05.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 133 / Tagesordnungspunkt 5

Wilfried OellersCDU/CSU - Prekäre Arbeitsverhältnisse

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Legislaturperiode, die gerade einmal zwei Jahre alt ist, debattieren wir in diesem Haus zum fünften Mal über die Thematik „Zeitarbeit, Werkverträge und Befristungen“. Wurden in den vorherigen Debatten die Themen immer noch einzeln diskutiert, so sind nun alle Themen in einem Antrag verankert. Bereits an dieser Stelle darf ich auf all meine vorher gehaltenen Reden verweisen. Meine Meinung hat sich dahin gehend nicht verändert.

Schaut man sich den Antrag genau an, so kann man ihn, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Linken, nur als Frontalangriff auf die Flexibilisierungsinstrumente des deutschen Arbeitsmarktes bezeichnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie möchten alle Flexibilisierungsinstrumente beseitigen oder, so weit es geht, einschränken, die in der heutigen Arbeits- und Wirtschaftswelt jedoch dringend erforderlich sind und eine starke Wirtschaft ausmachen. Dabei scheinen Sie immer noch nicht verstanden zu haben, dass sich die Arbeitswelt verändert hat und auch stetig verändern wird. Es sind Veränderungen festzustellen, die in Richtung Spezialisierung, Selbstständigkeit und Flexibilität gehen.

Sie wollen mit Ihrem Antrag und der gesamten Diskussion nur Panik verursachen.

(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)

Dabei lassen Sie sehenden Auges außer Betracht, dass die Arbeitsmarktsituation in Deutschland positive Rekorde erreicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit derzeit über 31 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen und einer Erwerbstätigenzahl von fast 43 Millionen

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Keine Vollzeitarbeitsverhältnisse!)

erreichen wir nie dagewesene Zahlen. Mit 2,65 Millionen Arbeitslosen erreichen wir die niedrigste Arbeitslosenzahl seit der Wiedervereinigung. Der Arbeitsmarkt gewinnt an Robustheit stetig dazu, und die Einkommen steigen. Hiervon profitieren alle Menschen in Deutschland. Offensichtlich kommen Sie mit den guten Zahlen nicht zurecht und suchen daher Themen, bei denen Sie Panik verbreiten können.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ach, das ist doch Quatsch! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Bei den Niedriglöhnen gibt es keine Lohnsteigerung seit zehn Jahren!)

In Ihrem Antrag sprechen Sie davon, dass in der heutigen Arbeitswelt nur schwer Gegenwehr gegen das Profitstreben der Unternehmen organisiert werden könne. Mit diesen Worten verkennen Sie das Grundprinzip des Wirtschaftslebens, nach dem ein Unternehmen nun einmal so geführt werden muss, dass es profitabel ist, damit es überhaupt auf dem Markt bestehen kann. Offensichtlich ist Ihnen gleichgültig, wie Unternehmen auf dem Markt zurechtkommen. Sie schüren eine Neiddebatte, und für diese Wirtschaftsdenke fehlt mir absolut jedes Verständnis.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch keine Neiddebatte! – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Unglaublich!)

Die Unternehmer in Deutschland sind es, die die Menschen in Arbeit bringen und gemeinsam mit ihnen, ihren Mitarbeitern, Produkte entwickeln, die uns hier in Deutschland zu Wohlstand verhelfen. Hierfür gebührt allen ein großer Dank.

Die genannten positiven Zahlen werden aufgrund der derzeitigen Rechtslage erreicht. Daher gilt es, sehr behutsam vorzugehen, wenn man diese Rechtslage ändern möchte. Einen Missbrauch von Flexibilisierungsinstrumenten möchte keiner. Er kann jedoch schon auf der jetzigen Rechtsgrundlage unterbunden werden.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das passiert aber nicht!)

Die Reaktion auf Missbrauch kann nicht sein, dass man stets die Rechtslage verschärft. Damit trifft man nämlich nicht diejenigen, die Missbrauch betreiben, sondern in erster Linie die redlich handelnden Unternehmer, da sie sich an Recht und Ordnung halten und durch schärfere Gesetze unnötigerweise in ihrem Handeln beeinträchtigt werden.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt überhaupt nicht! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Rahmenbedingungen werden für alle verändert!)

