Karin MaagCDU/CSU - Lohngleichheit für Frauen und Männer
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir im Jahr 2015 trotz klarer verfassungsrechtlicher Vorgaben und trotz eines AGG, das CDU/CSU, SPD und Grüne gemeinsam beschlossen haben, noch immer eine Entgeltungleichheit anprangern müssen – da haben die Grünen recht –, ärgert mich wirklich ganz persönlich. Dass die unbereinigte Entgeltlücke bei 22 Prozent liegt und, abhängig von Regionen und Branchen, schwankt und dass diese Lohnlücke mit zunehmender Qualifikation sogar steigt, ärgert mich auch.
Dort, wo es Tarifverträge gibt, wird es besser. Frauen profitieren von der Tarifbindung stärker als Männer. Was mich aber ganz persönlich auf die Palme bringt – da bin ich wirklich oben –, ist die sogenannte bereinigte Entgeltlücke,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
also das, was herauskommt, wenn Teilzeitarbeit und der Einfluss von Berufswahl und Branchen herausgerechnet werden. Unabhängig davon, ob das nun 7 Prozent oder nur 2,2 Prozent sind – je nach Berechnung –, bleibt es eine Entgeltlücke, und das ist ein Skandal.
(Beifall der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Vor allem die Beseitigung der bereinigten Entgeltlücke müssen wir dringend angehen. Dort ist die Diskriminierung ganz offensichtlich. Genau deshalb – Frau Ferner hat es ja schon gesagt – haben wir uns im Koalitionsvertrag auch zu den notwendigen Maßnahmen bekannt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Hier muss vor allem Transparenz hergestellt werden. Dort, wo Unterschiede offengelegt werden, kann diese unterschiedliche Vergütung nicht mehr fortgeführt werden. Deshalb wird der Bericht zur Entgeltgleichheit verbindlicher Bestandteil des Lageberichts im HGB.
Berichtspflichtig, liebe Frau Müller-Gemmeke, werden damit Betriebe ab 500 Beschäftigten. Das halte ich persönlich für richtig; denn wenn die Regelung nur noch unter dem Label „Noch mehr Bürokratie für die Wirtschaft“ läuft – egal ob man das nun gut findet oder nicht –, dann wird die Akzeptanz insgesamt fehlen. Von daher ist es aus meiner Sicht richtig, dass wir nur die Unternehmen erfassen, die ohnehin einen Lagebericht erstellen müssen, und dass wir diese entsprechend verpflichten. Diese Unternehmen haben dann zumindest die Gelegenheit, darzustellen, welche Maßnahmen sie zur Herstellung von Entgeltgleichheit einleiten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frauen haben doch ein Auskunftsklagerecht!)
Auf diese Berichtspflicht aufbauend, wird es dann den individuellen Auskunftsanspruch geben. Wir wollen den Auskunftsanspruch für die Beschäftigten mit vergleichbarer oder gleichwertiger Tätigkeit. Dabei geht es um die Art der Tätigkeit, zum Beispiel im IT-Bereich oder im Marketing. Es geht ebenso um Führungs- und Fachlaufbahnen. Es geht auch darum, dass wir die Frauen in die Lage versetzen, die Gehaltsstrukturen zu kennen, damit sie besser verhandeln können. Wir wollen nicht, dass der Herr Meier nun fürchten muss, dass die Frau Müller weiß, was er verdient. Diesen Unfrieden wollen wir nicht in die Betriebe bringen. Wir brauchen aber ein verbindliches Verfahren, das dafür sorgt, dass die Unternehmen in eigener Verantwortung mögliche Entgeltdiskriminierungen beseitigen können.
Wichtig ist mir persönlich dabei, dass wir den Unternehmen zwar vorgeben, dass sie ein solches Verfahren anwenden müssen. Welches Verfahren für den einzelnen Betrieb nun sinnvoll ist und wie eine solche Methodik aussehen kann, die hohe Aussagekraft hat und die trotzdem mit den Daten, die der Betrieb bereits generiert hat, arbeiten kann – ob das Logib-D, ob das eg-check oder eine andere Software ist, die im Moment entwickelt wird –, dazu will ich keine Vorgaben machen. Jedenfalls muss dabei herauskommen, dass das Unternehmen aus dieser Analyse konkrete Handlungsoptionen ableiten kann.
Wenn hier strukturelle Ungleichheiten gefunden werden, dann müssen die Unternehmen natürlich nachbessern. Ein Rechtsschutz – das geht jetzt in Richtung Grüne – ist aus meiner Sicht ausreichend vorhanden. Der Antidiskriminierungsstelle eine Kontrollbefugnis oder andere vergleichbare übergriffige Kompetenzen einzuräumen, ist meines Erachtens nicht nötig.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit Verbandsklagerecht?)
Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, reden wir von der unbereinigten Lohnlücke, von den 22 Prozent. Diese Zahl hat aus meiner Sicht einen eher symbolischen Charakter. Sie ist natürlich ein Beleg dafür, dass in unserer Gesellschaft vieles noch nicht stimmt; da bin ich ganz bei Ihnen. Mir ist aber wichtig, dass wir die eben beschriebenen und dringend notwendigen Maßnahmen für die Beseitigung der realen Entgeltdiskriminierung in Höhe von 2 oder 7 Prozent nicht mit der Lösung für gesamtgesellschaftliche Probleme in einen Topf werfen.
