05.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 133 / Tagesordnungspunkt 4

Alexandra Dinges-DierigCDU/CSU - Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ein Feuerwerk gehört

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke schön!)

an Vorschlägen in den letzten 60 Minuten. Ich glaube, wir werden aufregende und sehr lange Ausschussberatungen haben, wenn wir all diese Vorschläge aufgreifen und diskutieren wollen. Aber vielleicht wird es an der einen oder anderen Stelle doch schneller gehen, als das viele glauben.

Der Bund hat im letzten Jahrzehnt – man kann es gar nicht oft genug sagen – einen beispiellosen Kraftakt hingelegt: die schwarze Null und gleichzeitig unglaubliche Zuwachsraten beim Etat im Bereich Bildung und Forschung; das hätte vor 15 Jahren niemand geahnt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das gab uns die Möglichkeit, die Wissenschaftslandschaft und vor allem unsere internationale Sichtbarkeit mehr als nur zu verbessern. Vielmehr ging es darum, dass wir ganz nach vorne gerückt sind. Lassen Sie mich die drei Schwerpunkte nennen: Wir haben die exzellente Forschung an Hochschulen gestärkt, die Hochschulen für steigende Studierendenzahlen fit gemacht und die außer­universitäre Forschung zukunftsfest ausgestattet. Heute ist ein guter Zeitpunkt, an die gesamte Bundesregierung, insbesondere an Sie, Frau Professor Wanka, ein herzliches Dankeschön zu richten für das, was Sie für unseren Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Deutschland getan haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Man darf sich jetzt aber nicht einfach zurücklehnen; denn jetzt kommen die nächsten Aufgaben. Die Zukunft unseres Wissenschaftsstandorts ist in hohem Maße davon abhängig, dass es gelingt, die besten Köpfe zu behalten und international die Besten zu gewinnen; denn es geht darum, nicht nur das Niveau zu halten, sondern noch weiter nach vorne zu gehen. Deshalb hat die Koalition in dieser Legislaturperiode einen Schwerpunkt auf die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses gelegt.

Es ist unser gemeinsames Anliegen – ich glaube, das gilt für alle Fraktionen –, dass wir uns kluge Konzepte überlegen, mit denen wir zusätzliche Stellen im Wissenschaftssystem schaffen können und für den wissenschaftlichen Nachwuchs attraktivere und zuverlässigere Karrierewege aufzeigen können. Mit „gemeinsam“ meine ich nicht nur den Bund, sondern ich meine auch die Länder und die außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen. Hier möchte ich auch die Kultusministerkonferenz nicht aus der Pflicht entlassen; denn wenn wir über andere Wege im Wissenschaftssystem sprechen, dann sind zunächst einmal die Kultusministerkonferenz und die Länder gefordert. Zunächst einmal müssen sie sich fragen: Was wollen wir eigentlich? Ich hätte gerne, dass wir uns von Begriffen wie „Mittelbau“ endlich einmal verabschieden und sagen: Wir brauchen mehrere Wege im Wissenschaftssystem, die gleichwertig nebeneinanderstehen; die Professorenlaufbahn ist eine ganz wichtige, aber eben nicht die alleinige.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes liefern wir heute einen kleinen Baustein,

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau, klein!)

um etwas zu ändern. Das wird uns aber nicht gar so viel bringen – das wurde schon gesagt –, wenn wir nicht größer denken, wenn wir nicht weiterdenken. Wir wollen mit dieser Novelle Fehlentwicklungen abstellen und Fehlinterpretationen begegnen. Dazu wurde schon viel gesagt. Ich habe darüber mit vielen Beteiligten in Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen gesprochen. Alle haben gesagt, egal mit wem ich gesprochen habe: Extrem kurze Vertragslaufzeiten bedeuten eine ständige Unsicherheit, und Unsicherheit ist keine gute Voraussetzung für einen Qualifizierungsweg in der Wissenschaft. – Das stört alle, egal ob es sich um gestandene Professoren handelt oder um die jungen Nachwuchswissenschaftler.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Befristete Arbeitsverträge gehören aber zur Wissenschaft – das hat die Bundesministerin deutlich gesagt –, sie sind ein Systembestandteil. Nur so können wir Stillstand in der Wissenschaft vermeiden und eine gute Forschung haben. Mit dieser Gesetzesnovelle wollen wir dafür sorgen, dass diese unredlich kurzen Verträge nicht mehr möglich sind. Die Vertragslaufzeit sollte auf jeden Fall der Zeit der Qualifizierung entsprechen. Aber wir brauchen auch kurzfristige Verträge, zum Beispiel, wenn jemand mit der Promotion nicht rechtzeitig fertig wird oder wenn er eine Überbrückung braucht. Deshalb brauchen wir die Flexibilität. Die wollen wir erhalten; aber wir wollen verhindern, dass es zu einer Ausnutzung kommt. Analog gilt das auch für die Drittmittelbefristung beim wissenschaftlichen Personal; das wurde schon ausreichend ausgeführt.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Quadratur des Kreises!)

