Albert StegemannCDU/CSU - Prekäre Arbeitsverhältnisse
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits vor der Sommerpause haben wir ausführlich, sowohl im Plenum als auch im Ausschuss, über Teile der vorliegenden Anträge gesprochen. Nun debattieren wir Ihre Forderungen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, zum x-ten Mal, diesmal vorweihnachtlich geschmückt mit vermeintlich neuen Zahlen und altbekannten Feststellungen. Sehen Sie es uns bitte nach, dass dies in unserer Fraktion mittlerweile schon zu Ermüdungserscheinungen führt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sonst auch!)
Trotz der ständigen Wiederholung Ihrer Forderungen kommen wir, aber auch Sie, an einer simplen Wahrheit nicht vorbei: Als Gesetzgeber können wir nicht per Dekret einen funktionierenden, einen florierenden Arbeitsmarkt verordnen. Was meine ich damit? Wie der Name schon nahelegt, ist der Arbeitsmarkt ein Ort, an dem Angebot und Nachfrage von Arbeitskräften zusammentreffen. Arbeitsplätze als solche können nicht staatlich verordnet werden. In der deutschen Geschichte hat dies bereits einmal nicht funktioniert, und es würde erneut scheitern. Vielmehr geht es um ein ständiges Austarieren von oft gegenläufigen Interessen, dem Wunsch nach einer notwendigen Flexibilität der Arbeitgeber auf der einen Seite und der gewünschten Sicherheit für Arbeitnehmer auf der anderen Seite. Das ist aber Aufgabe der Tarifparteien und nicht Aufgabe des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber greift immer nur dann ein, wenn es den Tarifparteien nicht gelingt, geordnete Verhältnisse zu schaffen. Alles darüber Hinausgehende ist blanker Populismus.
Hier unterscheiden wir uns maßgeblich in unserer Einschätzung. Ein tragfähiger Arbeitsmarkt in einer globalen Welt muss mehr bieten als ein unbefristeter und möglichst einheitlich tarifierter Arbeitsvertrag mit möglichst vielen Sozialleistungen nach dem Motto „Alles im Gleichschritt“, und das alles völlig unabhängig von Qualifikation, Branche und Arbeitserfahrung des Beschäftigten.
(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!)
Gerne empfehle ich Ihnen, sich noch einmal eingehend mit den Mechanismen einer funktionierenden Wirtschaft auseinanderzusetzen. Nur durch das bloße Umverteilen werden wir den Wohlstand nicht mehren können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und mehr noch: Nicht nur, dass Ihre Forderungen in der Sache destruktiv sind; nein, Sie täuschen bewusst die Menschen in unserem Land, indem Sie atypische, flexible Beschäftigung automatisch auf eine Stufe mit prekärer Beschäftigung stellen. Sie haben das gerade wieder gemacht. In Ihrer Wahrnehmung qualifizieren sich alle Arbeitnehmer, die unter 20 Stunden in Teilzeit arbeiten, einen befristeten Vertrag besitzen, geringfügig beschäftigt sind oder im Rahmen der Zeitarbeit tätig sind, als Menschen, die aufgrund ihrer Lebensumstände sozial abgestiegen sind. Erklären Sie doch bitte einmal der jungen Mutter, die aktuell mit 19,5 Stunden halbtags wieder ihren Beruf ausübt, dass sie dem Prekariat angehört. Sagen Sie doch bitte einmal den Zeitarbeitnehmern, die über ein solches Beschäftigungsverhältnis den Sprung in reguläre Beschäftigung schaffen wollen, dass sie sich erst gar nicht bemühen sollen, und sagen Sie auch einmal Ihren eigenen Mitarbeitern im Bundestag, deren Arbeitsverträge immer befristet sind, dass sie nun zu den Abgehängten zählen. Ich halte diese bewusste Vermischung für verantwortungslos und außerordentlich schädlich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie streuen damit gerade jungen Menschen Sand in die Augen, was die eigenen Perspektiven anbelangt.
