Fritz FelgentreuSPD - Betreuungsgeld
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe gehört, dass auch eine Gruppe aus Neukölln da ist. Ich begrüße Sie als Abgeordneter Ihres Wahlkreises natürlich besonders herzlich.
Wir stimmen heute über einen, wie ich finde, inhaltlich ganz hervorragenden Gesetzentwurf der Linken ab.
(Beifall des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])
Allerdings wird die SPD-Fraktion ihn trotzdem ablehnen. Ganz hervorragend ist der Inhalt des Gesetzentwurfs schon deswegen, weil die SPD ihn geschrieben hat – in der vergangenen Wahlperiode.
(Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Deswegen lehnen Sie ihn ab? Sie können ja auch zustimmen!)
Ablehnen werden wir ihn, weil inzwischen etwas passiert ist, wovor auch der beste Inhalt nicht schützt: Die Erde hat sich weitergedreht und die Gesetzgebung dadurch überflüssig gemacht.
(Beifall bei der SPD)
Das, worum es in dem Entwurf und im begleitenden Antrag geht, nämlich die Abschaffung des Betreuungsgeldes und die Umwidmung der dafür vorgesehenen Mittel, ist bereits erfolgt.
(Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Ja, aber falsch erfolgt!)
Über das Betreuungsgeld brauchen wir hier zum Glück gar nicht mehr zu diskutieren. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass wir dafür keine Gesetzgebungskompetenz haben und sie auch niemals hatten. Damit ist das Betreuungsgeld nur noch eine Fußnote der Geschichte bundesdeutscher Familienpolitik, und – um einen legendären Bürgermeister dieser Stadt zu zitieren – das ist auch gut so.
(Beifall bei der SPD)
Das zweite Ziel bleibt jedoch unverändert aktuell. Der Ausbau und die Verbesserung der Kinderbetreuung sind Grundpfeiler der Familienpolitik dieser Koalition; denn eines ist doch vollkommen klar: Kinder und Familien fördern wir am besten mit erstklassigen Kitas und Schulen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Das ist ja wahre Liebe bei euch!)
Deshalb stockt die Koalition das Sondervermögen „Kinderbetreuungsfinanzierung“, das Kindern unter drei Jahren zugutekommt, um 550 Millionen Euro auf 1 Milliarde Euro auf. Deshalb stellen wir für Kinderkrippen und Tagespflegestellen ab sofort jährlich 845 Millionen Euro zur Verfügung. Deshalb erhöht der Bund seine Beteiligung an den Betriebskosten von Kitas 2017 und 2018 nochmals um 100 Millionen Euro. Und deshalb stärken wir gerade mit weiteren 400 Millionen Euro die Sprachförderung in den Kindertagesstätten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wem das alles noch nicht reicht – mir reicht es übrigens auch nicht –, der wird mit Freude feststellen, dass die Koalition gerade die Flüchtlingskrise zum Anlass genommen hat, bei der Kinderbetreuung noch einmal nachzulegen. Mit dem sogenannten Asylpaket, das wir hier vor drei Wochen beschlossen haben, werden die für das Betreuungsgeld vorgesehenen Mittel nach und nach auf die Länder übertragen, damit sie dieses Geld ihrerseits so, wie sie es vor Ort brauchen, in den Ausbau der Betreuung und in Kitaqualität investieren. Diese Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, nützt allen: den Kindern, die hier geboren sind, und den Kindern, die jetzt neu dazukommen. Gerade die Flüchtlingskinder gehören doch in die Kitas. Dort lernen sie Deutsch. Dort erleben viele von ihnen zum ersten Mal das gleichberechtigte Miteinander der Geschlechter. Dort erfahren sie, wie man sich streitet und wieder verträgt oder – um es einmal etwas hochtrabender auszudrücken – wie Kompromissfähigkeit und gewaltfreier Interessenausgleich unser Sozialverhalten und unsere Gesellschaft prägen. Deshalb war es richtig, dass wir die Verwendung der Betreuungsgeldmittel im Rahmen des Asylpakets geregelt haben, obwohl mit dem Geld nicht nur Flüchtlingsfamilien, sondern alle Kinder gefördert werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, Sie sehen, dass die Koalition bei der Kinderbetreuung die richtigen Schwerpunkte setzt. Trotzdem bleibt es auch in Zukunft unsere Aufgabe, die Kinderbetreuung weiter auszubauen und ihre Qualität zu verbessern.
An dieser Stelle sei mir der Hinweis erlaubt, dass die SPD-Fraktion ein kontinuierliches Engagement des Bundes für Bildung und Betreuung für notwendig hält. Solange wir die Länder damit alleinlassen, wird es immer wieder dazu kommen, dass zu wenig Geld für strukturelle Verbesserungen zur Verfügung steht.
(Beifall bei der SPD)
Die Gefahr der Unterfinanzierung von Bildung und Betreuung ist eine der wenigen problematischen Folgen unserer föderalen Ordnung. Deshalb ist es auch richtig, über Lösungen nachzudenken, wie das Engagement des Bundes verstetigt werden kann, aber selbstverständlich ohne in die Kompetenzen der Länder einzugreifen.
Eine Möglichkeit ist zweifellos die Lockerung des Kooperationsverbotes im Grundgesetz. Das Kooperationsverbot erlegt dem Bund jedes Mal ziemliche Verrenkungen auf, wenn er Geld für Bildung und Betreuung bereitstellen will. Eleganter als eine Änderung des Grundgesetzes finde ich allerdings eine Idee, die von der Kollegin Carola Reimann entwickelt worden ist, nämlich einen familienpolitischen Werkzeugkasten des Bundes und der Länder, wie Sie es genannt haben, Frau Kollegin Reimann. Ein solcher Werkzeugkasten kann durch einen Vertrag des Bundes mit den Ländern entstehen. Der Bund würde sich dabei verpflichten, den Kasten mit dem für familienpolitische Instrumente notwendigen Geld zu befüllen. Die Länder würden als Vertragspartner die Mittel, die der Werkzeugkasten enthält, ausschließlich für Familien- und Bildungspolitik ausgeben, und zwar für die Maßnahmen, die vor Ort gerade am dringendsten nötig sind. Ich würde mich freuen, wenn wir die zweite Hälfte der Legislaturperiode nutzen könnten, um diese Idee weiterzuentwickeln.
Ich komme zum Schluss. Den vorliegenden Gesetzentwurf sowie den Begleitantrag lehnen wir ab, weil sie sich durch tätiges Handeln erledigt haben. Die Anregung, gemeinsam weiter darüber nachzudenken, wie Bund und Länder in der Familienpolitik besser zusammenarbeiten können, greifen wir gerne auf. Wir freuen uns auf die weitere Debatte.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Norbert Müller, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6101968 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 133 |
Tagesordnungspunkt | Betreuungsgeld |