Andrea LindholzCDU/CSU - Unterstützung von Flüchtlingen
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Gäste! Täglich kommen bis zu 10 000 neue Migranten nach Deutschland. Die Lage in Deutschland und Europa wird immer ernster. Selbst das liberale Schweden führt in diesen Stunden wieder Grenzkontrollen ein. Auch Deutschlands Integrationskraft ist begrenzt. Wir können nicht jedes Jahr 1 Million Menschen aufnehmen, versorgen, ausbilden und integrieren. Deswegen steht aktuell die Eindämmung des Zustroms im Fokus der Debatte. Das bloße Einfordern der Einhaltung europäischen und deutschen Rechtes ist im Übrigen keine Chaospolitik, sondern es ist zwingend erforderlich, um zu ordnen, zu strukturieren und zu begrenzen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es geht, sehr geehrte Frau Kollegin Mast, gerade nicht darum, jedem syrischen Flüchtling, so wie Sie es heute suggeriert haben, nur subsidiären Schutz zu gewähren.
(Katja Mast [SPD]: Der Innenminister hat es gesagt, nicht ich! – Kerstin Griese [SPD]: Wer hat das denn vorgeschlagen?)
Es geht darum, zur Einzelfallprüfung, die unser Gesetz vorsieht, zurückzukehren und jeden Flüchtling anzuhören, aus welchem Land er kommt, ob er tatsächlich aus Syrien stammt und ob man ihm Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt,
(Katja Mast [SPD]: Das wird doch heute auch schon gemacht! Sie verlängern die Verfahren!)
ob er einen Asylanspruch nach dem Grundgesetz hat oder ob er nur subsidiären Schutz erhält. Das ist auch richtig so.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Diese Entscheidung steht im Übrigen nicht im Ermessen der Abgeordneten, sondern der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Dessen Sprecher hat im Übrigen gestern erklärt, dass das Dublin-Verfahren die nationalen Asylverfahren sogar entlastet und nicht belastet.
(Zuruf von der LINKEN: Quatsch!)
– Lesen Sie bitte heute die Zeitung. Dort können Sie das Zitat nachlesen.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja, „die“ Zeitung! – Dr. Matthias Bartke [SPD]: Klären Sie das erst einmal in Ihrer eigenen Fraktion!)
Neben diesen wichtigen Fragen ist natürlich auch die Integration der anerkannten Flüchtlinge für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland essenziell. Wir brauchen dazu keinen Antrag der Linken; denn schon heute gründen Schulen, IHKs, Handwerk, Arbeitsagenturen, Verbände und vor allem die Kommunen lokale Netzwerke und runde Tische und versuchen, das Problem anzugehen, anstatt nur pauschale und polemische Reden zu halten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie denn?)
Auch der Bundesinnenminister hat letzte Woche eine – ich nehme an, dass einige von Ihnen dort waren – hochinteressante Fachtagung zum Thema „Fachkräftezuwanderung und Flüchtlinge – Geht das zusammen?“ in seinem Hause abgehalten. Es arbeiten also schon viele engagierte und kluge Menschen an diesem Thema.
Man sollte heute auch einmal eines klarstellen: Anerkannte Flüchtlinge haben vollen und uneingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Wir reden also darüber, wie wir mit den Asylbewerbern verfahren, die bei uns noch nicht anerkannt sind. Hier müssen wir zwischen bleibeberechtigten und nichtbleibeberechtigten Asylbewerbern unterscheiden. Voraussichtlich werden 400 000 bleibeberechtigte Asylbewerber aus dem Jahr 2015 verbleiben. Diese Integrationsleistung wird eine zentrale Zukunftsaufgabe für unser Land werden. Daher sollten für uns einige Grundprinzipien gelten.
Die Integration muss auf die Menschen mit guter Bleibeperspektive konzentriert werden. Bei den anderen brauchen wir keine Integration; denn dort steht die Ausreisepflicht im Vordergrund.
Asyl und Arbeitsmigration müssen klar getrennt werden. Ich habe heute hier gehört, dass man gerne beides in einen Topf schmeißt. Das ist aber nicht richtig. Flüchtlingsschutz gibt es aus humanitären Gründen. Wenn Sie in Ihrem Antrag den Spurwechsel von der Asylbewerberpolitik in die Arbeitsmigration vornehmen, dann ist das ein glatter Fehlanreiz.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wer nicht aus der EU kommt und bei uns arbeiten will, kann dies. Wir haben über 70 – ich habe vorhin gehört, wir gehen auf die 90 zu – Mangelberufe, bei denen man relativ problemlos eine Arbeit aufnehmen kann. Es gibt auch noch die Bluecard. Wir müssen nach wie vor Asylrecht und Arbeitsmigration ganz klar voneinander trennen.
Wir sind uns einig, dass die Integration früh anfangen muss. Deswegen haben wir auch für Menschen mit guter Bleibeperspektive, unabhängig von der Dauer des Asylverfahrens jetzt schon die Residenzpflicht eingeschränkt, den Arbeitsmarktzugang erleichtert und die Teilnahme an Integrationskursen von Anfang an beschlossen. Das sind die richtigen Weichenstellungen.
Integration braucht Zeit. Die Bundesagentur für Arbeit schätzt, dass von allen Asylbewerbern, die zu uns kommen und die bei uns einen Anspruch auf einen Arbeitsplatz haben, nur 10 Prozent im ersten Jahr eingegliedert werden können, 50 Prozent nach fünf Jahren und 70 Prozent nach zehn Jahren. Es reicht also nicht aus, nur Arbeitsverbote abzuschaffen. Die Vorsitzende des Sachverständigenrates Deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Frau Professor Langenfeld, hält solche Forderungen sogar für kontraproduktiv. Sie fordert ganz klar, den Fokus zunächst einmal auf Sprache, auf Qualifikation und Weiterbildung zu legen; denn ohne Sprache und ohne Qualifikation findet bei uns niemand Arbeit.
Wir müssen unsere hohen Bildungsstandards aufrechterhalten, aber sicherlich bei der Anerkennung der Fähigkeiten flexibler werden. Nicht ein Zertifikat darf entscheiden, sondern es muss die tatsächliche berufliche Erfahrung unter die Lupe genommen werden. Ein afghanischer Elektriker wird nicht nur die Sprache lernen müssen, sondern auch, was ein europäischer Schaltkasten ist. Wir müssen sicherlich vor Ort durch Fachgespräche, durch Arbeitsproben und durch Praktika ermitteln, welche Leistungen der einzelne Asylbewerber erbringen kann. Das ist viel aussagekräftiger als ein Zertifikat.
Zuletzt wird die Integration nicht nur Geld erfordern, sondern die gesamte Gesellschaft. Ihr Antrag suggeriert, die Integration ließe sich quasi rein staatlich organisieren. Der Staat wird seinen finanziellen Beitrag leisten. Die Wirtschaftsweisen schätzen für 2016 die Bruttoausgaben der öffentlichen Haushalte im Zuge der Flüchtlingskrise auf einen Wert zwischen 9 Milliarden und 14,3 Milliarden Euro.
Damit schaffen wir allerdings nur Rahmenbedingungen. Integration funktioniert nur, wenn wir sie als gesamtgesellschaftliche Daueraufgabe begreifen. Deswegen ist entscheidend, dass wir als Politik gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort, die hier schon hervorragende Leistungen erbringen, auch die richtigen Lösungen suchen, die richtigen Antworten finden. Ihr Antrag greift in vielen Punkten wie so oft zu kurz, und deshalb lehnen wir ihn ab.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6142774 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 136 |
Tagesordnungspunkt | Unterstützung von Flüchtlingen |