05.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 133 / Tagesordnungspunkt 11

Wilhelm PriesmeierSPD - Änderung agrarmarktrechtlicher Bestimmungen

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ach, Frau Binder, hätten Sie doch die Kirche im Dorf gelassen. Dann hätten Sie heute etwas Gutes getan.

(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Lauter!)

Ich frage mich allen Ernstes, was die Umsetzung der gemeinsamen Marktordnung in deutsches Recht – mit dem ermöglichen wir erst die Anwendung in Krisensituationen –

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Ich verstehe kein Wort!)

mit TTIP und globalisierten Märkten zu tun hat. Ich glaube, nicht so besonders viel.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Wir sind gehalten, für das geltende EU-Recht, das seit dem 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist und das an sich sowieso schon gilt, die Voraussetzungen zu treffen, damit im Krisen- und im Notfall dieses Recht in Deutschland anwendbar gemacht werden kann. Dazu bedarf es letztendlich auch der Umsetzung des Artikels 220 der EU-Verordnung Nr. 1308/2013. Darauf bezieht sich im Wesentlichen der Gesetzentwurf, den wir heute hier beraten.

Die Anwendung ist auf nationaler Ebene zu regeln. Im Wesentlichen geht es darum, dass wir Verordnungsermächtigungen des Marktorganisationsgesetzes, des Agrarmarktstrukturgesetzes und des Weingesetzes entsprechend anpassen – um nicht mehr, aber auch um nicht weniger.

Ich glaube, dass wir gut daran tun, diesen Gesetzentwurf in diesem Hause mit breiter Mehrheit zu verabschieden. Ich glaube, es hat selten einen Gesetzentwurf gegeben, der in namentlicher Abstimmung mit so großer Mehrheit angenommen wird. Die Bundesländer haben sich im Bundesrat dazu nach meinem Kenntnisstand positiv geäußert. Es hat keinen Widerspruch gegeben, auch nicht aus dem Land Thüringen, wo die Linke die Landwirtschaftsministerin stellt. Insofern kann ich die Aufgeregtheiten hier heute überhaupt nicht verstehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Diese gesetzliche Regelung hat an sich nichts mit mächtigen Monopolen und auch nichts mit Dumping zu tun. Es geht darum, dass wir im Weiteren natürlich auch bestimmte Vorgaben, sei es die Bezeichnung der Bundesministerien, seien es entsprechende Vorschriften zum Datenschutz, anpassen. Es geht also um ganz banale Dinge, die nicht zu Aufgeregtheiten taugen. Das Marktorganisationsgesetz bedarf der Zustimmung der Mehrheit des Deutschen Bundestages, weil wir mit diesem Gesetz die Möglichkeit schaffen, im Krisenfall, der in absehbarer Zeit hoffentlich nicht eintritt, zum Beispiel die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, BLE, oder auch die Bundesfinanzverwaltung mit der Durchführung entsprechender Maßnahmen zu betrauen, und das in einem vereinfachten Verfahren, ohne die Bundesländer dabei anzuhören. Auf der Grundlage von Artikel 87 Absatz 3 unseres Grundgesetzes ist dafür die Kanzlermehrheit erforderlich. Dieses Thema bietet wenig Raum, um sich hier partei- oder sonst wie politisch zu positionieren. Es hat im Regelfall einen überwiegend technischen Charakter.

Die Marktordnungsmaßnahmen sind zu gegebener Zeit notwendig. Wir haben das gesehen. Der Kollege Färber hat das eben schon einmal erwähnt. Im Hinblick auf das russische Embargo hat es in bestimmten Bereichen, vor allen Dingen in den baltischen Ländern, Störungen des Milchmarktes vor Ort gegeben. Da ist das zur Anwendung gekommen, aber auch nur bezogen auf diese einzelnen Mitgliedstaaten. Voraussetzung ist immer, dass ein Mitgliedstaat die Möglichkeiten des EU-Rechts in einer solchen Situation nutzt.

