Sabine Sütterlin-WaackCDU/CSU - Regelung der Sterbebegleitung
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nicht immer sind wir Parlamentarier in der Situation, dass unsere Meinung mit der Mehrheitsmeinung der Bevölkerung übereinstimmt. Bei unserem Antrag ist das weitgehend so. Nach einer letzten Umfrage aus dem Juni 2015 befürworten 81 Prozent der Bevölkerung Sterbehilfe, 43 Prozent gar die aktive Sterbehilfe. Aktive Sterbehilfe, das möchte ich betonen, spielt in unserer Debatte keine Rolle.
(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Ebenfalls hohe Zustimmungsraten dokumentieren Umfragen, ob private Sterbehilfeorganisationen in Deutschland erlaubt sein sollen.
Im parlamentarischen Verfahren, das wir heute, nach einem Jahr verantwortungs- und wertvoller Diskussion, abschließen wollen, haben alle vier Gesetzentwürfe zur Sterbebegleitung Kritik erfahren. Auf Einzelheiten muss ich hier nicht mehr eingehen. Sie wurden hinlänglich, auch heute, erörtert.
Wir beantragen dagegen, festzustellen, dass neue Straftatbestände hinsichtlich der Sterbehilfe nicht erforderlich sind.
(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Es sollte bei der jetzigen Rechtslage bleiben: Beihilfe zum Suizid bleibt straffrei, die Tötung auf Verlangen ist weiterhin strafbewehrt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wer die Grenze von der Hilfeleistung zur Tatherrschaft überschreitet, muss mit strafrechtlichen Ermittlungen rechnen. Das gilt selbstverständlich auch für die relativ neuen Sterbehilfevereine. Unser Rechtsstaat hat die notwendigen Instrumente. Ermittlungen erfolgen derzeit, wie wir alle wissen. Es gibt dazu eine gefestigte Rechtsprechung.
Ich habe Verständnis für diejenigen, die Sterbehilfevereine ablehnen, sei es aus moralischen Gründen, aber auch deswegen, weil sie eine Sogwirkung befürchten. Bis jetzt sprechen die Zahlen nicht für eine Sogwirkung. Von 100 000 Selbstmordversuchen im Jahr werden circa 10 000 beendet. Im Jahr 2014 hat die Sterbehilfe Deutschland – wir haben es schon gehört: die einzige Sterbehilfeorganisation in Deutschland – 44 Suizidbegleitungen durchgeführt. Das sind 0,4 Prozent aller Suizide.
Von einer Sogwirkung kann meines Erachtens auch deswegen nicht gesprochen werden, da die Selbstmordzahlen insgesamt von 18 000 in 1980 auf 10 000 in 2014 gesunken sind, und das obwohl wir seit dem Jahr 2008 Sterbehilfevereine in Deutschland haben. Auch verstärkte Suizidprävention und bessere Palliativversorgung können ein Grund für die gesunkenen Zahlen sein.
Ich weiß, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dass viele Gegner der Sterbehilfevereine befürchten, dass mit dem Tod Geschäfte gemacht werden.
(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Wird schon!)
Ich gebe allerdings zu bedenken, dass eingetragene Vereine keine wirtschaftlichen Zwecke verfolgen dürfen und ihnen bei Zuwiderhandlung der Vereinsstatus entzogen wird. Verstehen Sie uns bitte nicht falsch: Auch für uns haben sämtliche Hilfen und Beratungsangebote selbstverständlich Vorrang. Die Palliativmedizin muss weiter ausgebaut werden.
(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Aber, meine Damen und Herren, wir halten die uneingeschränkte Entscheidungsmöglichkeit eines jeden Einzelnen am Ende seines Lebens für so wichtig, dass wir keine Strafbarkeit des assistierten Suizids möchten.
(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, eindringlich darum, noch einmal zu überlegen, ob wir zum jetzigen Zeitpunkt wirklich Gesetzesänderungen brauchen. Sollte heute kein Gesetzentwurf eine Mehrheit bekommen, dann heißt das nicht, dass wir uns die Debatten, Arbeitstreffen und Anhörungen der letzten zwölf Monate hätten sparen können. Wir haben hier keine nutzlosen Debatten im Parlament und in der Gesellschaft geführt; denn wir haben mit der Diskussion, mit dem Austausch von weltanschaulichen Standpunkten, von ethischen und juristischen Fragen dazu beitragen, dass das Thema Tod, Leid und Sterblichkeit ein Stück mehr enttabuisiert wurde. Auch das ist ein Erfolg.
(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Bei jeder Diskussion, die ich zu diesem Thema bestritten habe, habe ich zitiert, was uns unser Bundestagspräsident Lammert bei der Orientierungsdebatte mit auf den Weg gegeben hat. Ich darf Sie, sehr geehrter Herr Präsident, zitieren:
Dabei wird der Gesetzgeber seine ganze Sorgfalt nicht nur der Frage widmen müssen, wo es zwischen individueller Selbstbestimmung auf der einen Seite und ärztlicher Verantwortung auf der anderen Seite Handlungs- und Regelungsbedarf gibt, sondern auch, ob überhaupt und wie dieser Handlungsbedarf in allgemeinverbindlichen gesetzlichen Regelungen überzeugend gelöst werden kann.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Elisabeth Scharfenberg ist die nächste Rednerin.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6105142 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 134 |
Tagesordnungspunkt | Regelung der Sterbebegleitung |