13.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 137 / Tagesordnungspunkt 27

Hilde MattheisSPD - Stärkung der pflegerischen Versorgung

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mit einem Dank beginnen, nicht nur an das Haus, sondern auch an die, die uns in den letzten neun Jahren bei der Entwicklung dieses Reformvorhabens intensiv begleitet haben: die Wohlfahrtsverbände, die Gewerkschaften, aber auch die zwei Beiräte, die die Grundlage für diesen Gesetzentwurf gelegt haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich freue mich sehr, dass wir heute diese Reform verabschieden.

Das, was ich zum Hospiz- und Palliativgesetz gesagt habe, nämlich dass sich manche Themen zu politischen Auseinandersetzungen und Kontroversen nicht eignen, wiederhole ich an dieser Stelle. Die Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs, die in der Bevölkerung breit getragen wird, die von allen gesellschaftlichen Kräften unterstützt wird, sollten wir auch im Parlament breit unterstützen. Und darum bitte ich Sie.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist wichtig, immer wieder zu kommunizieren: Diese Pflegereform nützt den Menschen. Es ist gut und richtig, dass wir diese heute auf den Weg bringen.

Was machen wir heute? Wir haben mit dem PSG I die Leistungen verbessert und bringen jetzt einen großen Systemwechsel auf den Weg. Denn wir gehen weg von einer Mangelerhebung, die den Pflegebedarf in Minuten abgebildet hat, und hin zu einem teilhabeorientierten Begriff. Das ist doch ein Systemwechsel, der allen zugutekommt.

Ja, der Pflegegrad 1 bedeutet einen neuen Anspruch für fast 500 000 Menschen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

500 000 Menschen werden mehr von der Pflegeleistung profitieren können. Das ist doch eine Entwicklung, der Sie nur zustimmen können.

Frau Scharfenberg, bei aller Wertschätzung für die Rolle einer Oppositionspartei, aber wenn Sie sagen, dass die Finanzierung nur bis 2022 gesichert sei:

(Heiko Schmelzle [CDU/CSU]: Ist falsch!)

Erklären Sie einmal, in welchem anderen Sozialversicherungssystem Sie sieben Jahre lang Sicherheit garantieren können. Wo?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich würde mir auch gut überlegen, ob ich diese Botschaft verbreite; denn damit unterstellen Sie, dass Sie 2017 überhaupt nichts ändern können. Wir wollen die Pflegeversicherung als Bürgerversicherung.

(Beifall bei der SPD – Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir doch auch! Dann tut es!)

Sie sagen nun, dass Sie bis 2022 nichts ändern wollen. Das ist mir echt zu lang. Wir wollen die Bürgerversicherung in der Pflege, und zwar so schnell wie möglich.

(Beifall bei der SPD)

Sie kritisieren, dass wir für die Pflegefachberufe nichts tun. Wir haben nachgeliefert und gesagt: In den nächsten fünf Jahren muss die Entwicklung und Erprobung der Personalbemessung abgeschlossen sein.

(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen Sie doch erst mal, was vor Ort los ist!)

Frau Mattheis.

Ich bin gerade so in Fahrt.

Ja, das merke ich. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Stellen Sie sich vor, wir würden jetzt erklären: „Diese Entwicklung und Erprobung müssen in anderthalb Jahren über die Bühne gebracht sein.“ Was hätten Sie dann gesagt? Sie würden uns vorwerfen: Das ist nicht ordentlich und sorgfältig genug.

Wir gehen mit unseren ganzen Bausteinen – der nächste große Baustein ist die Ausbildungsreform – die Verbesserung der Pflege an.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Genau!)

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir immer einen Baustein neben den anderen setzen und dass diese auch zusammenpassen.

(Mechthild Rawert [SPD]: Richtig!)

Das damit gebaute Haus darf nicht zusammenfallen, sondern das muss fest stehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Von daher geht es nicht nur um die Leistungsverbesserungen im PSG I. Jetzt geht es mit dem PSG II und mit all dem, was wir als kritische Punkte aufgenommen haben, um einen Systemwechsel. Wir haben gesagt: Macht die Dokumentation schlanker und sorgt bitte für mehr Pflege. Ferner haben wir gesagt: Wir wollen die Beratung verbessern, nicht nur für die Pflegebedürftigen, sondern auch für die Angehörigen. Das muss klar sein.

