Claudia Lücking-MichelCDU/CSU - Studienchancen für Flüchtlinge
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns heute Abend einig: Viele Flüchtlinge, die zu uns kommen, bringen große Potenziale mit und die Hoffnung, mit der sie vielleicht in ein Hochschulstudium starten möchten. Unsere Aufgabe ist es, für die nötigen Rahmenbedingungen zu sorgen sowie dafür, dass Integration durch Bildung möglich wird. Ministerin Wanka war eines der ersten Mitglieder der Bundesregierung, das mit konkreten Bildungsmaßnahmen und nicht nur mit leeren Worten darauf reagiert hat; darüber habe ich mich sehr gefreut. 130 Millionen Euro zusätzlich will das BMBF für Flüchtlinge investieren. Von diesem Geld soll durchaus ein Gutteil in den Hochschulbereich fließen. Einige der Vorschläge aus Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, finden sich schon lange in dem Maßnahmenpaket von Frau Wanka: die zügige Bestandsaufnahme der Studierfähigkeit, die unbürokratische Anerkennung von Hochschulzugangsberechtigungen und erst recht der Ausbau fachsprachlicher und propädeutischer Studienvorbereitung.
Auch ich hatte mir vorgenommen, heute Abend besonders ausdrücklich und dankend das Engagement zu erwähnen, das bereits an ganz vielen Hochschulen erfolgt. Viele Beispiele haben wir gehört. Ich brauche sie nicht zu wiederholen, obwohl sie es wert wären. Ich will einmal ergänzend die Initiative der Universität Leipzig nennen, die geflüchtete Wissenschaftler in Kontakt mit deutschen Kollegen bringen will. Ein Beispiel aus meinem Wahlkreis, über das wir noch nichts gehört haben, ist die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, die schon mittel- und langfristige Kooperationen mit örtlichen Unternehmen und Verbänden plant, um eine Art internationale Talentakademie aufzubauen.
(Beifall bei der SPD)
Wie gut, zu sehen, dass unsere Studierenden sich auch dann engagieren, wenn es dafür noch lange keine Credit Points gibt. Dennoch ist es natürlich sinnvoll, das ehrenamtliche Potenzial, das sich hier zeigt, zu unterstützen, zum Beispiel – auch ein Vorschlag aus dem BMBF – indem studentische Hilfskräfte für die Koordination des ehrenamtlichen Engagements bezahlt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Bisher haben wir in dieser Debatte über den Wissenschaftsbetrieb bei uns im Land geredet. Das liegt auch nahe. Aber erlauben Sie mir, dass ich als Entwicklungspolitikerin zum Schluss auch noch einmal den Blick auf das lenke, was wir an Hilfe vor Ort leisten sollten. Jordanien, der Libanon, die Türkei und Marokko haben große Flüchtlingsgruppen aufgenommen. Sicher, satt und medizinisch versorgt, das sind die Basics. Aber dann kommt sehr schnell die Frage nach der Zukunft, und das heißt bei jungen Leuten: nach Bildung, gerade auch nach Hochschulbildung. Die jungen Menschen dort sollen doch auch Chancen auf ein qualitätsvolles Studium haben.
(Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Wie richtig!)
Es gibt dafür beispielhafte Ansätze. Ich will einmal das Stipendienprogramm des BMZ für junge Syrer und Jordanier nennen. Noch mit kleinen Fallzahlen, aber immerhin: Studierende sollen ein Masterstipendium für ein Studium an einer der vier jordanischen Partnerhochschulen bekommen können. Das ist aus meiner Sicht noch ein Tropfen auf den heißen Stein; aber es ist ein guter Ansatz und ein Programm, das unbedingt ausbauwürdig ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Dann müsste es weitergehen. Wir sollten Studienvorbereitungskurse auch vor Ort fördern, Stipendien für das Studium an Hochschulen in der Region vergeben. Ich denke auch an die Förderung von Ausgründungen deutscher Hochschulen durch das BMBF. Was ist mit der Türkisch-Deutschen Universität oder der Deutsch-Jordanischen Hochschule? Das sollten doch Partnerinstitutionen sein, an denen wir Flüchtlingen die Möglichkeit zur Aufnahme eines Studiums in ihrer Herkunftsregion geben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Insgesamt sehe ich die große Herausforderung, dass wir die Studierenden hier und dort nicht nur für die Aufgaben von heute und morgen, sondern auch für die Aufgaben von übermorgen befähigen müssen. Wo werden die Verantwortungsträger der Zukunft ausgebildet, wenn irgendwann – hoffentlich – der Krieg in Syrien zu Ende ist? Wer kann und will dann die Verantwortung für das Gemeinwesen dort übernehmen? Im Sinne eines Leadership-Programms braucht es heute Qualifikation und Ermutigung, damit die Menschen – wahrscheinlich erst übermorgen – verantwortlich die Zukunft in ihren Heimatländern gestalten können.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir beide Perspektiven, die nationale und die internationale, in unserer Bildungspolitik berücksichtigen, dann, so glaube ich, werden wir einen ganz wesentlichen Teil zur Bewältigung der Integrationsaufgabe und der Flüchtlingsfrage leisten können.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6102741 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 133 |
Tagesordnungspunkt | Studienchancen für Flüchtlinge |