Lisa PausDIE GRÜNEN - Austausch von Informationen über Finanzkonten
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wir Grünen begrüßen die Einführung eines internationalen automatischen Informationsaustauschs. Wie sollten wir anders? Wir haben das seit Jahren gefordert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bei all der Feierstimmung sollte aber eines dann doch nicht unter den Tisch fallen: Die Wandlung von Schäuble vom Saulus zum Paulus in dieser Frage ist nicht einer visionären Erleuchtung geschuldet, sondern diese Wandlung musste wirklich sehr hart erstritten werden. Ohne die Ablehnung des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens durch Rot-Grün im Bundesrat – das wurde gerade schon erwähnt – könnten wir dieses Gesetz heute gar nicht verabschieden.
Dann hätte sich nämlich nicht der automatische Informationsaustausch durchgesetzt, dann hätten wir von einem Fall Hoeneß oder einem Fall Alice Schwarzer nichts erfahren, sondern es gäbe weiter viele Fälle von unentdeckter Steuerhinterziehung. Dann hätten wir stattdessen eine Art modernen Ablasshandel bekommen, also eine Vereinbarung mit ehemaligen Steueroasen, dass sie uns jährlich eine – ansonsten anonyme – Mindestsumme Geld überweisen. Gut, dass das Geschichte ist: weil wir das verhindert haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Nicht gut ist dagegen, dass die Große Koalition an der Abgeltungsteuer in Deutschland trotzdem immer noch festhalten möchte. Wenn massenhafte Steuerhinterziehung durch Parken von Geld auf Auslandskonten nicht mehr möglich ist, weil die nationalen Finanzbehörden die Information über Kapitalerträge automatisch austauschen, dann löst sich eben die Steinbrück’sche Mathematik von einst endgültig auf, die da lautet: 25 Prozent von x sind besser als 42 Prozent von nix.
(Lothar Binding (Heidelberg) [SPD]: Das stimmt!)
Sie von der GroKo wissen auch ganz genau, dass das damit zu Ende ist. Deshalb hat sich auch die SPD-Bundestagsfraktion inzwischen in einem Positionspapier für die Abschaffung der Abgeltungsteuer ausgesprochen.
(Lothar Binding (Heidelberg) [SPD]: Nicht „inzwischen“! Das war immer unsere Position!)
Selbst Finanzminister Schäuble hat gesagt, auch gestern noch, er wäre im Prinzip dafür, nur jetzt noch nicht.
(Lothar Binding (Heidelberg) [SPD]: Aber zur rechten Zeit! – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schade!)
Jetzt könnte man sagen: Das ist immerhin schon ein Schritt. Aber, meine Damen und Herren, das reicht nicht; denn die Beibehaltung der Abgeltungsteuer ist heute keine Petitesse. Wenn dieses Gesetz über den automatischen Informationsaustausch heute verabschiedet wird, dann ist die Abgeltungsteuer endgültig verfassungswidrig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das ist nicht nur unsere Meinung, sondern das bestätigt inzwischen auch ein umfassendes Rechtsgutachten des Steuerrechtlers Professor Joachim Englisch von der Universität Münster, der nun wahrlich nicht verdächtig ist, ein Grüner zu sein. Herr Professor Englisch stellt in seinem Gutachten fest:
Erstens. Die Abgeltungsteuer hat schon immer gegen die verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung aller Einkunftsarten verstoßen, weil Kapital niedriger besteuert wird als Löhne oder Gehälter.
Zweitens. Die Abgeltungsteuer hat schon immer gegen das in Deutschland geltende Leistungsfähigkeitsprinzip verstoßen, wonach finanziell starke Einkommensgruppen einen höheren Beitrag zur Finanzierung des Staates leisten sollen als Einkommensschwache.
Drittens. Die Abgeltungsteuer konnte nur deshalb gerade noch als verfassungsgemäß durchgehen, weil man die Privilegierung des Einkommens aus Kapital mit der Konzession an den internationalen Steuerwettbewerb begründete, wie es auch hier heute noch einmal gemacht wurde.
Aber es gab seit der Einführung der Abgeltungsteuer nicht einen einzigen empirischen Hinweis darauf, der diese Begründung stützen würde. Deswegen ist sie nicht erst in zwei Jahren, Herr Middelberg, sondern spätestens heute mit der Verabschiedung des Gesetzes über den automatischen Informationsaustausch, so jedenfalls das Fazit von Professor Englisch, nicht mehr ausreichend. Es gibt keine ausreichende Rechtfertigung mehr für den Verstoß gegen Gleichbehandlung und das Leistungsfähigkeitsprinzip, wie es die Verfassung vorsieht.
(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Das haben Sie gut bestellt, das Gutachten!)
