Maria FlachsbarthCDU/CSU - Regelung der Sterbebegleitung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tod und Sterben sind schrecklich – immer. In ihrem Absolutheitsanspruch zerstören sie alle Gewissheiten und Beziehungen des täglichen Lebens. Glücklich ist, wer im Glauben Trost und Halt finden kann.
Bis zuletzt selbstbestimmt zu leben, meine Angehörigen und mich selbst vor vermeidbarem Leid und Schmerz zu bewahren, ist doch ein nur allzu verständlicher Wunsch aller Menschen. Auch wenn diese Debatte sich um den assistierten Suizid dreht, so lassen Sie mich doch zunächst die bereits bestehenden, rechtlich möglichen Instrumente aufführen, im Rahmen derer die Gestaltung des letzten Lebensabschnittes selbstbestimmt möglich ist.
Solange der Patient oder die Patientin bei klarem Bewusstsein ist, kann er oder sie ohnehin frei für sich bestimmen, welche Therapien begonnen, fortgeführt oder auch abgebrochen werden sollen. Mein eigener Vater hat schon vor über 20 Jahren den Abbruch einer Therapie verfügt und ist in der Folge nach wenigen Wochen gestorben. Für den Fall der eigenen Entscheidungsunfähigkeit gibt es die Vorsorgevollmacht und die Patientenverfügung zur Festlegung von Therapiegrenzen.
Braucht es vor diesem Hintergrund eigentlich die Beihilfe zum Suizid als alltägliche Dienstleistung zur würdigen Bewältigung des letzten Lebensabschnitts? Ich bin dezidiert der Meinung: Nein.
Wir sind durch unser Grundgesetz, Artikel 1 und 2, sowohl der Menschenwürde als auch der freien Selbstbestimmung verpflichtet – auch im Sterben. Deshalb stelle ich auch nicht in Abrede, dass schwerstkranke Menschen im Einzelfall trotz guter palliativer Versorgung ihrem Leben bewusst ein Ende setzen wollen. Der Selbstbestimmung kann es in einzelnen Fällen entsprechen, der Bitte eines Menschen nachzukommen, ihm zu helfen, seinem Leben ein Ende zu setzen. Deshalb werden wir diese Gewissensentscheidung nicht strafrechtlich bewerten.
Doch es ist und bleibt vordringliche Aufgabe des Staates, das menschliche Leben und seine Unversehrtheit zu schützen, wie Artikel 2 Satz 2 Grundgesetz es gebietet. Es geht deshalb nicht darum, alle auf eine bestimmte Weltanschauung zu verpflichten, auch wenn ich für mich selbst als Grundlage das Christentum nicht verleugnen will. Es geht vielmehr darum, als weltanschaulich neutraler Staat das Grundrecht auf Lebensschutz wirksam zu garantieren. Ich bin überzeugt, dass diese staatliche Verpflichtung besonders in den verletzlichen Phasen des Lebens gilt. Nach vielen Gesprächen im letzten Jahr habe ich immer wieder von Ärzten und in der Hospiz- und Palliativmedizin tätigen Menschen gehört, dass die allermeisten schwer leidenden Patienten zwar nicht mehr leiden, aber sehr wohl leben wollen.
(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Richtig!)
Diesen Menschen und ihren Angehörigen beizustehen, sie auf ihrem schweren Weg medizinisch kompetent und menschlich einfühlsam zu begleiten, das ist Anliegen des Gesetzes zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung, das wir gestern verabschiedet haben – ein absolut wichtiger und notwendiger Schritt. Wir werden uns in Zukunft noch intensiver um die Suizidprävention kümmern müssen; denn gerade denjenigen Menschen, die verzweifelt, schwerstkrank, einsam oder lebensmüde sind, müssen wir als humane Gesellschaft doch andere Angebote unterbreiten als die Beihilfe zu einem Suizid.
(Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Die Entwicklungen in den Niederlanden und in Belgien in den letzten Jahren sind höchst besorgniserregend. Professor Boer gehörte bis 2014 der niederländischen Kontrollkommission an und berichtet nun, dass Suizidbeihilfe und sogar Tötung auf Verlangen dort eben längst nicht mehr nur ein letzter Ausweg aus schwerem Leiden bei aussichtsloser körperlicher Krankheit sind. Zudem sind die Zahlen der assistierten Suizide und der Suizide allgemein in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die Zahl der Suizide sinkt eben nicht, wenn, wie manchmal suggeriert wird, der assistierte Suizid rechtlich möglich und damit gesellschaftsfähig wird.
Ich habe die Sorge, dass, wenn Suizid und die Beihilfe dazu zu einer scheinbar selbstverständlichen Option am Lebensende würden, sich dann Menschen, die – egal in welcher Lebensphase – auf Hilfe angewiesen sind, womöglich eines Tages dafür rechtfertigen müssen, diesen Schritt nicht zu gehen. Das ist für mich eine humane Katastrophe.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Ich werbe dafür, das Verbot der geschäftsmäßigen Formen der Suizidbeihilfe heute gesetzlich zu regeln. Das ist absolut notwendig – das zeigen die Debatten der letzten zwölf Monate –; denn sonst würden wir den Sterbehilfeorganisationen einen Persilschein ausstellen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Der beste Weg dazu ist meiner festen Überzeugung nach der Gesetzentwurf Brand/Griese. Durch das strafrechtliche Verbot geschäftsmäßiger Beihilfe zum Suizid wird wirksam verhindert, dass in unserem Land Suizidbeihilfe als scheinbar gängige Dienstleistung betrieben werden kann. Zugleich lässt er Ausnahmen in den bislang sehr engen Grenzen und damit Raum für individuelle Suizidbeihilfe im absoluten Einzelfall zu.
Noch zwei Anmerkungen zum Schluss, um zwei Missverständnisse klarzustellen:
Erstens. Palliative Sedierung ist vom so geforderten Verbot nicht betroffen, sondern steht genauso wie bislang als ärztliche Maßnahme zur Verfügung, um einen Menschen am Lebensende von Schmerzen und Leid zu entlasten.
Zweitens. Personen, die als Angehörige oder auch als Ärzte in den fraglichen Einzelfällen einem Menschen helfen, in Selbstbestimmung sein Leben zu beenden, werden durch dieses Gesetz nicht kriminalisiert; darauf ist mehrfach hingewiesen worden. Bei der Anhörung wurde ganz klar definiert: willentlich, auf Wiederholung angelegtes Handeln – das meint der Begriff der Geschäftsmäßigkeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf Brand/Griese/Vogler/Terpe wird sowohl dem Lebensschutz als auch der Selbstbestimmung gerecht. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Halina Wawzyniak das Wort.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der CDU/CSU und der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6107230 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 134 |
Tagesordnungspunkt | Regelung der Sterbebegleitung |