Ich erinnere noch einmal daran, wie es bei uns war, als wir es mit der Vogelgrippe zu tun hatten. Damals haben 14 EU-Mitgliedstaaten diese Möglichkeit in Anspruch genommen. Damals war der Markt kurz vor dem Zusammenbruch. Das schützt die Produzenten davor, dass sie kurzfristig in Schwierigkeiten und in existenzielle Probleme geraten. Damals ging es darum, dass wir vorzeitig Zuchttiere oder auch legereife Hennen geschlachtet haben, um das Angebot zu verringern. Das alles sind Maßnahmen, die zulässig sind. Zu gegebener Zeit sollte man sie auch ergreifen. Der EU-Haushalt trägt dazu bei, dass diese Möglichkeiten genutzt werden können; denn die Maßnahmen, die auf nationaler Ebene in Kraft gesetzt werden können, werden im Regelfall zu 60 Prozent aus dem EU-Haushalt über den normalen Rahmen hinaus mitgetragen.

Ein weiteres Beispiel ist die BSE-Krise; der ein oder andere mag sich noch daran erinnern. Damals war es unerlässlich, diese Regelungen anzuwenden, weil sonst Ähnliches wie bei der Vogelgrippe in den Märkten passiert wäre und viele Betriebe in akute wirtschaftliche Gefahr geraten wären.

Im Grundsatz kann man sich über Marktordnungen natürlich streiten. Wir haben die Marktordnungen einmal eingeführt, um die Europäer mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln dauerhaft versorgen zu können. Das war in den 50er-Jahren. Zwischenzeitlich ist die agrarische Produktion gewachsen, und zwar auf ein Maß, das wir uns damals nicht vorstellen konnten. Wir haben diese Politik begonnen, weil die marktregulierenden Eingriffe letztendlich bis 1992 zu teuer geworden sind: Fast 70 Prozent des europäischen Haushaltes wurden für entsprechende Subventionen und Marktordnungsmittel ausgegeben. Dem mussten wir entgegensteuern.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es relativ wenige Ansätze für Marktordnungseingriffe. Diese Eingriffe entsprechen im Regelfall nicht mehr dem, was wir kennen: Beispielsweise ist das Dumping 2007 mit der Abschaffung der Exporterstattung weggefallen. Auch das stellt also keine Gefahr mehr dar, Frau Binder – sie ist nicht mehr da. Jetzt müssen Sie einmal schauen, wie das denn in der Vergangenheit war.

Ich glaube, Markt, auch der Agrarmarkt, braucht klare Vorgaben. Wir bewegen uns in einem Umfeld, in dem die europäische Landwirtschaft, gerade auch unsere Landwirtschaft, zunehmend durch Wettbewerb geprägt ist. Da brauchen wir keine Angst zu haben. Wir brauchen entsprechende Eingriffe nicht mehr unmittelbar. Mir ist auch nicht bange um die Entwicklung der deutschen Landwirtschaft und der deutschen Agrarwirtschaft.

Hier ist als Möglichkeit erwähnt worden, lokale Produktion, lokale Vermarktung zu fördern. Dazu sage ich letztendlich: D’accord! Dagegen gibt es nichts zu sagen. – Aber ich hoffe einmal, dass Marktordnungen in Zukunft – zu der Einschätzung kommt man, wenn man sich die Situation insgesamt anschaut – eine noch geringere Rolle spielen als heute.

Im Prinzip wollen wir uns nicht vom Weltmarkt abschotten. Wir tun das aber in Teilen noch; das ist auch Bestandteil dieser Marktordnung. Man könnte vielleicht einmal darüber nachdenken, ob wir uns bestimmten Ländern verstärkt öffnen. Aber es gibt natürlich auch andere Bedingungen, die man zu berücksichtigen hat: Es gibt das Tierseuchenrecht, es gibt SPS-Abkommen. Beide schützen uns davor, dass Krankheiten eingeschleppt werden. All das muss man im Hinterkopf haben. Aber eine pauschale Verurteilung von Marktordnungen kann ich nicht nachvollziehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Ostendorff, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt kommt der Hahn auf die Henne! Jetzt ist was los!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6102171
Wahlperiode 18
Sitzung 133
Tagesordnungspunkt Änderung agrarmarktrechtlicher Bestimmungen
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