Jürgen KlimkeCDU/CSU - Deutscher OSZE-Vorsitz 2016
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Generalsekretär der OSZE! Als ich vor fünf, sechs Jahren hier im Deutschen Bundestag vor einer Besuchergruppe über Frieden in Europa diskutierte, fiel natürlich auch der Begriff „OSZE“. Ich musste ihn zunächst einmal erklären und die Aufgaben der OSZE darstellen. Die OSZE erschien vielen, sofern sie überhaupt eine Vorstellung von ihr hatten, als ein Relikt des Kalten Krieges und zumindest in sicherheitspolitischer Dimension als überflüssig.
Wenn man die Frage nach der OSZE heute stellt, dann kommt man zu dem Ergebnis: Die OSZE ist den Menschen bekannt. Sie kennen die OSZE-Mission zur Überwachung des Waffenstillstands in der Ukraine, oder sie haben von den Wahlbeobachtungen gehört, zum Beispiel in der Ukraine, in Weißrussland oder, wie kürzlich, in der Türkei.
Die OSZE wird dabei ganz selbstverständlich als notwendig angesehen. Allerdings fragen interessierte Bürger inzwischen auch ganz gezielt nach Defiziten und sehen Reformbedarf. Die OSZE ist heute also wieder gefragt. Die Erwartungen sind hoch – manchmal vielleicht zu hoch.
Die Etablierung einer dauerhaften Sicherheitspartnerschaft im OSZE-Raum unter Einbeziehung Russlands, die uns in der Vergangenheit schon als Realität erschien, ist heute mehr denn je infrage gestellt. Der Ukraine-Konflikt und die Angst vor einer Eskalation bestimmen das außen- und sicherheitspolitische Handeln.
Es besteht somit mehr denn je die Notwendigkeit, multilaterale Gesprächsformate zu etablieren, Waffenstillstände umzusetzen und zu überwachen und vertrauensbildende Maßnahmen zu etablieren. Auf all diesen Gebieten kann die OSZE das Miteinander fördern, weil nur hier unter Einbeziehung aller Beteiligten über die regionale Sicherheitslage diskutiert werden kann.
Wir sind froh, dass die OSZE auch durch ihre Parlamentarische Versammlung unter Einbeziehung der russischen Abgeordneten ein Forum für die Diskussion bilden kann, ein Forum, in dem sich eben auch die russischen Delegierten den Beschlüssen unterordnen. Deshalb bin ich im Übrigen auch eindeutig gegen jede Form von Ausschluss der russischen Delegierten; denn das stellt die OSZE infrage.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Parlamentarische Versammlung der OSZE hat weiterhin einige Beauftragte für regionale und thematische Schwerpunkte ernannt. Ich selbst habe die Ehre, als Beauftragter für die Ostseeregion mit allen Akteuren dort an der Förderung der Kooperation und der Stärkung des Vertrauens mitzuwirken.
Gerade dieser regionale integrative Ansatz ist die Stärke der OSZE und ermöglicht ihre Akzeptanz in den Mitgliedstaaten. Wir müssen diese Stärke immer mehr zu einem echten Kapital machen, indem wir die OSZE in die Lage versetzen, ihre Aufgaben effizienter wahrzunehmen. Dies ist ein wichtiges Ziel, das wir auch in unseren Antrag aufgenommen haben.
Die Struktur der OSZE ist auf staatliche Akteure und nicht auf Bürgerkriege oder hybride Kriege ausgerichtet, in denen Separatisten, Freischärler oder Terroristen agieren. Wie können wir Verbrechen einzelnen Gruppen zuordnen? Wie können wir deeskalieren? Wie können wir solche Konflikte dauerhaft befrieden? Das sind Fragen, auf die wir im Rahmen der OSZE Antworten finden müssen.
Wir treten deshalb dafür ein, dass die Empfehlungen der Hochrangigen Expertengruppe zur Reform der OSZE sorgfältig geprüft und gegebenenfalls umgesetzt werden, dass die mit dem Helsinki +40 Prozess verbundenen Reformen vorangebracht werden, und natürlich, dass die OSZE besser finanziert wird. Hier sind die Mitgliedstaaten in einer Pflicht, und es gehört auch zu den Aufgaben des deutschen Vorsitzes, bei den Mitgliedstaaten für eine bessere finanzielle Ausstattung zu werben.
Meine Damen und Herren, trotz aller Erwartungen sollten wir auf dem Boden bleiben. Wir dürfen die OSZE nicht mit überzogenen Wünschen überfrachten – auch nicht den deutschen Vorsitz der OSZE im Jahre 2016. Ich weiß, dass wir – das wurde auch in der Öffentlichkeit immer wieder deutlich – einen großen Erwartungsdruck haben. Das gilt noch viel stärker hinsichtlich der Lösung des Ukraine-Konflikts als in Bezug auf die notwendigen Reformen der OSZE selbst.
Dabei wissen wir, dass die OSZE diesen Konflikt nicht aus sich heraus beenden kann. Sie kann ein Gesprächsforum anbieten, Missverständnisse ausräumen und die Akzeptanz bei Kompromissen fördern; ihre eigentliche Stärke besteht aber in der Umsetzung von Vereinbarungen und in der Überwachung von Absprachen. Gleichwohl kann Deutschland im Rahmen seines Vorsitzes für die Bewältigung der Ukraine-Krise sein politisches Kapital einbringen, nämlich das Vertrauen, das wir auf beiden Seiten genießen.
Die OSZE hat sich über 40 Jahre lang entwickelt und neue Aufgabenfelder besetzt. Sie verfügt auch heute über eine Dimension, die sich der demokratischen Entwicklung und der Stärkung der Menschenrechte verschreibt. Diese sogenannte menschliche Dimension der OSZE muss erhalten bleiben und gestärkt werden.
(Beifall der Abg. Marieluise Beck (Bremen) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Gerade Meinungs- und Medienfreiheit sowie Minderheitenschutz gehören weiterhin zum essenziellen Aufgabenspektrum der OSZE.
Die Betonung der menschlichen Dimension der OSZE fordern wir deshalb auch in unserem Antrag, trotz der aktuellen sicherheitspolitischen Krisen. Hier gibt es zudem einen Zusammenhang, gehören doch gerade die Wahlbeobachtungen zu den sicherheitsrelevanten Maßnahmen. Durch den durch die OSZE legitimierten demokratischen Ablauf von Wahlen ist zum Beispiel in der Ukraine die Situation vor Ort sichtbar stabilisiert worden.
Die Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages arbeiten sehr engagiert in der Parlamentarischen Versammlung. Wir nehmen Anteil an den Tagungen der OSZE, sind als Wahlbeobachter tätig. Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, dass wir als Parlamentarier die OSZE in ihrer Arbeit unterstützen. Eine derartige Diskussion und Anträge, wie sie heute vorliegen, gehören einfach dazu.
Lassen Sie uns gemeinsam, Koalition und Opposition, den deutschen OSZE-Vorsitz im Jahr 2016 begleiten. Lassen Sie uns an einer Stärkung der OSZE mitwirken. Denn wir brauchen die OSZE heute dringender denn je.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck (Bremen) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Kollegin Katja Keul erhält das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6142892 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 136 |
Tagesordnungspunkt | Deutscher OSZE-Vorsitz 2016 |