12.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 136 / Tagesordnungspunkt 11

Andreas SchwarzSPD - Austausch von Informationen über Finanzkonten

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der heute von uns zu beschließende Gesetzentwurf zum automatischen Informationsaustausch ist ein Meilenstein in der Bekämpfung der Steuerkriminalität. Seit vielen Jahrzehnten diskutiert man darüber, wie man Steuerhinterziehung wirksam eindämmen bzw. vielleicht sogar verhindern kann.

Ich denke, im letzten Jahr sind wir mit der Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige einen großen Schritt vorangekommen. Trotz allen Erfolges des Gesetzes vom letzten Jahr gilt: Steuerhinterziehung ist nicht nur mit nationalstaatlicher Gesetzgebung beizukommen; wir müssen international tätig werden. Dazu brauchen wir eine internationale Zusammenarbeit.

Bereits am 13. Oktober 1931 hatte der damalige sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Dr. Rudolf ­Breitscheid in einem Antrag die Reichsregierung Brüning aufgefordert – ich zitiere –, „der frevelhaften Kapital- und Steuerflucht deutscher Staatsangehöriger“ zu begegnen. Breitscheid forderte die damalige Reichsregierung auf, „über eigene gesetzgeberische Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuer- und Kapitalflucht hinaus in Verhandlungen mit den Regierungen anderer Staaten einzutreten mit dem Ziele, eine internationale Rechtshilfe gegen Kapital- und Steuerfluchthandlungen zu vereinbaren“.

(Beifall bei der SPD)

Dieses über 80 Jahre alte Zitat drückt sehr gut aus, worum es geht. Steuerkriminalität bekämpft man national und international. Es fehlte viel zu lange an dieser unerlässlichen internationalen Zusammenarbeit. Aber was alles wurde in den letzten Jahrzehnten tatsächlich unternommen? Untätig waren Europa und die Welt nicht.

1962 erarbeitete Fritz Neumark im Auftrag der EG-Kommission ein Konzept, das die EG-weite Einführung einer einheitlichen, anrechenbaren Quellensteuer sowie einen gemeinschaftlichen Auskunftsdienst für eine wirksame Steuerkontrolle vorsah. Realisiert wurde es nie. Noch 1989 war der Vorschlag, in Europa eine Quellensteuer auf die Zinserträge ausländischer Anleger einzuführen, von den Mitgliedstaaten mehrheitlich abgelehnt worden.

Es dauerte viele weitere Jahre, bis dann im Juni 2003 die EU-Zinsrichtlinie verabschiedet wurde. Nach einigen Verzögerungen trat sie dann im Juli 2005 in Kraft. Lediglich Belgien, Österreich und Luxemburg wollten keine Zinsdaten austauschen. Sie erhoben zur Wahrung ihres Bankgeheimnisses eine Quellensteuer. Es hat also über 40 Jahre gedauert, bis endlich ein Instrument für eine effektive Besteuerung grenzüberschreitender Zinszahlungen zur Verfügung stand. Über 40 Jahre!

Im Jahre 2011 wurde von Schwarz-Gelb mit dem sogenannten deutsch-schweizerischen Steuerabkommen der Versuch unternommen, die Besteuerung des grenzübergreifenden Kapitalverkehrs zwischen unseren beiden Ländern zu regeln. Bei Inkrafttreten dieses Abkommens wären sämtliche Steuerhinterzieher anonym und straffrei geblieben. Dies war der Hauptgrund, warum wir es im Jahr 2012 verhindert haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Erst durch diese Ablehnung und die daraus folgende Aufdeckung all der prominenten Fälle mit nichtversteuerten Zinsgewinnen auf Schweizer Konten kam dann Tempo in die Verschärfung der Gesetzgebung gegen Steuerbetrug. Für mich persönlich ist die Ablehnung dieses Abkommens die Geburtsstunde des heute zu beschließenden Gesetzes.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bereits ein knappes Jahr nach der Unterzeichnung der mehrseitigen Erklärung Ende Oktober 2014 gießen wir heute den OECD-Standard in Gesetzesform; das ist wirklich rekordverdächtig. Das zeigt aber auch, dass wir es ernst meinen mit der Bekämpfung von Steuerbetrug.

(Beifall bei der SPD)

Für diese tolle Leistung möchte ich allen Beteiligten meinen herzlichen Dank aussprechen.

Die im Jahre 2014 überarbeitete Zinsrichtlinie stellte somit einen guten Zwischenschritt hin zum automatischen Informationsaustausch nach OECD-Standard dar. Es handelt sich deshalb um einen Zwischenschritt, weil der OECD-Standard weiter geht als die EU-Zinsrichtlinie; denn künftig werden zum Beispiel Beteiligungs- und Veräußerungserträge erfasst. Das ist ein großer Fortschritt.

Beim automatischen Informationsaustausch geht es um den länderübergreifenden Austausch von persönlichen Daten. Genau deshalb ist uns hier der Datenschutz besonders wichtig. An ihm wird nicht gerüttelt.

(Beifall bei der SPD)

Der Datenaustausch nach OECD-Standard bedeutet faktisch auch das Ende des Bankgeheimnisses. Das war unausweichlich; denn das Bankgeheimnis diente in der Regel in den vergangenen Jahrzehnten dazu, als Deckmantel für Steuerhinterziehungen herangezogen zu werden.

Wir konnten nun im Gesetzgebungsverfahren das Prüfungsrecht des Bundeszentralamtes für Steuern ausweiten. Die Sanktionen bei einer Verletzung der Meldepflichten durch die Finanzinstitute wurden ebenfalls deutlich verschärft. Statt 5 000 Euro werden zukünftig 50 000 Euro pro Fall fällig. Nicht zuletzt haben wir durch eine Präzisierung der Meldepflichten der Finanzinstitute die Voraussetzung dafür geschaffen, dass der Informationsaustausch im Fall eines Beitritts weiterer Staaten einfach und schnell erweitert werden kann. Wir begrüßen ausdrücklich, dass Steuerflüchtigen durch den Ankauf weiterer Steuer-CDs – wie jüngst durch Nordrhein-Westfalen – zusätzlich Druck gemacht wird.

(Beifall bei der SPD)

Steuerhinterziehung darf sich nicht lohnen. Es lohnt sich auch deshalb nicht, weil die Gefahr, erwischt zu werden, immer größer wird.

Die Bekämpfung von Steuerbetrug ist für uns, die SPD-Bundestagsfraktion, immer auch eng verknüpft mit dem Thema Gerechtigkeit. Mit der heutigen Verabschiedung kommen wir auch hier einen großen Schritt weiter.

Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ganz herzlichen Dank. – Als nächste Rednerin hat Lisa Paus von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6143483
Wahlperiode 18
Sitzung 136
Tagesordnungspunkt Austausch von Informationen über Finanzkonten
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