05.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 133 / Tagesordnungspunkt 5

Peter WeißCDU/CSU - Prekäre Arbeitsverhältnisse

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Internationale Arbeitsorganisation hat unlängst einen Bericht vorgelegt, der in der Tat besorgniserregend ist. Danach haben weltweit immer weniger Menschen einen festen Job. Von den Menschen, die nach unserem Verständnis einer abhängigen Beschäftigung nachgehen, die also Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer sind, haben weltweit nur noch 42 Prozent einen unbefristeten Vertrag.

Ich nenne das deswegen, weil man einfach einmal einen Vergleich zum deutschen Arbeitsmarkt wagen muss. Das Statistische Bundesamt hat bekannt gegeben, dass im Jahr 2014 die Zahl der sogenannten Normalarbeitsverhältnisse, also das, was wir uns als Ideal wünschen, auf 24,5 Millionen zugenommen hat und dass sich damit der Anteil der Beschäftigten im sogenannten Normalarbeitsverhältnis im Vergleich zu allen anderen Erwerbstätigen auf 68,3 Prozent entwickelt hat, gegenüber 67,5 Prozent im Vorjahr.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, weltweit geht es mit prekärer Beschäftigung nach oben. Bei uns in Deutschland geht es mit prekärer Beschäftigung nach unten. Das ist die gute Nachricht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Im Vergleich dazu die anderen Zahlen: Das, was unter prekärer Beschäftigung zusammengefasst wird, was nicht immer unbedingt prekär sein muss, also Personen in Minijobs, in befristeter Beschäftigung, Teilzeitarbeit bis 20 Stunden und Zeitarbeit oder Leiharbeit, wie immer Sie wollen, hat von 21,4 Prozent auf 20,9 Prozent abgenommen. Das Statistische Bundesamt stellt fest: Damit setzte sich der bereits 2012 beobachtete Rückgang der atypischen Beschäftigung fort.

Die Bundesagentur für Arbeit hat erst kürzlich den bereits zitierten Rekordstand von 31,3 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen bekannt gegeben – Höchststand der Beschäftigung in Deutschland.

Dabei ist auch wichtig: Die BA teilt uns mit, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen proportional stärker gestiegen ist als die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse insgesamt. Die Behauptung der Opposition, prekäre Beschäftigung in Deutschland nehme zu, stimmt also nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Das sollten wir heute einmal erfreut feststellen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben nicht gesagt, dass sie zunimmt!)

Damit jetzt hier nicht ein falscher Gegensatz aufgebaut wird: Selbstverständlich wollen auch die Koalitionsfraktionen, CDU/CSU und SPD, dass die Zahl der Normalarbeitsverhältnisse weiter ansteigt, dass möglichst viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Gelegenheit haben, in ein festes Arbeitsverhältnis mit ordentlicher Entlohnung zu kommen. Das ist unser Ziel, nicht das Gegenteil.

Ich behaupte: Mit einer wachstumsorientierten und vernünftigen Politik wird die Große Koalition es schaffen, auf diesem erfolgreichen Weg zu mehr Normalarbeitsverhältnissen in Deutschland weiter voranzuschreiten – im Gegensatz zu dem, was leider in der Welt sonst los ist.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann müssen aber die Löhne steigen! Mehr Wachstum alleine bringt nichts!)

Bei der Zeit- oder Leiharbeit ist der Prozentsatz nach dem Höchststand 2011, als 2,9 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland Leih- oder Zeitarbeitsverhältnisse waren, wieder nach unten gegangen. Auch da sollte man keinen falschen Gegensatz aufbauen. Leih- bzw. Zeitarbeit ist ein Flexibilisierungsinstrument.

Genauso sind Werkverträge in Deutschland traditionell üblich und auch notwendig. Auch die Gewerkschaften sehen das so. Aber der Punkt ist: Selbstverständlich wollen wir nicht, dass die Instrumente Leiharbeit, Zeitarbeit und Werkverträge für Dinge missbraucht werden, für die sie nicht vorgesehen sind. Das ist unser Ziel.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Da haben wir in den vergangenen Jahren nicht einfach nichts getan. Ich will einmal daran erinnern: Wir haben den Drehtüreffekt bei der Zeitarbeit gesetzlich unterbunden. Wir haben – mühsam genug – die Arbeitgeberverbände dazu gebracht, dass sie mitgemacht haben, für die Zeitarbeit eine gesetzlich verankerte eigene Mindestlohnregelung zu schaffen – im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz –, damit nicht möglicherweise irgendwelche Dumpinglöhne, wie sie im Ausland üblich sind, bei uns angewandt werden können.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann die Politik alleine! Da brauchen wir keine Branche!)

Das ist ein großer Erfolg.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Mit 8,60 Euro! Klasse!)

– Verehrte Frau Kollegin Krellmann, in der Tat: Dieser Mindestlohn in der Zeitarbeit liegt über dem gesetzlichen Mindestlohn. Auch das muss man hervorheben.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 10 Cent! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt aber zynisch!)

Er steigt nächstes Jahr noch einmal entsprechend an.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Auf 20 Cent!)

Genauso haben wir uns – das war auch ein mühsamer Prozess – dafür eingesetzt, dass bei Zeitarbeit branchenbezogene Zuschläge möglich werden. Das, was in der Chemie- oder Metallindustrie vereinbart worden ist – das Gehalt des Zeitarbeiters wird nicht erst nach neun Monaten, sondern bereits vorher schrittweise angehoben –, ist ein wirklich gutes Modell, für das wir den Arbeitgebern und den Gewerkschaften Anerkennung zollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Und was ist mit den anderen Branchen?)

Wenn wir uns jetzt an eine Neuregelung machen, wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart haben, dann wollen wir dafür sorgen, dass solche tarifvertraglichen Möglichkeiten, durch branchenbezogene Zuschläge den Lohn eines Zeitarbeiters schon vor Ablauf von neun Monaten zu erhöhen, nicht kaputtgemacht werden, sondern wir wollen für solche Tarifverträge einen starken gesetzlichen Rahmen schaffen, damit auch in Zukunft Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam ihre Verantwortung für die Lohnfindung wahrnehmen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Bei gleichem Geld für gleiche Arbeit wäre das gar nicht nötig! Mensch!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, man kann auch über das Thema Befristung trefflich streiten und diskutieren. Ich erinnere nur an unsere Debatte vorhin über das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Nirgendwo sind Befristungen schlimmer ausgestaltet als bei unserem wissenschaftlichen Nachwuchs. Wir, die Große Koalition, machen ein Gesetz, mit dem wir mit dieser ständigen Befristerei Schluss machen und endlich auch für den wissenschaftlichen Nachwuchs verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Wir handeln, und zwar konkret.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na, na! Nicht so große Töne spucken!)

Deswegen will ich zusammenfassen.

Kollege Weiß, dafür ist jetzt nicht mehr die Zeit. Sie müssen einen Punkt setzen.

Frau Präsidentin, ein letzter Satz. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die gute Entwicklung des deutschen Arbeitsmarkts schafft uns die Möglichkeit, das Normal­arbeitsverhältnis zu stärken. Das ist und bleibt im Gegensatz zu dem, was die Opposition heute an grauen und schrecklichen Bildern gemalt hat, Ziel dieser Koalition.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6101120
Wahlperiode 18
Sitzung 133
Tagesordnungspunkt Prekäre Arbeitsverhältnisse
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta