Josef RiefCDU/CSU - Betreuungsgeld
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Besucher auf der Plenartribüne und liebe Zuschauer vor dem Parlamentsfernsehen! Bereits im September haben wir uns im Plenum mit den Vorschlägen von Bündnis 90/Die Grünen und Linken beschäftigt. Damals wie heute unterstützt der Bund den Ausbau der Kindertagesbetreuung.
Es ist unstrittig: Im ganzen Land werden Kitaplätze benötigt und zur Verfügung gestellt. Wir waren es schließlich, die vor vielen Jahren den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz eingeführt haben. Die Mütter und Väter, die ihren Beruf wieder aufnehmen möchten, sollen ausreichend Kitaplätze zur Verfügung haben. Darin sind wir uns, glaube ich, alle einig.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Der Kitaausbau wurde und wird stark gefördert. Dies wird auch so bleiben.
Den Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen geht es hier aber um etwas ganz anderes. Bei Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, liegt der Fokus ganz klar auf der Kinderbetreuung durch den Staat. Das ist sehr einseitig. Häusliche Betreuung dagegen wird von der Opposition weder anerkannt noch geschätzt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Ungeheuerlich!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie sollen sich die Familien fühlen, die erstmals, nach harten politischen Kämpfen, für die häusliche Betreuung ihrer Kinder monatlich einen Betrag als kleine Anerkennung erhalten haben, wenn sie diese Gelder jetzt nicht nur nicht mehr bekommen, sondern diese hart erkämpften Mittel nach Meinung der Opposition besser in Kitas investiert werden, wenn mit dem Geld also genau das Gegenteil dessen passiert, wofür es eigentlich gedacht war? An dieser Stelle betone ich es noch einmal: Kinder brauchen in den ersten Lebensjahren eine verlässliche Bindung. Bindung ist in den ersten Lebensjahren wichtiger, als es Bildung je sein kann. Deshalb ist die häusliche Betreuung gut und sinnvoll.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt das jetzt konkret?)
Wie uns das Bundesverfassungsgericht mitteilte, war der Bund nicht der zuständige Gesetzgeber für das Betreuungsgeld. Ich fürchte, auch für andere Leistungen ist der Bund nicht zuständig. Wir können nur hoffen, dass da nie jemand klagt. Das Betreuungsgeld bleibt trotzdem richtig und wichtig. Inhaltlich wurde das Betreuungsgeld nicht geprüft. Die Länder können es sehr wohl einführen. Ich lobe hier ausdrücklich die Bayern, die es weiterführen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben dies bei den Änderungen des Finanzausgleichsgesetzes berücksichtigt. Durch den Wegfall des Betreuungsgeldes sind finanzielle Spielräume entstanden; das haben meine Vorredner schon gesagt. Der Bund wird die Länder und Kommunen in den kommenden drei Jahren bei Maßnahmen zur Verbesserung der Kinderbetreuung unterstützen. Ich wiederhole ausdrücklich: Verbesserung der Kinderbetreuung. Damit ist gerade nicht vorgegeben, dass die Gelder in staatlich geförderte Kinderbetreuungseinrichtungen fließen müssen. Die Länder können mit diesem Geld sehr wohl – dafür plädiere ich – die häusliche Betreuung der Familien finanziell anerkennen. Wir stellen den Ländern 339 Millionen Euro im Jahr 2016, 774 Millionen Euro im Jahr 2017 und für 2018 noch einmal 870 Millionen Euro zur Verfügung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
In meinem Heimatland Baden-Württemberg hat ein weitaus größerer Teil der Eltern für ihre Kinder Betreuungsgeld bezogen, als dass sie ihre Kinder in staatlich geförderte Kindertagesbetreuungseinrichtungen gegeben hätten. Das muss hier einmal gesagt werden, und das sollte Ihnen allen, auch Ihnen von der Opposition, zu denken geben. Auch ist interessant – das gibt die Statistik her –, dass in den Gebieten in Baden-Württemberg, in denen die Anzahl der Bezieher von Betreuungsgeld besonders hoch ist, auch die höchsten Geburtenraten zu verzeichnen sind. Genauere Untersuchungen sollten diesen Zusammenhang klären und vertiefen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sönke Rix [SPD]: Die meisten Geburten gibt es aber in Dresden! Da gibt es kein Betreuungsgeld!)