Das nichtwissenschaftliche Personal wollen wir mit diesem Gesetz ausnehmen; denn das nichtwissenschaftliche Personal stand ursprünglich gar nicht im Fokus. Hier geht es insbesondere darum, der Situation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Rechnung zu tragen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr richtig!)

Für das nichtwissenschaftliche Personal gibt es das Teilzeit- und Befristungsgesetz, das genügend Möglichkeiten lässt, um befristet einzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was bringt es denn dann, das rauszunehmen?)

Darüber hinaus wollen wir dort, wo das Gesetz für Unsicherheiten hinsichtlich der Umsetzung gesorgt hat, für Klarheit sorgen. Das gilt sowohl für studentische Beschäftigte, die heute eigenartigerweise noch gar nicht angesprochen wurden, genauso wie für die Vereinbarkeit von Familie und dem Beruf des Wissenschaftlers bzw. der Wissenschaftlerin. Zusätzlich ist es jetzt endlich gelungen – darüber freue ich mich ganz besonders –, eine Öffnungsklausel für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit Behinderungen oder schwerwiegenden chronischen Erkrankungen hinzubekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich bin der Meinung, die Novelle kann sich wirklich sehen lassen. Ich möchte mich an dieser Stelle herzlich bei dir, liebe Simone Raatz, als meine Mitberichterstatterin bedanken. Ich glaube, wir haben super und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Diese Änderungen sind – viele haben es schon gesagt – richtig und auch wichtig. Aber wir werden damit nicht wirklich den großen Wurf zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen Nachwuchses hinbekommen.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das enttäuscht!)

Dabei geht es um weit mehr als nur um Vertragslaufzeiten. Es geht um Perspektiven, es geht um Zuverlässigkeit, und es geht um Karrierewege. Das sind die drei Punkte. Hier stehen wir wirklich vor großen Herausforderungen, die wir meistern müssen.

Wir haben in Deutschland nach wie vor viel zu wenige exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das liegt natürlich auch an der unzureichenden Anzahl von Stellen. Wir wissen, dass das Betreuungsverhältnis zwischen Studierenden und Professoren schlecht ist. Der wissenschaftliche Nachwuchs, Postdocs und auch Promovierende, wird in einem Umfang herangezogen, um das Betreuungsverhältnis zu verbessern, wie man es eigentlich nicht verantworten kann. Learning by Doing kann vorübergehend in Notsituationen helfen, aber es darf nicht zum Systembestandteil werden.

Deshalb lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Dauerhaft mehr Stellen bereitzustellen, ist und bleibt Ländersache.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Daran werden wir vonseiten der CDU/CSU nicht rütteln. Einige Länder haben nach Übernahme der BAföG-Kosten durch den Bund die Chance ergriffen, das freigewordene Geld in ihre Hochschulen zu stecken, so auch Frau Bauer, lieber Herr Gehring, in Baden-Württemberg. Das Geld hat der Bund freigemacht, Frau Bauer hat es genutzt.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hat ordentlich etwas draufgelegt!)

Das ist Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Viele Länder haben die große Chance vertan. Das finde ich schade.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nach wie vor problematisch sind die heutigen Karrierewege zu den Professuren. Sie sind intransparent. Es gilt das Prinzip Hoffnung, ob es vielleicht nach dem fünften, sechsten, siebten befristeten Vertrag klappt, Professor zu werden. So sieht wirklich kein Karriereweg aus. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Entscheidung, ob der Nachwuchswissenschaftler wirklich geeignet ist, um in der Wissenschaft zu bleiben, früher fällt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die jungen Menschen brauchen Klarheit für ihre Lebensplanung. Deshalb wollen wir die Karrierewege neu aufstellen. Das ist ein riesiger Kraftakt. Deshalb begrüße ich es sehr, dass die Koalition aus CDU, CSU und SPD in Göttingen 1 Milliarde Euro lockergemacht hat. Aufgrund dieser Entscheidung hat die Bundesregierung den Ländern sofort ein Angebot gemacht. Wir wollen mit einem Anschubfinanzierungsprogramm helfen, Tenure-Track-Stellen zu etablieren,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und damit transparente und zuverlässige Karrierewege für die Professur schaffen. Im Gegenzug erwarten wir von den Ländern, dass auch sie ihren Beitrag leisten. Dazu gehören neben einer ausreichenden Anzahl an Stellen eine flächendeckende Personalentwicklungsplanung, eine Beratung für die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und vieles mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Nur – ich glaube, das ist deutlich geworden – wenn alle gemeinsam an diesem Baustein „wissenschaftlicher Nachwuchs“ arbeiten, wird der kleine Baustein „Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes“ am Ende nicht verpuffen; denn Karrierewege sind mehr als Vertragslaufzeiten. Lassen Sie uns das im Blick behalten, wenn wir jetzt gemeinsam in die Ausschussberatungen einsteigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Als nächster Redner spricht Ralph Lenkert von der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6100812
Wahlperiode 18
Sitzung 133
Tagesordnungspunkt Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes
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