05.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 133 / Tagesordnungspunkt 14

Johannes Singhammer - Artgerechte Tierhaltung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bleser, aufgrund der Bewertung der WHO zum Verzehr von verarbeitetem Fleisch lag der Fokus in den letzten Tagen insbesondere auf der Frage: Was kann Wurst mit den Menschen machen?

Ich bin dankbar dafür, dass uns die Diskussion der beiden Anträge der Opposition die Chance gibt, auch die Frage wieder in unser Blickfeld zu nehmen: Was macht der Mensch mit Tieren, die zu unserer Wurst, zu unserem Essen werden?

(Beifall bei der SPD)

Klar ist: Wie der Mensch seine Nutztiere hält, ist allzu oft nicht artgerecht. Klar ist auch: Hier müssen wir etwas tun. Nur: Die Hauptpunkte der Anträge der Opposition gehen am Problem vorbei.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Anträge der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen sehen die Einführung von Bestandsobergrenzen bzw. die rechtliche Verankerung der flächengebundenen Tierhaltung als Schlüssel zur artgerechten Nutztierhaltung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit machen Sie es sich leider ein bisschen zu einfach. Gute Tierhaltung lässt sich nicht nur auf die Größe des Betriebes reduzieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das behauptet auch niemand!)

Es ist Symbolpolitik, die wir nicht mittragen können.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Nach derzeitigem Kenntnisstand hat die Betriebsgröße gegenüber anderen Einflussfaktoren, wie beispielsweise die Managementqualität, einen vergleichsweise geringeren Einfluss auf das Tierwohl. Das zeigt auch das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Entscheidend ist also immer das Wie der Tierhaltung.

Noch einen weiteren Punkt möchte ich nennen, der mich in Ihren Anträgen irritiert hat: Ihre Anträge lassen die Landwirtinnen und Landwirte fast komplett außen vor. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Veränderungen in der Nutztierhaltung lassen sich nur im Dialog mit denjenigen erreichen, die tagtäglich im Stall arbeiten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Die verstehen uns schon!)

Wir wollen spürbare Verbesserungen für die Tiere. Die SPD steht daher zum Leitbild einer dem Standort angepassten, regional verankerten und flächendeckenden Landwirtschaft unterschiedlicher Strukturen und Produktionsausrichtungen. Sehr wohl streben wir dementsprechend einen an die Fläche angepassten Tierbestand an. So haben wir es auch gemeinsam im Koalitionsvertrag festgehalten.

Einen Beitrag hierzu hat die Bundesregierung zum Beispiel durch die Novelle zum Baugesetzbuch geleistet. Gewerbliche Tierhaltungen werden danach beim Bauen im Außenbereich nicht mehr privilegiert, wenn sie bestimmte Größen überschreiten. Meine Damen und Herren, Sie wissen, das sind zum Beispiel 15 000 Hennen, 1 500 Mastschweine.

Die negativen Auswirkungen der zunehmenden regionalen Konzentration von Tierhaltung im großen Maßstab liegen jedoch weniger im Bereich des Tierwohls als vielmehr im Bereich der Umwelt – das Stichwort „Gülleentsorgung“ ist schon angeklungen – und im Bereich der Tiergesundheit – Stichworte „Seuchenrisiko“ und „Antibiotikaeinsatz“. Hier sind schon eine Reihe von Vorhaben abgeschlossen worden, wie zum Beispiel in Bezug auf die Gülleproblematik die Verbringungsverordnung. Andere Vorhaben sind gerade in der Mache. Hier spreche ich vom Düngegesetz oder auch von der Düngeverordnung. Eine wirksame Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes – ich glaube, da sind wir uns alle einig – ist unerlässlich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Weitere Maßnahmen müssen hier selbstverständlich folgen.

Als Tierschutzbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion möchte ich mich an dieser Stelle nun wieder dem Kernthema der artgerechten Nutztierhaltung widmen. Wichtige Impulse für die Diskussion um artgerechte Tierhaltung in Deutschland kann uns das bereits erwähnte Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ geben, und zwar nicht nur in Bezug auf das von Ihnen angesprochene Thema Bestandsobergrenzen. Der WBA hat konkrete Empfehlungen vorgelegt, wie man den Tierschutz in der Landwirtschaft auch schon kurzfristig verbessern kann.

Das Gutachten unterstützt in zentralen Punkten die Position der SPD-Bundestagsfraktion zur Nutztierhaltung. Es zeigt deutlich: Eine von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptierte Tierhaltung kann nur funktionieren, wenn beispielsweise folgende Maßnahmen zeitnah umgesetzt werden: die Einführung eines verbindlichen staatlichen Tierschutzlabels neben freiwilligen Initiativen, die Koordination aller Tierschutzaktivitäten durch den Bund in einem Bundesprogramm Tierwohl sowie die Bereitstellung von mehr Finanzmitteln für die zweite Säule der Agrarpolitik, um Tierschutzmaßnahmen tatsächlich entsprechend fördern zu können.

(Beifall bei der SPD)

Nun geht es darum, die konkreten Maßnahmen auch umzusetzen. Hier appelliere ich insbesondere an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und an Bundesminister Christian Schmidt. Was das Ministerium bisher in Sachen Umsetzung, gerade auch der Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats, hat verlauten lassen, reicht absolut nicht aus.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das stimmt!)

Beispielsweise ist in der Antwort auf die Kleine Anfrage, die die Grünen kürzlich zur Umsetzung der Empfehlungen gestellt haben, fast nur von „beobachten“ und „prüfen“ die Rede.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Meine Damen und Herren, so lassen sich keine Veränderungen herbeiführen.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

Mit dem Koalitionsvertrag haben wir eine gute Grundlage für Veränderungen hin zu mehr artgerechter Tierhaltung, und das WBA-Gutachten gibt da, wie gesagt, einen wichtigen neuen Input. Herr Bleser, meine Damen und Herren, nun kommt es darauf an, dass die Umsetzung tatsächlich erfolgt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Ostendorff für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6102478
Wahlperiode 18
Sitzung 133
Tagesordnungspunkt Artgerechte Tierhaltung
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