung einen gesetzlichen Rahmen und machen sie zu einem Teil der Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Volker Kauder [CDU/CSU]: Super!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Bertelsmann-Stiftung hat dieser Tage Ergebnisse einer Studie zur Betreuung sterbender Menschen vorgestellt. Das Ergebnis ist eindeutig: 6 Prozent können sich ein Sterben im Krankenhaus vorstellen. Tatsächlich stirbt jedoch von den Älteren in unserer Gesellschaft fast jeder Zweite im Krankenhaus. Die Studie zieht daraus den Schluss, dass die ambulante palliative Versorgung ausgebaut werden muss, um dem Wunsch der Menschen entsprechen zu können.

Das zweite wichtige Ergebnis lautet: Dort, wo viele niedergelassene Ärzte erreichbar sind, die auch über die Zusatzqualifikation im Bereich der Palliativmedizin verfügen, und wo ein gutes und breites Netz ambulanter Palliativversorgung besteht, können wir den Menschen ihren Wunsch nach einem Lebensende zu Hause ermöglichen. Die Bertelsmann-Stiftung folgert daraus, dass der Grundsatz „ambulant vor stationär“ Voraussetzung dafür ist, dass Menschen die letzte Phase ihres Lebens so weit wie möglich im vertrauten Umfeld verbringen können.

Allerdings darf uns die Studie nicht dazu verleiten, Hospize und Krankenhäuser geringzuschätzen. Im Gegenteil: Es geht vielmehr darum, alle Strukturen – egal, ob ambulant oder stationär – zu stärken und besser miteinander zu vernetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Genau diesen Ansatz verfolgen wir mit dem Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung. Wir wollen durch das Gesetz erreichen, dass wir in den Krankenhäusern, den Pflegeheimen und den Hospizen, aber auch im Bereich der häuslichen Krankenpflege ein flächendeckendes Angebot bekommen. Es darf auf Dauer keinen Unterschied bei der Palliativ- und Hospizversorgung machen, in welcher Region ein Betroffener bzw. ob er in der Stadt oder auf dem Land wohnt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist wichtig, das Sterben an den bisherigen Lebensmittelpunkt der Betroffenen zurückzuholen, wenn dies ihr Wunsch ist. Denn nur, wenn Ängste genommen und Schmerzen gelindert werden, sind ein Abschiednehmen und ein Gehen in Würde möglich. Deshalb ist die ambulante Begleitung so wichtig.

Bei ambulanten Hospizdiensten werden künftig neben den Personalkosten auch die Sachkosten – zum Beispiel Fahrtkosten der ehrenamtlichen Mitarbeiter – bezuschusst. Ziel ist es aber insbesondere, dass das Angebot der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung flächendeckend zur Verfügung steht.

Wir dürfen aber nicht übersehen, dass es vielen Betroffenen aufgrund ihrer Krankheitsumstände nicht möglich ist, bis zum Lebensende zu Hause zu bleiben. Darum sieht das Gesetz auch eine bessere finanzielle Ausstattung von stationären Hospizen vor. Der Mittelzuschuss der Krankenkassen für die Einrichtungen wird von 90 auf 95 Prozent der zuschussfähigen Kosten erhöht. Den Hospizen war es wichtig, die restlichen 5 Prozent weiter selbst – auch durch Spenden – zu erwirtschaften. Bei einer Vollfinanzierung hätten sonst ehrenamtliche Strukturen und das bürgerschaftliche Engagement Schaden genommen.

Daneben regeln wir auch die notwendige Besserstellung von Krankenhäusern, die Palliativmedizin anbieten. Künftig sollen diese Krankenhäuser zur Verbesserung ihrer Palliativversorgung krankenhausindividuelle Entgelte vereinbaren können, weil der normale Entgeltmechanismus Krankenhäuser eigentlich dafür belohnt, eine Leistung häufig zu erbringen. Aber Mengensteuerung passt gerade nicht zum Anliegen dieses Gesetzes.

Schließlich machen wir die Sterbebegleitung zum ordentlichen Bestandteil des Versorgungsauftrages der gesetzlichen Pflegeversicherung. Daneben sollen Pflegeheime künftig Kooperationsverträge mit Haus- und Fachärzten schließen können, um eine qualitativ hochwertige palliativmedizinische Versorgung ihrer Bewohner sicherzustellen, die durch eine zusätzliche Vergütung auch abgesichert wird.

Insgesamt soll die Sterbebegleitung in Pflegeheimen und Krankenhäusern durch die Einbeziehung ambulanter Hospizdienste bzw. durch die Möglichkeit, für ihre Einrichtung Palliativdienste zu beauftragen, gestärkt werden. Damit stärken wir den Qualitätsansatz und sorgen für eine Professionalisierung der Sterbebegleitung durch die Einbindung und Vernetzung besonders qualifizierter Versorgungsangebote.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das Hospizwesen ebenso wie die Palliativdienste haben den zuvor vorrangig medizinischen Ansatz der Sterbebegleitung durch menschliche und seelsorgerische Aspekte ergänzt. Die Anerkennung unserer Endlichkeit und das Bemühen, den Betroffenen und den Angehörigen für das Abschiednehmen Raum zu geben, ist ein wichtiger Schritt, um in der letzten Phase des Lebens die Würde zu erhalten. Die Begleitung durch speziell hierfür ausgebildete Menschen ist ein Segen für die Betroffenen. Sie ermöglicht es den Menschen, sich für das Leben zu entscheiden, auch wenn diese letzte Phase für alle Beteiligten eine sehr schwere ist.

Wenn meine Zeit gekommen ist, wünsche ich mich an der Hand eines Menschen, der mich begleitet. Möge das Gesetz so wirken, dass es mittelfristig flächendeckend in ganz Deutschland eine gute Palliativ- und Hospizversorgung gibt.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Bettina Müller für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6098800
Wahlperiode 18
Sitzung 133
Tagesordnungspunkt Hospiz- und Palliativversorgung
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