Ulla Schmidt - Aktuelle Stunde zur Statusfrage syrischer Flüchtlinge und zum Familiennachzug
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Menschlich ist es total nachvollziehbar, wenn ein Flüchtling seine Familie nachholen will. Ich würde es genauso tun,
(Beifall der Abg. Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und wir alle würden es uns genauso wünschen und es genauso machen.
(Volker Beck (Köln) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie hätten sogar die Verfassung auf Ihrer Seite!)
Wer aber in und für Deutschland Verantwortung trägt, muss auch abwägen, was das für unser Land bedeutet.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um die Menschen!)
Wenn ein Innenminister das bedenkt, dann ist das möglicherweise nicht populär und wird von der Opposition kritisiert,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aufs Schärfste! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vom Bundeskanzleramt ist das kritisiert worden! Kennen Sie Herrn Altmaier?)
aber dann macht er nichts anderes als seine Arbeit, und er verdient die Unterstützung meiner Fraktion und unsere Anerkennung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Bereits heute halten sich mehr als 300 000 syrische Flüchtlinge in Deutschland auf, von denen ein sehr großer Teil den GFK-Flüchtlingsstatus erhalten hat. Diesen Status will ihnen derzeit auch niemand nehmen. Das heißt in der Konsequenz aber auch: Bereits heute müssen wir mit einem Familiennachzug in einer nie dagewesenen Dimension rechnen. Wenn wir die bisherige Anerkennungspraxis fortsetzen, geht es möglicherweise um einen Familiennachzug von vielen Hunderttausend Menschen,
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Reine Spekulation!)
ohne – ich betone: ohne – dass ein anerkannter Flüchtling nachweisen müsste, dass er den Lebensunterhalt für seine nachziehende Familie sichern kann oder über ausreichenden Wohnraum verfügt. Das würde in der Sache nichts anderes bedeuten, als dass zwar mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, dafür aber umso sicherer eine zweite Flüchtlingswelle auf unser Land zurollt, während wir bereits mit äußerster Anstrengung noch an der ersten Flüchtlingswelle arbeiten und diese kaum bewältigen können.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kinder und Frauen nennen Sie die „Flüchtlingswelle, die auf uns zurollt“! Schämen Sie sich für Ihre Wortwahl!)
Deswegen bin ich überzeugt: Wir müssen den Familiennachzug begrenzen, um das zu tun, was wir tun wollen, nämlich denen, die an Leib und Leben bedroht sind, auch in Zukunft Aufnahme zu gewähren.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie nennen sich christlich! Schämen Sie sich!)
– Wer so laut schreit, Herr Hofreiter, hat in der Regel schon wegen der Lautstärke des Zwischenrufs nicht recht.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ausnahmen bestätigen die Regel!)
Aber jetzt hat der Kollege Strobl das Wort. – Bitte schön.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist eine Schade, was er sagt!)
Ich will in diesem Zusammenhang drei Punkte zurechtrücken:
Erstens. Es wird behauptet, subsidiärer Schutz sei gar kein Schutz oder eine Art Schutz light. Richtig ist: Subsidiär Schutzberechtigte sind Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention weitgehend gleichgestellt. Sie erhalten die gleichen sozialen Leistungen, dieselben Arbeits- und Integrationsmöglichkeiten. Vor allem gilt aber eines: Subsidiärer Schutz besteht, solange ein Konflikt anhält und eine Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich ist. Nur der Aufenthaltstitel wird zunächst nur für ein Jahr gewährt, in der Folge aber immer für zwei weitere Jahre verlängert. Es ist ganz klar, und alle anderen Behauptungen sind grober Unfug: Wir schicken niemanden in ein Bürgerkriegsland zurück. Das ist grober Unfug, was Sie hier erzählen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Was ist mit Afghanistan?)
Zweitens wird behauptet: Wer den Familiennachzug einschränkt, lässt Familien im Bürgerkrieg zurück.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wo denn sonst?)
Richtig ist: Für den Familiennachzug muss ein Visum an einer unserer Botschaften beantragt werden.
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das dauert auch schon anderthalb Jahre!)
Der allergrößte Teil der syrischen Flüchtlinge kommt nicht unmittelbar aus den Bürgerkriegsgebieten, sondern aus den Flüchtlingslagern in der Türkei, in Jordanien und im Libanon. Dort ist die Situation sicherlich sehr, sehr schwierig. Aber lebensbedrohlich ist das nicht unmittelbar. Wir setzen vor allem in Deutschland alles, wirklich alles daran, dass in diesen Einrichtungen in der Türkei, in Jordanien und im Libanon die Lebensverhältnisse besser werden. Wir, diese Bundesregierung – allen voran Angela Merkel, die Bundeskanzlerin –, arbeiten daran, dass es in der Türkei für die Menschen bessere Lebensverhältnisse gibt und dass sie Arbeitsmöglichkeiten bekommen. Wir unterstützen die Bundeskanzlerin in dieser Arbeit, damit weniger Menschen zu uns fliehen müssen und wir im Übrigen auch unsere griechische Außengrenze zur Türkei besser schützen können.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so heuchlerisch! Das ist unglaublich!)
Das ist der Weg, den wir gehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich komme sofort zum Ende. Drittens wäre die Anerkennung von Syrern als subsidiär Schutzberechtigte kein deutscher Sonderweg. Hier kann ich nur sagen: Eine ganze Reihe europäischer Länder – darunter diejenigen, die außergewöhnlich viele Flüchtlinge aufnehmen – gewährt diesen Flüchtlingen subsidiären Schutz. Dazu gehören die Niederlande und Schweden, das der Hälfte der syrischen Flüchtlinge subsidiären Schutz gibt. Diese Länder sind doch nicht inhuman, sondern geben gemeinsam mit Deutschland in dieser Krise eine humanitäre Visitenkarte für ganz Europa ab.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Diese Leistungsfähigkeit wollen wir uns auch in Zukunft erhalten. Deswegen müssen wir den Familiennachzug begrenzen.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Kollegin Sevim Dağdelen.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6137453 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 135 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Statusfrage syrischer Flüchtlinge und zum Familiennachzug |