Die große Mehrheit der Eltern in Baden-Württemberg hat sich im ersten Halbjahr für das Betreuungsgeld entschieden. Ich bin gespannt, wie die grün-rote Landesregierung, die diese Zahlen kennt, darauf reagiert. Natürlich weiß ich, dass sich der Beifall der SPD bei diesem Thema in Grenzen hält. Aber als große Volkspartei muss sie schon zur Kenntnis nehmen, dass der Mehrheit der Eltern mit kleinen Kindern etwas weggenommen wird, für das sie sich entschieden haben. Zumindest in Baden-Württemberg, ja, ich denke, in ganz Deutschland ist die Möglichkeit, sich für einen Kitaplatz zu entscheiden, gegeben. Trotzdem hat sich die große Mehrheit bis zum Sommer für die 150 Euro Betreuungsgeld monatlich entschieden, also für einen Betrag, der vergleichsweise sehr niedrig ist.
Warum hat das die übergroße Mehrheit getan? Ganz einfach: weil sich die Mütter und Väter eben nicht im Hamsterrad von Beruf, Familie und Freizeit Duelle liefern möchten, sondern mehr Zeit für die Kinder haben wollen. Entschleunigung in der Gesellschaft bei der Kindererziehung müsste doch in erster Linie ein Ziel gerade von Grünen und Linken sein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie verraten mit Ihren Anträgen Ihre eigenen angeblichen Ideale.
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das ist ja Quatsch, was Sie sagen!)
Deshalb streben wir bei einem Wahlerfolg genau diese Ideale der Wahlfreiheit, mehr Zeit für Kinder, vor allem für kleine Kinder, eine finanzielle Anerkennung aller Lebensentwürfe, ja ein klares Bekenntnis zu Familien mit einem Kind, zwei, drei oder mehr Kindern an. Gerade Mehrkindfamilien verdienen mehr Wertschätzung und Unterstützung. Hier muss noch viel getan werden, zum Beispiel im Hinblick auf ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Was empfehlen Sie zum Beispiel Eltern mit mehreren kleinen Kindern, die beide voll berufstätig sind, ihre Kinder in die Kita bringen und merken, dass sie Berufstätigkeit und Kindererziehung nicht unter einen Hut bringen oder einfach nur überlastet sind? Nichts. Sie haben nichts anzubieten, weil es nicht in Ihre Ideologie passt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN: Oh! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Was bieten Sie denn an?)
Ich bin allen Familien dankbar, die Berufstätigkeit und Kinder schaffen. Ich schätze aber auch in gleichem Maße alle Familien, die merken, dass es zu viel ist, und dann teilweise auf Arbeitsstunden zugunsten von Kindern verzichten. Auch dafür bräuchten wir das Betreuungsgeld.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sönke Rix [SPD]: Nein, die Familienarbeitszeit! – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil die Frau verzichtet!)
Die Mehrheit der jungen Menschen im Süden und Westen – wahrscheinlich nicht nur dort – will mehr Kinder und auch mehr Zeit für ihre Familien. Ich bin überzeugt, dass die Attraktivität von Politik und Parteien größer wird, wenn eine Politik gemacht wird, in der das Betreuungsgeld gewährt und auch Mehrkindfamilien gefördert werden.
(Sönke Rix [SPD]: Die Schlacht ist doch geschlagen!)
Es gibt nicht das eine Modell Familie. Eltern kennen ihre Kinder am besten. Nur sie können entscheiden, welche Betreuung zu ihren Kindern und zu ihrer aktuellen und individuellen Lebenssituation passt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Ja, ja! Das können sie vor allen Dingen dann entscheiden, wenn es keinen Kitaplatz gibt!)
Alle Familien sollten bei ihren Entscheidungen – sei es für eine staatliche oder eine häusliche Betreuung und Förderung ihrer Kinder – durch die Politik auch finanziell unterstützt werden, und zwar möglichst in allen Bundesländern.
(Sönke Rix [SPD]: Ja, genau! Mit dem Kindergeld zum Beispiel! Und mit dem Elterngeld!)
Statt den vorliegenden Anträgen der Opposition zuzustimmen, fordere ich die Landesregierungen – vor allem in Stuttgart, aber auch in allen anderen Bundesländern – auf, das von der Bevölkerung gewollte und akzeptierte Betreuungsgeld auf Landesebene den Familien zur Verfügung zu stellen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sönke Rix [SPD]: Schade, wir klatschen für den Koalitionspartner sonst gerne!)
Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6101983 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 133 |
Tagesordnungspunkt | Betreuungsgeld |