Andrea LindholzCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur Statusfrage syrischer Flüchtlinge und zum Familiennachzug
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland hilft in dieser historischen Flüchtlingskrise wie kaum ein anderes Industrieland. Das ist gut und richtig; aber auch unsere Kräfte sind begrenzt. Ich darf Erhart Körting, den ehemaligen Innensenator des Landes Berlin, zitieren, der heute in der FAZ sagt: „Die Aufnahmemöglichkeiten sind endlich.“ Genau das wird uns auch tagtäglich von Bürgerinnen und Bürgern, von verantwortlichen Bürgermeistern, Landräten, Kommunalpolitikern aller Parteien, Hilfsorganisationen und vielen Helferinnen und Helfern in diesem Land bestätigt: Ja, wir wollen helfen; aber unsere Kapazitäten sind begrenzt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
All diese Menschen erwarten von uns Antworten. Diese Antworten sollten mehr als nur polemische Reden sein. Es sollten konkrete Vorschläge sein. Die können sich nicht nur mit der Integration beschäftigen, sondern sie müssen sich auch mit den Fragen der Begrenzung beschäftigen.
Bis Ende Oktober waren in Deutschland 758 000 Asylbewerber im System zur Erstverteilung registriert. Monatlich kommen bis zu 180 000 Migranten dazu. Hunderttausende Migranten wurden bisher überhaupt nicht erfasst. Sie verteilen sich selbstbestimmt in Deutschland und Europa. In Schweden ist die Aufnahmekapazität bereits erschöpft, und in Österreich ist die Lage ähnlich prekär.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat in diesem Jahr über 205 000 Anträge entschieden und 83 000 Menschen Flüchtlingsstatus oder Asyl gewährt. Natürlich dürfen diese Menschen ihre Kernfamilie nachholen. Sie müssen bei uns auch ordnungsgemäß versorgt und integriert werden. 330 000 Asylanträge sind noch offen.
Das alles stellt unser Land vor große Herausforderungen. Diese werden durch den extremen Anstieg der Zuwanderung, den wir seit September dieses Jahres erleben, immer mehr potenziert. Auch die deutschen Kommunen sind überfordert. Der Städte- und Gemeindebund hat schon Anfang Oktober die Einschränkung des Familiennachzuges gefordert.
Ja, Deutschland muss angesichts dieser dramatischen Entwicklung Entscheidungen treffen, die sicherlich nicht immer einfach sind. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten aber von uns, dass wir geltendes europäisches und nationales Recht anwenden. Dazu gehört auch die Dublin-Verordnung, solange sie nicht durch ein anderes System abgelöst ist.
(Rüdiger Veit [SPD]: Sie sagen doch selbst, dass es gescheitert ist!)
Eine Vervielfachung der hohen Zugangszahlen innerhalb kurzer Zeit würden wir in diesem Land nicht verkraften. Das würde auch unsere Integrationskraft überfordern. Auch diese Erkenntnis gehört zu einer verantwortungsvollen Flüchtlingspolitik.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sagen Sie mal, was Sie machen wollen!)
Die Koalition hat sich daher in den letzten Wochen auf weitere Maßnahmen geeinigt – auch darauf, den Familiennachzug für subsidiär Geschützte für zwei Jahre auszusetzen. Bis Juli dieses Jahres konnten subsidiär Geschützte nur unter engen Voraussetzungen ihre Familien nachholen. Wir haben dies verbessert, obwohl weder das EU-Recht noch unsere Verfassung diesen Anspruch vorsehen.
Wer geglaubt hat, dass dieser Punkt in der Einigung überhaupt keine Relevanz haben soll, dem ist offensichtlich der Ernst der Lage nicht bewusst. Die Union hat gefordert, den Familiennachzug für subsidiär Geschützte für zwei Jahre auszusetzen und nicht abzuschaffen. Er soll für zwei Jahre ausgesetzt werden, um in diesem Land auch wieder Kapazitäten zu schaffen, die notwendigen Integrationsleistungen in ausreichendem Maße zu erbringen und die Zuwanderung in unser Land auch ein Stück weit mit steuern zu können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Natürlich muss auch bei allen Asylbewerbern das Asylrecht konsequent angewendet werden. Es müssen auch wieder Anhörungen – auch bei den Syrern – durchgeführt werden. Das muss einerseits deshalb geschehen, weil wir alle Flüchtlinge gleich behandeln sollten, andererseits aber – das ist viel wichtiger –, weil wir einfach klären müssen, wer wirklich aus Syrien stammt. Und das geht eben nun einmal nur mit einer ordnungsgemäßen Anhörung. Es ist kein Geheimnis, dass man in Istanbul einen syrischen Pass für einige 100 Euro bekommt. De facto stammt bereits eine gewisse Anzahl der syrischen Asylbewerber gar nicht aus Syrien. Auch das ist Teil der Wahrheit, über die man sprechen muss.
(Beifall bei der CDU/CSU – Rüdiger Veit [SPD]: Das kann man ja prüfen!)
Die Beschleunigung von Asylverfahren ist und war wichtig. Sie wird von uns auch nicht in Abrede gestellt. Schnelligkeit allein aber darf kein Selbstzweck sein. Die Frage, ob Asyl, Flüchtlingsstatus oder subsidiärer Schutz gewährt wird, muss im Einzelfall anhand der geltenden Rechtslage geklärt werden. Und hierfür ist nicht die Politik zuständig, sondern hierfür sind die Entscheidungsträger im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig. Deshalb unterstützt auch die Unionsfraktion – das gilt auch für mich selbst – den Vorschlag unseres Bundesinnenministers, jeden einzelnen Antrag – auch wieder die Anträge von Syrern – nach geltendem Asylrecht und im Einzelfall zu prüfen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Frank Schwabe für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6137534 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 135 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Statusfrage syrischer Flüchtlinge und zum Familiennachzug |