Bettina MüllerSPD - Hospiz- und Palliativversorgung
Herr Präsident! Herr Minister Gröhe! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für einen Versorgungsbereich, der in unserer Gesellschaft und in unserem Gesundheitswesen lange ein Schattendasein geführt hat. Ich selbst habe als ehemalige Krankenschwester noch Zeiten erlebt, in denen Menschen zum Sterben auf die Flure oder ins Badezimmer abgeschoben wurden. Gott sei Dank hat sich hier vieles zum Besseren verändert.
Trotzdem haben wir Nachholbedarf im ambulanten und stationären Bereich, in strukturschwachen ländlichen Regionen und bei der Versorgung von schwerkranken Kindern und Jugendlichen. Es kann nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Versorgungsqualität im palliativen Bereich davon abhängt, wo man lebt. Deshalb müssen die Strukturen vor allem in bisher unterversorgten Gebieten ausgebaut werden. Deshalb brauchen wir gute Beratungsangebote. Deshalb muss Hospiz- und Palliativversorgung sowohl in der Medizin als auch in der Pflege zum festen Bestandteil der Ausbildung werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Daher ist es gut, dass wir am Tage vor der Debatte über die Sterbehilfe ein Gesetz verabschieden, das Verbesserungen in vielen der angesprochenen Bereiche auf den Weg bringt.
Wir stärken zum einen die Versorgung im stationären Bereich. Die meisten Menschen wünschen sich zwar, zu Hause im Kreise der Familie sterben zu dürfen. Die Realität sieht leider anders aus. Nahezu die Hälfte aller Menschen stirbt in Kliniken. Davon haben aber nur 15 Prozent eine Palliativstation. Gerade für die kleineren kommunalen Einrichtungen ist das Vorhalten einer Palliativstation oftmals unrentabel und kaum zu stemmen. Im HPG ist hier die Möglichkeit zur Kooperation dieser Häuser mit multiprofessionellen Teams vorgesehen. Dadurch kann auch in kleinen Krankenhäusern auf dem Land eine angemessene und qualitativ hochwertige palliative Versorgung sichergestellt werden.
Wir stärken zum anderen die ambulante Palliativversorgung sowie die Vernetzung der unterschiedlichen Angebote. Dabei darf die Sicherstellung einer breiten und flächendeckenden Versorgung nicht zulasten der Qualität gehen. Alle Bausteine des Versorgungsmixes, den wir planen, stehen daher unter einem klaren Qualitätsvorbehalt. Dazu gehören auch die umstrittenen Selektivverträge. Sie stellen die palliative Versorgung auch da sicher, wo dies über die SAPV-Verträge nicht oder noch nicht möglich ist.
Ein gut funktionierendes Beispiel – das ist schon angesprochen worden – ist hier das Modell in Westfalen-Lippe. Hierzu gab es eine heftige und in manchen Aspekten aus meiner Sicht auch nicht ganz nachvollziehbare Fachdebatte, die sich um Fragen der Qualität, aber auch um die Abgrenzung einzelner Akteure drehte. Ich meine, der jetzt vorliegende Gesetzentwurf macht deutlich, dass die Qualitätsanforderungen der SAPV auch dann gelten, wenn diese mit einer AAPV gemeinsam vertraglich vereinbart wird. Damit verhindern wir eine Palliativversorgung light. Qualität, Zusatzqualifikationen und eine enge Anbindung an ein SAPV-Team sind unabdingbare Voraussetzungen für einen Einsatz in diesem Bereich.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die stärkere Einbindung der Hausärzte in die Palliativversorgung bleibt für mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, unverzichtbar; denn sie haben oft über Jahre hinweg einen intensiven, einen vertrauensvollen Kontakt zu ihren Patienten. Durch die durchgängige Betreuung kann dieser auch aufrechterhalten werden. Das ist sehr wichtig; denn wir wollen mehr Menschen zu Hause versorgen, damit sie in ihrer vertrauten Umgebung sterben können. Wir brauchen daher nicht nur ein Mehr an palliativer Versorgung. Wir brauchen auch die Vielfalt von Versorgungsformen und die Vernetzung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gute gesetzliche Rahmen sind eine Sache. Diese Rahmen auch vertraglich mit Leben zu erfüllen, ist eine andere Sache. Die Berichte zur Umsetzung der SAPV haben gezeigt, dass das Vertragsgeschehen zeitlich immer etwas hinterherhinkt. Deshalb fordere ich alle Akteure der Selbstverwaltung auf, die Vorgaben des HPG zügig, entschlossen und auch mit der entsprechenden Kooperationsbereitschaft umzusetzen, damit wir endlich die weißen Flecken in diesem Bereich in unserer Republik wegbekommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als Berichterstatterin für die Gesundheitsberufe möchte ich an dieser Stelle auch darauf verweisen – der Kollege Terpe hat dies schon gesagt –, dass die Vorgaben des HPG natürlich nur mit genügend Fachpersonal zu stemmen sind.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir reden hier nicht von Berufseinsteigern, sondern von langjährig erfahrenen Kräften, die über Weiterbildung an diese schwere, an diese belastende Aufgabe herangeführt werden. Hier müssen wir über das HPG hinaus in Bezug auf die Fort- und Weiterentwicklung noch dringend nacharbeiten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Fachkräftesicherung in der Palliativversorgung muss zudem Teil einer Gesamtstrategie für den zukünftigen Personalbedarf in der Pflege sein; denn nur wenn wir ausreichend qualifiziertes Pflegepersonal haben, können wir daraus auch zukünftig Spezialisten für die Palliativpflege rekrutieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Insofern gilt der bekannte Grundsatz: Nach dem Gesetz ist auch immer vor dem Gesetz.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland. Dazu liegen mir zwei Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor, die wir wie immer dem Protokoll beifügen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6098801 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 133 |
Tagesordnungspunkt | Hospiz- und Palliativversorgung |