Volker UllrichCDU/CSU - Einsetzung des 3. Untersuchungsausschusses
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor gut vier Jahren ist die Terrorzelle des NSU enttarnt worden. Diese Enttarnung hat zu einem Schock und zu Sprachlosigkeit geführt, weil sie uns aufgezeigt hat, wie verwundbar unsere Werte und unsere Freiheit sein können. Zahlreiche offene Fragen haben sich uns gestellt.
Der 17. Deutsche Bundestag hat einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, um Fragen einer Beantwortung zuzuführen und Erkenntnisse umzusetzen. Die ersten Erkenntnisse sind bereits umgesetzt worden. Wir haben beispielsweise die Befugnisse des Generalbundesanwalts gestärkt, um rechtsterroristische und rechtsextreme Straftaten besser verfolgen zu können. Diese Arbeit trägt erste Früchte. Man sieht das beispielsweise bei dem uns alle sprachlos machenden Attentat auf Henriette Reker: Der Generalbundesanwalt konnte die Ermittlungen übernehmen. Nach der bis Juni dieses Jahres geltenden Rechtslage hätte er das nicht gekonnt. – Das zeigt, dass wir schon einiges umgesetzt haben.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Wir setzen heute einen weiteren Untersuchungsausschuss ein, nicht, weil eine parlamentarische Minderheit etwas untersuchen möchte, was die parlamentarische Mehrheit möglicherweise zu verantworten hat, auch nicht zum Zwecke der Untersuchung von Regierungshandeln, sondern wir setzen den Untersuchungsausschuss gemeinsam ein, getragen von einem gemeinsamen Interesse an der Aufklärung. Wir wollen aufklären, nicht um einer historisch richtigen Geschichtsschreibung willen, sondern weil wir das den Opfern und ihren Angehörigen schuldig sind. Aber wir müssen auch unseretwegen aufklären, weil wir verhindern müssen, dass ähnliche Straftaten in Zukunft wieder passieren können.
Es sind viele Fragen offen – ich meine, zu viele Fragen –: Was ist im Umfeld des 25. April 2007 in Heilbronn passiert? Was ist am 4. November 2011 in Eisenach geschehen? Wie konnte dieses Trio – und war es denn überhaupt ein Trio – fast ein Jahrzehnt lang unentdeckt bleiben? Wir müssen uns auch fragen: Welche strukturellen und kriminellen Netzwerke liegen dieser Bande zugrunde? Gab es Verbindungen zur organisierten Kriminalität, zu Rockern, zu internationalen Netzwerken?
Meine Damen und Herren, durch diese Aufklärungsarbeit können die Taten nicht ungeschehen gemacht werden; aber die Erkenntnisse sind wichtig, damit der wehrhafte Rechtsstaat daraus Lehren ziehen kann, damit er es besser machen kann. Damit können wir aktiv für unsere Werte, die uns wichtig sind, eintreten. Wir werden diese Erkenntnisse auch umsetzen müssen. Wir müssen uns fragen, ob wir die Erkenntnisse von V-Leuten und die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden nicht weiter optimieren können. Wir müssen uns fragen, ob wir im Bereich der Bekämpfung des Extremismus und des Terrorismus die Verbindungen zwischen Bund und Ländern noch besser machen müssen. Und wir müssen uns auch fragen, welche Normen wir im Bereich der Gerichtsverfassung und der Strafprozessordnung optimieren müssen, um ein klares Signal dieses Rechtsstaats zu setzen.
Ich will davor warnen, an diesen Ausschuss zu hohe Erwartungen zu knüpfen. Wir können nicht alle Fragen, die es in unserem Land gibt, abschließend beantworten. Aber wir können einen wichtigen, einen sehr wertvollen Beitrag dazu leisten, dass unser Rechtsstaat klar und deutlich kommuniziert: Die Würde des Menschen, die Freiheit der Person und die demokratisch legitimierte Auseinandersetzung ohne Gewalt und ohne Hass sind konstitutiv für unser Land. Wir werden daran arbeiten, dass das klare Signal ausgeht: Diese Werte stehen nicht zur Disposition.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Wir werden aufklären, weil wir uns den Werten des Grundgesetzes verpflichtet sehen. In diesem Sinne: Lassen Sie uns gemeinsam und von gemeinsamer Verantwortung getragen an die Arbeit gehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6137327 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 135 |
Tagesordnungspunkt | Einsetzung des 3. Untersuchungsausschusses |