Um diese unbereinigte Entgeltlücke zu schließen – da bin ich ganz bei Ihnen –, bedarf es eben nicht nur eines Gesetzes, sondern da brauchen wir ein Bündel von Maßnahmen. Da geht es zum Beispiel um die Aufwertung von Tätigkeitsfeldern, aber auch genauso um die Änderung von Rahmenbedingungen.
Bei den Tätigkeitsfeldern sind auch die Tarifpartner in der Pflicht – da lehne ich mich jetzt einigermaßen entspannt zurück –, und deshalb schauen wir gemeinsam mit den Tarifpartnern, wie einzelne Tätigkeitsfelder geschlechtergerecht bewertet und aufgewertet werden können. Natürlich muss sich – auch da bin ich bei Ihnen – in den Berufsfeldern der Sorgearbeit, also Pflege, Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung, einiges tun. Da brauchen wir, liebe Frau Kollegin, mehr Frauen in den Tarifkommissionen. Ich bin gern bereit, mich da für eine Quote einzusetzen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wenn wir über Rahmenbedingungen sprechen, dann ist mir wichtig, hervorzuheben, dass wir in den letzten Jahren unter unionsgeführten Regierungen die Situation für die Frauen auf dem Arbeitsmarkt deutlich verbessert haben. Da nenne ich vor allem die Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Unter Ursula von der Leyen wurde der Rechtsanspruch auf einen Krippen- und Kitaplatz eingeführt. Ich nenne hier den Kitaausbau, an dem sich der Bund nachhaltig und auch weiterhin beteiligt, obwohl dafür die Länder zuständig sind. Ich nenne hier auch die Familienpflegezeit und das Pflegestärkungsgesetz. Ich nenne die Frauenquote und vor allem auch die Mütterrente; denn die Entgeltlücke nehmen die Frauen ja auch in die Rente mit. Eine Rentenlücke von 59 Prozent bedeutet eine massive Ungerechtigkeit. Ich bin wirklich froh, dass wir zu Beginn der Legislaturperiode die notwendigen Schritte eingeleitet haben: Das durchschnittliche Alterseinkommen der Frauen ist mit der Mütterrente schon heute um knapp 10 Prozent gestiegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dennoch bleibt – zugegeben – viel zu tun.
Zeit für Familie darf kein Karrierekiller sein. Deswegen muss es nach einer familienbedingten Aus- oder Teilzeit auch das Recht geben, wieder zur ursprünglichen Arbeitszeit zurückzukehren. Wir müssen und werden das Teilzeitrecht entsprechend überarbeiten und endlich einen Anspruch auf befristete Teilzeitarbeit einführen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätte man schon längst machen können!)
Führungspositionen sind noch immer Männerdomänen. Ab Januar greift die fixe Quote für die Aufsichtsräte. An die Adresse derjenigen, die jetzt die Zielquoten für die Vorstände und die darunterliegenden Ebenen sehr zögerlich umsetzen, und an die Adresse der wenig Ambitionierten, die auch noch nicht sehen, dass Frauen in Führungspositionen kein Wettbewerbsnachteil sind: Ich kann Ihnen versichern, dass ich mit meinen Kolleginnen in der Fraktion und mit Ihnen ein Auge darauf haben werde. Wir werden evaluieren. Ich werde mir gegebenenfalls gerne Mitstreiterinnen für die Nachbesserung suchen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben vorhin die Berufswahl genannt. Natürlich müssen wir den Frauen und Mädchen auch die Branchen schmackhaft machen, die bislang männerdominiert waren. Dazu gehört aber eine vernünftige Studien- und Berufsberatung. Da müssen Verdienstaussichten und Aufstiegschancen besprochen werden. Als 18- oder 25-Jährige denkt man noch nicht daran, was die Berufswahl für die spätere Rente bedeutet.
Mir ist ein Punkt ganz wichtig.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Oh Gott, noch einer!)
– Sie müssen es sich anhören, meine Damen. – Die Messlatte der Union ist nicht das berufliche Arbeitsvolumen von Frauen. Mir ganz persönlich, aber auch den Frauen in der Union geht es nicht darum, möglichst viele Frauen in möglichst viele Stunden Erwerbsarbeit zu drängen. Unsere Messlatte ist allein die Antwort auf die Fragen: Wie wollen Frauen ihre individuelle Berufstätigkeit und Familienarbeit vereinbaren? Wie können wir – da sehe ich mich sehr in der Pflicht – die Rahmenbedingungen dazu setzen und verbessern?
Wir wollen die Wahlfreiheit für die Mütter und Töchter. Sie selbst sollen bestimmen können, wie viel Zeit sie in welcher Lebensphase und in welchem Bereich brauchen. Dies gilt selbstverständlich auch für die Väter und Söhne.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so oder so: Entgeltdiskriminierung muss und wird zeitnah – da sehe ich die Familienministerin und die Arbeitsministerin in der Pflicht – ein Ende haben.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat die Kollegin Ulle Schauws für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6107556 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 134 |
Tagesordnungspunkt | Lohngleichheit für Frauen und Männer |