Bettina HornhuesCDU/CSU - Regelung der Sterbebegleitung
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In einer intensiven Debatte der vergangenen Monate fand eine umfangreiche Meinungsbildung und Meinungsschärfung statt, und dies nicht nur bei uns Parlamentariern. Selten wurde in der breiten Öffentlichkeit über ein Thema mit so viel Engagement diskutiert. Dies zeigt, dass es sich heute nicht nur um eine politische, sondern vor allem auch um eine ethische Diskussion handelt.
Ich persönlich habe mich nach intensiver Diskussion und gründlicher Abwägung entschlossen, dass ich den Gesetzentwurf der Kollegen Dr. Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger unterstütze; denn dies ist der einzige Gesetzentwurf, der sich gegen eine Legalisierung ausspricht. Die anderen Entwürfe, die heute zur Abstimmung stehen, legalisieren die Suizidbeihilfe von Angehörigen und Ärzten und unterscheiden sich nur in den Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Es darf meiner persönlichen Meinung nach keine Freigabe der Sterbehilfe in irgendeiner Form geben, vor allem aber keine kommerzielle und keine geschäftsmäßige Sterbehilfe. Hilfe beim Sterben und nicht Hilfe zum Sterben, den Tod begleiten und nicht herbeiführen – dieser Leitsatz steht für mich an erster Stelle. Den Grund möchte ich Ihnen gerne erläutern.
Als Arzttochter bin ich ein Leben lang von den Themen „Krankheit“ und „Tod“ begleitet worden. Es gab viele Patientenfälle, die meine Eltern aufgrund ihrer Schwere weit über das normale Patientengespräch hinaus beschäftigten. Aber eines kam für meine Eltern nicht infrage: dem Tod nachzuhelfen, war das Leid des Patienten noch so groß. Stattdessen wurden die Patienten begleitet, ihnen das Leiden erleichtert, psychologisch und therapeutisch, immer auf dem modernsten Stand wie bei vielen ihrer Standeskollegen.
Ich spreche mich gegen die Straffreiheit aus. Denn nicht nur ich stelle mir die Frage, wo bei einer Legalisierung die Grenze ist. Wird die Hemmschwelle so weit gesenkt, dass Suizid dann plötzlich hoffähig wird? Ein Artikel in der FAZ hat jüngst genau diese These bestätigt. Seit der Legalisierung der Tötung auf Verlangen und des assistierten Suizids in den Niederlanden ist die Hemmschwelle zur Selbsttötung stetig gesunken. Die Zahlen in den Niederlanden sprechen eine deutliche Sprache. Waren es 2005 noch 1 800 Fälle, steigerte sich die Zahl im Jahr 2014 bereits auf 5 300 Fälle. Diese Zahlen spiegeln deutlich wider, dass Sterbehilfe bei unseren Nachbarn zur Normalität geworden ist.
Die Untersuchungen zeigen auch, dass sich der Kreis derer, die Sterbehilfe in Betracht ziehen, deutlich erweitert hat. Waren es anfangs hauptsächlich Krebskranke und Aidspatienten, finden sich heute Patienten mit vielen verschiedenen Krankheitsbildern wie Demenz, psychiatrische Erkrankungen oder auch altersbedingte Beschwerden darunter. Stattdessen sollten wir unsere medizinischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte würdigen und die Forschung weiter unterstützen. Denn durch eine bestmögliche Palliativmedizin ist eine leidensarme Sterbebegleitung möglich. Hierbei stehen die Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität im Vordergrund. Das ist aus meiner Sicht auch der richtige Weg.
Viele schwerstkranke Patienten antworten auf die Frage, warum sie nicht mehr leben möchten, sehr häufig mit dem Wunsch, den Angehörigen nicht länger zur Last fallen zu wollen. Stellt man diese Patienten palliativmedizinisch ein und fragt nach ein paar Tagen nach, hat sich ihre Einstellung vollkommen geändert. Es ist ein Sinneswandel, der eintritt, wenn der Patient antwortet, dass er unter diesen Umständen – mit der richtigen therapeutischen Maßnahme – weiterleben möchte. Der Satz „Ich will nicht mehr leben“ müsste richtig heißen: Ich will so nicht mehr leben. – Diese Maxime sollten wir in unserer Gesellschaft verankern.
Deswegen war es auch so wichtig, dass wir gestern das Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland verabschiedet haben. An dieser Stelle möchte ich deshalb einen Dank aussprechen: an die Hospize und die vielen ehrenamtlichen Helfer genauso wie an die vielen pflegenden Angehörigen, die sich aufopferungsvoll einsetzen und ein würdiges Sterben bzw. eine Begleitung bis zum Tod ermöglichen, sei es in der ambulanten oder in der stationären Versorgung. Diesen Menschen ist Hochachtung entgegenzubringen, ganz im Gegensatz zu denjenigen Menschen, die aus dem Tod ein Geschäft machen, kommerzielle Sterbehilfe betreiben und aus dem Leid anderer Kapital schlagen. Denn wer kann uns garantieren, dass diese Ärzte und Sterbehilfevereine den Schwerstkranken gegenüber die Abwägung ermöglichen? Ich sehe zudem die Gefahr, dass Mitleid die Bewertung zur Sterbehilfe beeinflusst. Das darf meiner Ansicht nach nicht passieren.
(Beifall des Abg. Hubert Hüppe [CDU/CSU])
Die Gesetzentwürfe des Kollegen Hintze und der Kollegin Künast öffnen dagegen Tür und Tor für etwas, das nicht zu kontrollieren ist. Diese Lasten dürfen und sollten wir niemandem auferlegen.
Frau Kollegin.
Schließen möchte ich mit einem Zitat unseres ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau, der sagte:
Wo das Weiterleben nur eine von zwei legalen Optionen ist, wird jeder rechenschaftspflichtig, der anderen die Last seines Weiterlebens aufbürdet.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Brigitte Zypries.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6107039 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 134 |
Tagesordnungspunkt | Regelung der Sterbebegleitung |