Gudrun ZollnerCDU/CSU - Schutz besonders gefährdeter Flüchtlinge
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher auf den Tribünen! Ich komme aus Bayern, meine Heimat ist Niederbayern. In diesem Regierungsbezirk gibt es zwei Städte, die Ihnen sicherlich nicht erst seit der Flüchtlingskrise bekannt sind: Deggendorf und Passau. Diese beiden Städte kämpften im Juni 2013 gegen ein unglaubliches Jahrhunderthochwasser. Es war, kurz gesagt, Land unter. Die Bilder von Menschen, die um ihr Leben, ihre Familie und ihre Existenz kämpften, gingen wochenlang durch die Medien.
Auch diese beiden Städte kämpfen heute wieder, nicht mehr gegen brechende Wasserdämme, sondern für Menschen, die zu uns kommen und Schutz suchen. Wieder sind es die Landräte Bernreiter und Meyer, die die Hilfskräfte koordinieren. Wieder sind es Bundeswehr, Bundes- und Landespolizei, Technisches Hilfswerk, Bayerisches Rotes Kreuz und die freiwilligen Feuerwehren, die an ihre Grenzen kommen. Wieder sind es die Kommunalpolitiker vor Ort, die zu Krisenmanagern werden müssen. Wieder sind es Tausende von ehrenamtlichen Helfern, die rund um die Uhr nur eines kennen: helfen. Sie stemmen sich mit aller Kraft gegen eine menschliche Katastrophe, sammeln Kleidungsstücke und Lebensmittel – wieder.
(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie auch etwas zur CSU?)
Alle, egal ob haupt- oder ehrenamtlich, leisten Unglaubliches.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie sind das freundliche Gesicht von Deutschland. Für diesen selbstlosen Einsatz möchte ich allen ein herzliches „Vergelts Gott!“ sagen. Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Doch diesmal kommt eine Flut von Menschen, die vor Krieg und Gewalt flüchten, bis zu 10 000 am Tag – und der Strom reißt nicht ab. Auch in Niederbayern wird bald der Winter einbrechen. Deshalb baut man Traglufthallen, besetzt Sporthallen und räumt Lagerhallen, die man beheizen kann. Sicher, das ist nicht die perfekte Lösung, aber eine Lösung, damit die Männer und die Frauen mit ihren Kindern und Babys nicht Kälte und Schnee ausgeliefert sind.
Ja, es gibt keine Privatsphäre, und Alltagskonflikte nehmen zu. Die Flüchtlinge kommen aus verschiedenen Ländern, mit verschiedenen Sprachen, verschiedenen Bräuchen und verschiedenen Religionen. In der Enge der Unterkünfte sind Streitigkeiten vorprogrammiert. Die Frauen und Kinder können sich am wenigsten wehren. Sie leiden besonders und brauchen deshalb unseren besonderen Schutz.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Frauen-Union Niederbayern, deren Vorsitzende ich bin, hat bereits im Juli dieses Jahres ihren Standpunkt deutlich gemacht. Wir haben auf die besondere Schutzbedürftigkeit von alleinreisenden, alleinerziehenden und traumatisierten Flüchtlingsfrauen bei allen Schritten des Asylverfahrens hingewiesen. Genau deshalb habe ich separate Unterbringungsmöglichkeiten, abschließbare Zimmer und Sanitäreinrichtungen auch für ethnische Minderheiten gefordert.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das mal Ihren Kollegen!)
Vergewaltigungen und sexualisierte Gewalt dürfen nicht tabuisiert werden. Sie müssen verhindert werden. Hier sind wir uns alle einig.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, seit Anfang September 2015 sind in Bayern mehr als 400 000 Asylsuchende angekommen. Wenn man aktuellen Schätzungen glauben darf, werden am Ende des Jahres genauso viele Unterbringungsmöglichkeiten fehlen. Deshalb wird geplant und gebaut. Die EU-Richtlinie 2013/33 wird bei allen Planungen und Neubauten umgesetzt. Es entstehen größere und kleinere Wohneinheiten, um dem besonderen Schutz von Familien sowie verletzlichen Personen gerecht zu werden.
Wir können nicht alles sofort umsetzen. Dafür sind die Flüchtlingszahlen einfach zu hoch.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Auch ich würde mir wünschen, dass jede Frau von Anfang an ein eigenes Zimmer bekommt; keine Frage. Aber wenn die Asylsuchenden in der Nacht an der österreichisch-bayerischen Grenze stehen, müssen sie schnellstmöglich untergebracht, bestmöglich versorgt und bundesweit verteilt werden. Leider gibt es immer noch Bundesländer, die Bayern bei dieser immensen Aufgabe zu wenig unterstützen und nicht nach dem Königsteiner Schlüssel Flüchtlinge aufnehmen. Und: Europa muss sich endlich einigen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Alle 28 Mitgliedstaaten müssen zeigen, dass Europa nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch eine Wertegemeinschaft ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen, damit diese Menschen ihre Heimat nicht verlassen und den gefährlichen Weg zu uns nach Europa gehen müssen. Und: Wir müssen die Zahl der Flüchtlinge, die zu uns nach Deutschland kommen will, begrenzen. Ansonsten werden wir uns nicht ausreichend um alle kümmern können. Vielleicht sollte sich Kollege Müller einmal mit seinem Parteikollegen Lafontaine unterhalten,
(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So ist es!)
bevor er versucht, die CSU in die rechte Ecke zu drängen;
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
denn auch Kollege Lafontaine spricht von Obergrenzen.
Die Schutzbedürftigen vertrauen darauf, dass wir ihnen den notwendigen Schutz und Sicherheit bieten. Eine erfolgreiche Integration kann nur gelingen, wenn wir die Menschen, die bei uns bleiben wollen, und die Menschen, die hier geboren wurden, nicht überfordern.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Bürgerinnen und Bürger von Deggendorf und Passau haben die Wassermassen damals besiegt, weil sie zusammengerückt sind und sich gegenseitig geholfen haben. Die Welle der Flüchtlinge können wir nur meistern, wenn wir alle zusammen helfen: in den Kommunen, in den Ländern, in Deutschland, in Europa und in den Parteien.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Als letzter Redner in dieser Debatte hat Sebastian Hartmann von der SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6143412 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 136 |
Tagesordnungspunkt | Schutz besonders gefährdeter Flüchtlinge |