Deswegen ist die Abgeltungsteuer endgültig verfassungswidrig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Seien Sie ehrlich: Tatsächlich gibt es für Sie doch nur einen einzigen Grund, die Abgeltungsteuer nicht gleichzeitig mit der Einführung des automatischen Informationsaustauschs abzuschaffen, und der lautet: Koalitionsvertrag. Oder genauer: keine Steuererhöhung. Das ist vereinbart in der GroKo.
Aber, meine werten Damen und Herren, werte Kollegen von der Koalition, der Koalitionsvertrag steht nicht über dem Grundgesetz. Deswegen müssen wir die Regelung ändern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Zöllmer [SPD]: Herr Englisch entscheidet nicht, was grundgesetzwidrig ist!)
Aber für die wachsende Schar unter Ihnen, denen auch Verfassungsverstöße mittlerweile ziemlich egal sind, die Sie eigentlich kaltlassen, liefere ich doch noch ein Argument für den Koalitionsvertrag. Die Abschaffung der Abgeltungsteuer würde gerade nicht – –
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ein bisschen den Stil wahren, Frau Paus! Es war nicht parlamentarisch, zu sagen, dass uns die Verfassung – – Das geht gar nicht, Frau Präsidentin! Irgendwo hört es auch auf!)
– Mein lieber Herr Kollege, wir können uns gerne über die Ergebnisse der Anhörung zur Erbschaftsteuer unterhalten,
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Dann überprüfen Sie einmal Ihre Formulierung!)
bei der alle Experten unisono festgestellt haben, dass sich keiner traut, Verfassungsgemäßheit tatsächlich festzustellen. Wir reden darüber, wie Sie mit dem Thema Grundsteuer umgehen. In all diesen Fragen haben wir erlebt, dass Ihnen die Verfassung ziemlich egal ist. Deswegen finde ich diese Aussage völlig gerechtfertigt und Ihre Einlassung völlig daneben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Aber kommen wir zurück zu Ihrem Koalitionsvertrag.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Wenn man keine guten Argumente hat, muss man Kollegen beleidigen!)
– Das haben Sie getan, und ich musste leider darauf reagieren, werter Kollege.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Nein! Ganz schwach, Frau Paus, ganz schwach! Das ist Niveaulimbo auf unterstem Niveau, was Sie machen!)
– Ja, das merke ich, dass Sie ganz schön getroffen sind.
(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten einmal den Experten zuhören, Herr Brinkhaus! – Gegenruf des Abg. Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das sind Sie, Herr Gambke? Sie sind der Experte?)
– Ich hoffe, Sie können trotzdem noch einen Satz aushalten, werter Kollege.
Ich wollte einfach darauf hinweisen,
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ist misslungen!)
dass auch Sie mit Ihrem Koalitionsvertrag eigentlich überhaupt kein Problem haben, weil das Bundesfinanzministerium bisher der Auffassung war, dass eine Abschaffung der Abgeltungsteuer nicht zu Mehreinnahmen führt. Auf die Antwort der Kleinen Anfrage der Linkspartei hat das Bundesfinanzministerium festgestellt: Eine Abschaffung würde zu Mindereinnahmen führen, auch wenn Herr Schäuble heute behauptet, es käme zu Mehreinnahmen. Ich glaube, wir alle miteinander wissen, die Abgeltungsteuer würde in dieser Niedrigzinsphase zu keinen Steueraufkommensveränderungen führen, aber sie würde zu mehr Gerechtigkeit führen.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss. – Auf niedrige Einkommen würden weniger und auf höhere Einkommen würden mehr Steuern zu zahlen sein. Deshalb fordere ich Sie ein letztes Mal auf: Sorgen Sie für mehr Gerechtigkeit! Schaffen Sie die ungerechte und verfassungswidrige Abgeltungsteuer heute ab! Stimmen Sie unserem Antrag zu!
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Vielen Dank. – Ich möchte die Kollegen darauf hinweisen: Wir haben bewährte Instrumente, um einen solchen Diskurs zu führen. Das ist die Zwischenfrage, und das ist die Kurzintervention. Ich bitte, davon Gebrauch zu machen, damit wir im Rahmen der Redezeiten bleiben.
(Beifall der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau, das macht bestimmt der Kollege Brinkhaus! – Gegenruf des Abg. Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Herr Kollege Schick, wir können ja einmal Ihre Zwischenrufe protokollieren! Sie machen sie doch auch! – Gegenruf des Abg. Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich stelle auch Zwischenfragen, wenn es wichtig ist!)
Jetzt hat der Kollege Graf Lerchenfeld von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6143504 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 136 |
Tagesordnungspunkt | Austausch von Informationen über Finanzkonten |