(Mechthild Rawert [SPD]: Richtig!)

In diesen kleinen Punkten, die den Systemwechsel herbeiführen, liegt die Stärke dieses Gesetzes.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Mattheis, jetzt sind Sie nicht mehr ganz so in Fahrt. Kurz vor Ende Ihrer Redezeit könnten Sie, wenn Sie mögen, eine Zwischenfrage zulassen.

Ich mag.

Na also. – Bitte schön, Frau Klein-Schmeink.

Ich bin gespannt.

Es ist schön, dass ich die Gelegenheit bekomme, eine Frage zu stellen. – Frau Mattheis, Sie haben eben auf die Zeithorizonte abgehoben. Sie haben auch darauf abgehoben, dass wir mit dem Pflegestärkungsgesetz zu Recht neue Ansprüche schaffen. Aber ist es nicht so, dass man für die Erfüllung dieses Anspruchs auch das dazugehörige Personal und die Zeit bereitstellen muss, dass also Anspruch auch auf Leistung treffen muss? Daher ist es sehr merkwürdig, dass man die dazugehörige verbindliche Personalbemessung erst bis 2020 schaffen will.

Dazu habe ich die Frage, warum das im Bereich der Pflege so lange dauern soll, während Sie für den Krankenhausbereich, wo das Problem ganz ähnlich gelagert ist, zwar auch nicht sofort eine Lösung haben, aber immerhin versprechen, hierfür bis 2017 etwas vorzulegen. Es ist eindeutig so, dass die Situation im Krankenhaus deutlich komplizierter ist als in der Pflege. Da gibt es sehr viele Vorarbeiten. Ist es überhaupt zu verantworten, die Pflegekräfte fünf Jahre lang auf die Einführung der im Gesetzentwurf genannten Instrumente zu vertrösten? Das ist ein sehr langer Zeitraum. Das ist eine komplette Wahlperiode.

Geschätzte Frau Klein-Schmeink, manchmal hilft Lesen. Im Gesetzentwurf steht: Entwicklung und Erprobung. Ich finde, diese Aussage zeigt uns: Jawohl, wir wollen die Erprobungsphase 2020 abgeschlossen haben.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu kann ich Ihnen sagen: Wir brauchen wirklich eine fundierte Grundlage; denn das geht nicht mit einem Schnellschuss. Ich bin froh, dass wir beim Thema Personalbemessung diesen großen Durchbruch erreicht haben.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie gerade nicht!)

Sie wissen, dass bei den Verhandlungen darüber auch die Länder mit am Tisch sitzen. Ich glaube, hierzu wird es eine breite Debatte geben. Vielleicht können Sie Ihren Länderministerinnen und -ministern sagen, dass sie uns dabei unterstützen sollen. Das wäre schön.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Maria Michalk [CDU/CSU] – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun sie schon lange!)

Ich will abschließend auf Folgendes hinweisen: Das Pflegestärkungsgesetz II ist nicht das Ende der Reform. Wer glaubt, dass Sozialversicherungssysteme irgendwann nicht mehr verbesserungsbedürftig wären, der hat ein ganz falsches Verständnis dieser Systeme. Mit dem PSG III werden wir einen weiteren wichtigen Baustein setzen. Neben den Leistungsverbesserungen, neben der Entlastung der pflegenden Angehörigen, neben den guten Arbeitsbedingungen für Pflegefachkräfte muss es uns auch um Pflegeinfrastruktur gehen, also niedrigschwellige Pflegeinfrastruktur in den Kommunen. Das wird der Schwerpunkt des PSG III sein.

Ich darf für meine Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion einfach zur Erinnerung sagen: Wir können immer mehr dicke Häkchen hinter unser Konzept der Pflegereform von 2012 setzen.

Ich danke.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege ­Erwin Rüddel das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6146552
Wahlperiode 18
Sitzung 137
Tagesordnungspunkt Stärkung der pflegerischen Versorgung
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