Zeitarbeit, Werkverträge und Befristungen sind wichtige Flexibilisierungsinstrumente, die in der heutigen Wirtschaftswelt unverzichtbar sind. Es gilt, mit ihnen auf wirtschaftliche Schwankungen zu reagieren, aber auch auf die persönliche Situation der Mitarbeiter, die zum Beispiel Elternzeit, Pflegezeit oder Familienpflegezeit – all das ist besonders zu begrüßen – in Anspruch nehmen. Wenn den Mitarbeitern flexible Instrumente gewährt werden, muss der Arbeitgeber entsprechend flexible Gestaltungsmöglichkeiten haben. Sonst ist eine Ausgewogenheit der Interessen nicht hergestellt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Zeitarbeit hat eine wichtige Brückenfunktion für die Menschen und hilft, schneller in Arbeit zu kommen. Sie hilft insbesondere den Menschen, die längere Zeit nicht mehr in Arbeit waren, aber auch denen, die noch nie in Arbeit waren, und vor allem denjenigen ohne Berufsausbildung. Letztere machen immerhin einen Anteil von 22 Prozent bei der Zeitarbeit aus. Die 850 000 Menschen in Zeitarbeit

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Leiharbeit! Nicht Zeitarbeit!)

machen einen Anteil von lediglich 2 Prozent aus. Seit 2010 ist die Zahl stetig rückläufig. – Wir reden hier von Zeitarbeit, ich zumindest.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Die nennt man Leiharbeiter!)

Interessant ist auch, zu sehen, dass in wirtschaftlich schwierigen Situationen stets ein Rückgang der Zeitarbeit zu verzeichnen ist. Dies sichert vor allen Dingen die Stammbelegschaft der Unternehmen, und das sollte doch auch in Ihrem Interesse sein. Zu erwähnen ist auch, dass die Zeitarbeit zu fast 100 Prozent tarifvertraglich geregelt ist.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch logisch! Sonst müssen sie Equal Pay machen! Das ist doch gar kein Argument!)

Bereits jetzt besteht nach dem AÜG Equal Pay. Beide Tarifvertragsparteien haben hier im Einvernehmen von ihren Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht. Das sollte an dieser Stelle erwähnt werden.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Die Billiggewerkschaften haben es getan!)

Ich verstehe daher nicht, dass Sie den Menschen diese von beiden Tarifvertragsparteien gestaltete Brücke in den Arbeitsmarkt nehmen wollen.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das stimmt doch nicht!)

– Das ist wohl richtig.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie hoch ist denn der Klebeeffekt? – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sagen Sie einmal, wie viele es sind! Sagen Sie doch mal eine Zahl!)

Hinsichtlich der von Ihnen geforderten Regulierung der Werkverträge sei erwähnt, dass es eine umfangreiche Rechtsprechung gibt und die Gerichte selbst sagen, dass sie alle Missbrauchsfälle lösen können. Die ebenfalls geforderte Mitbestimmung in diesem Bereich würde die unternehmerische Freiheit in unzulässiger Art und Weise beeinträchtigen. An dieser Stelle würde mich interessieren, was Sie unter unternehmerischer Freiheit verstehen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gesellschaftliche Verantwortung!)

Zur Befristung habe ich bereits vor sechs Wochen gesprochen. In Kürze: Die derzeitige Befristungsquote liegt bei 6,9 Prozent und ist damit die niedrigste seit der Wiedervereinigung. Die Tendenz seit 2010 ist stetig fallend. Die Übernahmequote liegt bei fast 60 Prozent.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das stimmt doch nicht!)

Betrachtet man darüber hinaus die jeweiligen Altersgruppen, so stellt man fest, dass mit steigendem Alter der Anteil der befristeten Arbeitsverhältnisse deutlich sinkt. Ich darf mit der jüngsten Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen beginnen. Hier haben wir einen Anteil von 23 Prozent, und er fällt stetig. Schon bei der nächsten Altersgruppe haben wir einen Anteil von 13,7,

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden heute über junge Menschen! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wir müssen uns um die jungen Menschen kümmern! Zwei Drittel der jungen Frauen werden befristet eingestellt! Das nehmen Sie nicht zur Kenntnis!)

bei der ältesten Altersgruppe beträgt der Anteil 3,7 Prozent. Bei einer solchen Entwicklung sehe ich keine Fehlstellung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jutta Krellmann [DIE LINKE], an die CDU/CSU gewandt: Da dürfen Sie als Frauen nicht klatschen, auch wenn Sie von der CDU sind!)

Im Rahmen des Berufseinstiegs kann es nicht als unüblich angesehen werden, dass zunächst befristete Arbeitsverhältnisse eingegangen werden. Die aufgezeigte Entwicklung verdeutlicht, dass der Fortgang in die richtige Richtung geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die derzeitige Situation auf dem Arbeitsmarkt ist gut. Man sollte daher mit Änderungen sehr vorsichtig umgehen. Panikmache, wie Sie sie betreiben, ist hier nicht angebracht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Jutta Krellmann von der Fraktion Die Linke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6101012
Wahlperiode 18
Sitzung 133
Tagesordnungspunkt Prekäre Arbeitsverhältnisse
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta