Clemens BinningerCDU/CSU - Einsetzung des 3. Untersuchungsausschusses
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Möglicherweise haben wir gedacht, als wir vor etwa drei Jahren den 1. Untersuchungsausschuss eingesetzt haben, dass es nicht noch einmal notwendig sein wird, dieses Thema im Rahmen eines weiteren parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu beleuchten. Nun sind wir heute zusammengekommen, um genau das zu beschließen. Bevor ich begründen will, warum ich der festen Überzeugung bin, dass das notwendig und richtig ist, will ich noch einmal an die Arbeit des 1. Untersuchungsausschusses erinnern.
Es war eine Verbrechensserie, die alle in diesem Land erschüttert hat. Wir haben uns gefragt: Wie konnte es sein, dass ein Terrortrio und sein rechtsextremes Umfeld hier so lange agiert haben, ohne dass man es bemerkt und als solches erkannt hat?
Ein Präsident einer Sicherheitsbehörde hat damals gesagt: Das war eine Niederlage für die Sicherheitsbehörden. – Ich gehe ein Stück weiter – ich bin in den Debatten immer ein Stück weiter gegangen –: Dass hier die Morde geschehen konnten, dass man sie nicht als solche erkannt hat, dass Opfer durch die Art der Ermittlungen noch einmal zu Opfern gemacht wurden, dass man die Gefahr des rechten gewaltbereiten Extremismus unterschätzt hat, sie auch nicht sehen wollte, war eine Niederlage für unsere gesamte Gesellschaft und darf sich nicht wiederholen.
(Beifall im ganzen Hause)
Mit diesem Befund war uns auch sehr schnell klar, dass dieses Thema keine Parteipolitik verträgt. Das ist nicht ganz einfach, weil wir wissen – so seriös muss man miteinander umgehen –, dass wir zu der Arbeit der Sicherheitsbehörden, zu manchen Instrumenten – Stichwort: V-Leute – oder zum Umgang mit und zu der Bewertung von Nachrichtendiensten natürlich unterschiedliche politische Meinungen haben. Die gehen auch nicht dadurch weg, dass man in einem Untersuchungsausschuss zusammenarbeitet.
Aber die Leistung des ersten Ausschusses war – so viel Selbstlob sei gestattet –, dass wir diese politischen Unterschiede beiseitegelassen und gesagt haben: Wir konzentrieren uns auf die Aufklärung. Wir konzentrieren uns darauf: Warum ist es nicht gelungen, das Trio nach dem Untertauchen zu finden? Warum ist es nicht gelungen, dass der Verfassungsschutz besser mit der Polizei zusammengearbeitet hat? Warum hat man das V-Leute-Instrument so eingesetzt, wie man es eingesetzt hat? Ich habe damals gesagt: Aufwand und Risiko, das man mit diesen Leuten eingeht – sie bleiben ja Neonazis, auch wenn sie dem Staat Informationen liefern –, standen in keinem Verhältnis zum Erkenntnisgewinn.
(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Das waren unsere Schwerpunkte. Daran haben wir uns orientiert.
Es waren viele Bundesländer betroffen. Es waren alle Parteien irgendwann einmal in einer Regierung vertreten. Deshalb konnte auch keiner sagen: Jemand ist schuld. – Wir haben am Ende 47 Empfehlungen ausgesprochen, von denen wir einen Teil bereits umgesetzt haben, wobei die anderen immer wieder von uns allen gemeinsam überprüft werden. Jetzt stellt sich die Frage: Ihr habt untersucht, ihr habt 47 Empfehlungen ausgesprochen, warum noch einmal ein Ausschuss?
Dazu will ich die Geschichte dieser Legislatur erzählen, nämlich dass wir eine Berichterstatterrunde gebildet haben, die dieses Thema weiterhin verfolgt hat: Frau Mihalic, Frau Högl, Frau Pau und ich. Wir haben natürlich auch während der letzten Jahre Fragen gehabt. Eine der Kernfragen war: Kann es wirklich sein, dass der NSU nur ein Trio war, oder sind nicht Zweifel angebracht? Wir haben Fragen, die aufgetreten sind, immer wieder im Innenausschuss gestellt. Es ist uns aber auch von der einen oder anderen öffentlichen Stelle bedeutet worden: Jede Frage, die euch interessiert, werden wir nicht beantworten, da ihr kein Untersuchungsausschuss seid.
