Markus PaschkeSPD - Prekäre Arbeitsverhältnisse
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was macht Deutschland stark? Es ist ein Zusammenspiel zwischen sozialer Marktwirtschaft und gleichberechtigter Teilhabe aller am wirtschaftlichen Erfolg.
(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das wäre schön!)
Damit meine ich eine Beteiligung von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gleichermaßen. Keine Frage, im Durchschnitt geht es uns gut. Gerade die jüngsten Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sowie bei den Einkommen und Renten zeigen dies deutlich. Das heißt aber nicht, dass es allen gut geht. Zur Ehrlichkeit gehört auch die Feststellung, dass die neoliberale Wirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte und der Glaube, dass der Markt alles regelt, zu erheblichen Diskrepanzen geführt hat;
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
denn der Markt funktioniert auf diese Weise nur, wenn die Teilnehmer die gleichen Voraussetzungen und Kräfte haben. Das ist im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Regel nicht der Fall.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: So ist es!)
Eine Annäherung dieses Kräfteverhältnisses gibt es nur durch starke Gewerkschaften und eine funktionierende Mitbestimmung.
Beim Gesetzgebungsverfahren stellen sich die Fragen: Was ist gut für unsere Gesellschaft? Was ist nachhaltig? Welche Grundlagen müssen wir schaffen, um zukunftsfähig zu sein? – Sie haben recht, dass gerade junge Menschen häufig nur befristete Arbeitsverträge erhalten.
(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Erzählen Sie das mal Herrn Stegemann! Der sitzt dort!)
Ich sage ganz klar: Das ist weder gut für die Gesellschaft noch ist es nachhaltig, und es ist schon gar nicht zukunftsfähig.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir reden immer wieder über Fachkräftemangel, demografischen Wandel und darüber, was wir für junge Familien tun müssen. Klar ist doch: Wenn die Grundlage nicht stimmt, dann hilft die Bekämpfung der Symptome wenig.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: So ist es!)
Junge Menschen brauchen und wollen Sicherheit und Anerkennung. Das ist in prekären Beschäftigungsverhältnissen in der Regel aber nicht der Fall.
Lassen Sie uns einen Blick auf die Realität werfen. Eine junge Frau – nennen wir sie Hanna – ist als Leiharbeiterin bei VW beschäftigt. Gerade hat sie sich mit ihrem Mann ein älteres Haus gekauft und mit der Familienplanung begonnen. Die ist jetzt erst einmal auf Eis gelegt, weil sie nicht mehr einschätzen kann, wie es weitergeht. Sie hat keine Sicherheit, kann Auftragseinbrüche nicht mit Kurzarbeit überbrücken und muss befürchten, entlassen zu werden, falls das Fehlverhalten anderer Auswirkungen auf die Nachfrage hat. Völlig unverschuldet sind ihre Träume von einer kleinen Familie geplatzt. Hanna und ihr Mann haben sich darauf verständigt, erst einmal wieder zu verhüten.
Wenn ich nicht weiß, ob ich mich selbst, geschweige denn einen Partner und Kinder morgen noch ausreichend versorgen kann, dann überlege ich mir sehr genau, ob ich eine Familie gründe. Das heißt also: Die Familienplanung muss warten, und unsere Gesellschaft bekommt ein Problem mit fehlendem Nachwuchs. Das ist volkswirtschaftlich und gesellschaftlich kontraproduktiv. Das ist nicht nachhaltig. Wir brauchen also Rahmenbedingungen, die einen Ausgleich zwischen der notwendigen Flexibilität für Unternehmen und der ebenso notwendigen Sicherheit für die Menschen schaffen.
In Bezug auf Ihren Antrag muss man die gleichen Kriterien anlegen – Nutzen für die Gesellschaft, Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit – und die Wirkung berücksichtigen. So fordern Sie in Ihrem Antrag eine Höchstüberlassungsdauer bei Leiharbeit von drei Monaten. Ich befürchte bei einer so geringen Höchstüberlassungsdauer eher eine Verschlechterung für die betroffenen Arbeitnehmer und einen Drehtüreffekt bei Stellen mit einer eher niedrigen Qualifikationsanforderung. Hanna hätte in diesem Fall weder ein Haus gekauft noch mit der Familienplanung begonnen.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das macht sie jetzt auch nicht!)
Zudem berücksichtigt Ihr Vorschlag nicht die Unterschiede in der Wirtschaft. Bei einer Firma, die Weihnachtsmänner aus Schokolade produziert, dauern die Auftragsspitzen vielleicht zwei bis drei Monate.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kommt Ostern! – Heiterkeit)
Im Spezial- und Anlagenbau oder in der Produktentwicklung kann dies erheblich länger sein, weil die Projekte viel anspruchsvoller sind.
Auch beim Thema Werkverträge sehe ich einige Unschärfen und eine falsche Ausgangslage. Dort, wo Werkverträge als Instrument zum Lohndumping benutzt werden, liegt ein Missbrauchsverdacht nahe. Diesen Missbrauch werden wir bekämpfen. Aber dies betrifft längst nicht alle Werkverträge.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich aber mal gespannt!)
Wir müssen also aufpassen, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Es geht uns klar darum, Missbrauch sowohl bei Leiharbeit als auch bei Werkverträgen zu bekämpfen. Es geht uns darum, einen gesellschaftlichen Konsens zu finden, der nachhaltig und zukunftsfähig ist, kurz gesagt: der unserer Gesellschaft guttut.
Gut gemeint ist also nicht gleich gut gemacht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb werden wir Ihre Anträge ablehnen und demnächst einen gut gemachten Gesetzentwurf der Koalition vorlegen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das wäre ja mal was Neues!)
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Wilfried Oellers von der CDU/CSU-Fraktion spricht als nächster Redner.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6100993 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 133 |
Tagesordnungspunkt | Prekäre Arbeitsverhältnisse |