Entscheidend ist doch vielmehr, dass jeder eine faire Chance bekommt. Entscheidend ist, dass sich Arbeitnehmer entwickeln können, und entscheidend ist, dass es vernünftige Rahmenbedingungen gibt, die eben dieses beides zulassen. Nur normierte Arbeitsverhältnisse, so wie Sie sie mit Ihrem vorliegenden Antrag erzwingen wollen, werden weder unsere Gesellschaft noch die einzelnen Arbeitnehmer zum Erfolg führen. Im Gegenteil: Sie werden mittelfristig genau diejenigen treffen, die wir alle zusammen schützen wollen. Ich möchte nicht verantworten, dass wir gerade jungen Menschen eine gute Perspektive rauben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, ein Blick über die Grenze zeigt uns täglich, dass dies keine theoretische Diskussion ist. Wenn Wissenschaftler von einer verlorenen Generation sprechen, dann meinen sie damit unter anderem nahezu jeden zweiten jungen Menschen in Spanien oder in Griechenland, der ohne Arbeit ist. Wie schwer muss es für diejenigen sein, die wissen, dass sie trotz ihrer Talente und Fähigkeiten kaum Chancen haben, diese auch einzubringen? Dazu sagen Sie in Ihren Anträgen nichts. Ist Ihnen bekannt, dass die Jugendarbeitslosigkeit in diesen Ländern stärker angestiegen ist als die allgemeine Arbeitslosigkeit? Hierfür sind zum großen Teil die starren Regelungen auf den Arbeitsmärkten und hohe Barrieren mit verantwortlich, für die Sie sich gerade hier in Deutschland einsetzen wollen.
(Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] und Jutta Krellmann [DIE LINKE] melden sich zu einer Zwischenfrage)
Herr Kollege Stegemann?
Nein, ich möchte gerne im Zusammenhang vortragen. – Diese sind häufig Grund dafür, dass sich Unternehmen scheuen, junge Beschäftigte einzustellen. Das ist doch die Realität.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Lassen Sie jetzt eine Zwischenfrage zu, Herr Kollege Stegemann?
Ich möchte gerne weiter vortragen.
Okay.
Die Folgen eines verkrusteten Arbeitsmarktes konnten auch wir in Deutschland Anfang des Jahrtausends sehen. Was bedeutet eine schrumpfende Wirtschaft für die Menschen? Stagnierende Löhne und 5 Millionen Arbeitslose, das war die Realität.
Wir sind davon überzeugt, dass ein Arbeitsmarkt dynamische Elemente benötigt, um Erfolg zu haben. Die Öffnung des Arbeitsmarktes war daher ein konsequenter und richtiger Schritt. Und: Ja, es gab auch Fehlentwicklungen. Aber hier haben die letzten Bundesregierungen zu Recht gehandelt, beispielhaft im Bereich der Zeitarbeit: Per Gesetz ist Equal Pay ab dem ersten Tag vorgeschrieben, wenn keine anderen tariflichen Lösungen vereinbart werden. Im Ergebnis sehen wir die höchste Tarifbindung, die es in unserem Land gibt. Bei den Überlassungsdauern sehen wir seit mehreren Jahren einen positiven Trend.
Mit welcher Begründung möchten Sie jemanden nun Ihrem Antrag entsprechend nach drei Monaten auf die Straße setzen? Ihr Ziel ist die Abschaffung der Arbeitnehmerüberlassung. Mit uns ist das nicht zu machen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das geht nämlich an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes, aber auch an den Bedürfnissen der berufstätigen Menschen vorbei.
Zusammenfassend: Ein erfolgreicher Arbeitsmarkt ist die Grundlage dafür, dass möglichst viele Menschen profitieren können; an dieser Wahrheit kommen – trotz aller ideologischen Verrenkungen – wir, aber auch Sie nicht vorbei. Das ist gute Sozialpolitik und Grundlage des Handelns der CDU. Deshalb haben sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag die Schaffung von guter Arbeit zum Ziel gesetzt. Hier haben wir zusammen mit den Sozialdemokraten bereits große Schritte getan mit der Stärkung der Tarifpartner, die am besten für die Interessen ihrer Mitglieder Partei ergreifen können, mit einem einheitlichen Mindestlohn, der garantiert, dass niemand unter einer gewissen Lohngrenze arbeiten muss, und mit verbindlichen Spielregeln auf dem Arbeitsmarkt, um Missbräuchen jeder Art einen Riegel vorzuschieben.
Bei den kommenden Reformen im Bereich der Werkverträge und der Zeitarbeit gehen wir diesen Weg weiter. Wir passen die etablierten Elemente des Arbeitsmarktes an und stärken zugleich die tariflichen Vereinbarungen, die über Jahre verlässlich getragen haben. Aus diesem Grund lehnen wir Ihre Anträge ab.
Vielen Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der CDU/CSU – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das war an jeder Realität vorbei!)
Vielen Dank. – Der Kollege Klaus Ernst erhält das Wort für eine Kurzintervention.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6100925 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 133 |
Tagesordnungspunkt | Prekäre Arbeitsverhältnisse |