Also, es war klar, dass wir mit den bisherigen Instrumenten an eine natürliche Grenze kommen. Auch deshalb haben wir gesagt: Wenn wir dem tiefer auf den Grund gehen wollen, dann brauchen wir einen Untersuchungsausschuss. Wir sind es, glaube ich, auch unverändert – das war unser Versprechen an die Familien der Opfer – den Familien der Opfer, den ausländischen Mitbürgern, die betroffen waren, aber auch allen anderen schuldig, dass wir alles tun, um mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Das ist auch unsere Aufgabe, Aufgabe der Sicherheitsbehörden natürlich auch.
Wir sind keine Ersatzermittler, aber natürlich werden wir uns mit der Arbeit von Ermittlungsbehörden noch einmal auseinandersetzen müssen, auch mit der Arbeit der Dienste. Auch die Frage, ob es wirklich sein kann, dass es keinen einzigen V-Mann gab, der nicht einmal den Aufenthaltsort des Trios kannte, ist etwas, was einen zu Recht zweifeln lässt. Auch die Frage, ob die Polizistin in Heilbronn wirklich ein Zufallsopfer war, und natürlich die Dinge, die wir beim ersten Mal nicht aufarbeiten konnten, weil uns die Zeit gefehlt hat, die Ereignisse am 4. November 2011 in Eisenach und in Zwickau, spielen eine Rolle.
Anders als beim ersten Mal können wir auf fundiertes Wissen von uns selber zurückgreifen. Beim ersten Mal hatten wir 12 000 Leitz-Ordner durchzuarbeiten, wir hatten, glaube ich, etwa 100 Zeugen in kurzer Zeit zu befragen, es gab nur wenige oder gar keine Ausschüsse in den Ländern, die Ermittlungen liefen noch. Heute greifen wir auf mehr zurück und können sehr gezielt und sehr konkret an den wichtigen Fragen arbeiten und dann hoffentlich auch Schlüsse ziehen.
Ich bin – das war ich beim letzten Mal auch, aber dieses Mal bin ich es noch mehr – fest davon überzeugt, dass die Kolleginnen und Kollegen, die in diesem Ausschuss mitarbeiten, so sehr von dem Willen getragen sind, es überparteilich zu tun, dass wir auch bei diesem Ausschuss die Parteipolitik auf der Seite lassen, im Interesse der Sache überfraktionell arbeiten, niemanden schonen, aber auch niemanden vorführen, in der Kritik klar und präzise sind, aber nicht unfair und dass wir das, was wir vielleicht einmal im Streit zu besprechen haben – den wird es auch geben –, unter uns regeln.
Wir haben erfahrene Kollegen, die schon beim ersten Mal dabei waren, die jetzt wieder mitarbeiten. Wir haben Kollegen, die neu dabei sind und mit großem Interesse am Thema mitarbeiten. Wir haben auch Kollegen mit Erfahrung aus praktischer Arbeit in Sicherheitsbehörden. Das wird sicherlich eine Hilfe sein. Deshalb lassen Sie uns, ohne dass ich zu viele Erwartungen wecken will, etwas tun, was Aufgabe des Parlaments ist, die Kontrolle der Exekutive, die Aufarbeitung von einem wirklich schwierigen Sachverhalt, und versuchen, so viel Klärung zu erreichen, wie es einem Parlament mit seinen Instrumenten möglich ist, und das alles gemeinsam und überparteilich.
Herr Kollege Binninger, kommen Sie bitte langsam zum Schluss.
Es passiert mir ganz selten, dass ich die Zeit überziehe.
Aber jetzt schon ganz massiv.
Es waren ein paar Sekunden, aber okay. – Schlusssatz von mir: Ich glaube, dass wir gerade in diesen Tagen, in denen wir fremdenfeindliche Gewalt erleben müssen, in denen Rechtsextremismus Zulauf bekommt, mit einer seriösen Arbeit ein klares politisches Signal setzen, dass in unserem Land niemand Angst haben soll vor Gewalt, vor Verfolgung und wir an der Seite derer stehen, die diese Unterstützung brauchen. Fremdenfeindlichkeit hat in unserem Land keinen Platz.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Es ist so: 60 Sekunden sind eine Minute. Es sind zwar nur einige Sekunden jeweils, aber es summiert sich.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6137222 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 135 |
Tagesordnungspunkt | Einsetzung des 3. Untersuchungsausschusses |