Özcan MutluDIE GRÜNEN - Bekämpfung von Doping im Sport
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es schon gehört: In den vergangenen Wochen hat uns die Welt-Anti-Doping-Agentur ihren Bericht über deutliche Unregelmäßigkeiten im Kampf gegen Doping vorgelegt.
Die Ergebnisse, die in den Medien breit diskutiert worden sind, sind erschreckend: In Russland – ich glaube, das ist nicht das einzige Land, das damit Probleme hat – besteht ein von der Regierung gedecktes System des organisierten Dopings. Unfassbar ist die Erkenntnis, dass die Tests erst von russischen Ärzten geprüft worden sind, bevor sie zu einem unabhängigen akkreditierten Dopinglabor gegangen sind. Wenige Tage zuvor nahmen französische Behörden Ermittlungen gegen den Alterspräsidenten des internationalen Leichtathletikverbandes auf. Der Vorwurf war gravierend: Er habe mithilfe enger Verwandter ein Schmiergeld- und Schutzgeldsystem etabliert, in dem sich gedopte und erwischte Sportler regelrecht freikaufen konnten.
Diese Vorfälle sind Belege dafür, dass der organisierte Sport ein massives und ernsthaftes Problem mit Doping hat. Ich zitiere aus einer Studie aus Deutschland, des BISp, aus 2013:
6 % der deutschen Spitzensportler geben die regelmäßige Einnahme von Dopingmitteln ehrlich zu.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Was?)
10 % der deutschen Spitzensportler geben ehrlich zu, dass sie schon einmal an Absprachen über den Spiel- bzw. Wettkampfausgang beteiligt waren.
Das waren anonymisierte Umfragen. Deshalb kann man davon ausgehen, dass diese Zahlen stimmen.
(Dagmar Freitag [SPD]: Deswegen gibt es ein zweites Gesetz!)
Meine Damen und Herren, wir lehnen wie alle Fraktionen in diesem Hause Doping im Sport in aller Deutlichkeit ab.
(Dagmar Freitag [SPD]: Immerhin!)
Frau Kollegin Freitag, das sollten Sie bereits mitbekommen haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir wollen aber auch nicht verhehlen, dass der organisierte Sport immer noch zu wenige Anstrengungen unternimmt, um Doping im Sport einzudämmen. Denn die Vorfälle beim IAAF und in Russland zeigen, dass es nicht nur der Sportler oder die Sportlerin ist, Frau Kollegin Freitag, sondern es sind die Strukturen um den Sportler, um die Athletin herum: Trainer, Ärzte, Funktionäre, aber auch Medien und Sponsoren, die ein starkes eigenes Interesse an Höchstleistungen des Sportlers haben.
(Dagmar Freitag [SPD]: Habe ich ja erwähnt!)
Und da greift Ihr Gesetz eben nicht.
(Beifall der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dagmar Freitag [SPD]: Das ist Unsinn!)
Wir als Gesetzgeber sollten Abstand davon nehmen, eine einseitige und so weitgehende Kriminalisierung der Sportlerinnen und Sportler in Deutschland vorzunehmen. Herr Krings, genau das wird mit Ihrem Gesetz passieren. Deshalb haben wir damit ein Problem.
Es geht beim Doping hauptsächlich um den Tatbestand Sportbetrug – das wurde hier auch vom Kollegen Hahn gesagt –, der mit der Absicht begangen wird, wirtschaftliche Gewinne zu erzielen.
Kollege Mutlu, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Freitag?
Nein, ich habe nur noch 50 Sekunden Redezeit. Ich möchte jetzt weiterreden.
(Katrin Kunert [DIE LINKE]: Die Uhr wird angehalten!)
Die Frage und die Antwort würden nicht auf Ihre Redezeit angerechnet werden.
Ja, ich weiß, Herr Präsident. Aber ich möchte trotzdem in meiner Rede weitermachen.
(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Schlechte Ausrede!)
Ich möchte für meine Fraktion noch einmal feststellen, dass der Griff zum Strafrecht, wenn überhaupt, nur der allerletzte Schritt sein darf und gut begründet werden muss. Ihre Begründung mit Begrifflichkeiten wie „Integrität des Sports“ oder „Fairness im Sport“ greifen zu kurz.
Wir müssen uns bei der Bekämpfung des Dopings insbesondere mit der Leistungsspirale im Sport auseinandersetzen. Immer höher, immer schneller, immer weiter und eine ausufernde Kommerzialisierung des Sports sind die wahren Ursachen von Doping. Diese Ursachen müssen wir gemeinsam mit dem Sport bekämpfen, statt Begrifflichkeiten wie „Fairness im Sport“ zu bemühen. Im Sport geht es leider nicht mehr um die olympische Idee. Es geht um Milliarden, die dabei umgesetzt werden. Diese Fakten, diesen Tatbestand sollte man in einem Antidopinggesetz abbilden.
Wir brauchen mehr Prävention, eine Evaluierung und den Ausbau der Dopingforschung. Wir sind auch der Meinung, dass eine rechtspolitisch fragwürdige Ausweitung von Befugnissen der NADA sehr problematisch ist. Wir brauchen eine tatsächlich unabhängige Ombudsstelle oder eine Ombudsperson. Wir brauchen vielleicht auch im Sport etwas Ähnliches wie einen Whistleblower-Schutz, damit Athletinnen oder Athleten, die der Meinung sind, dass das Dopen von Kollegen nicht mehr angeht, und dies aufgrund der Strukturen nicht offen sagen wollen, geschützt sind.
Auf all diese Dinge wird in dem Gesetzentwurf nicht eingegangen. Deshalb werden wir, obwohl wir mit Ihnen an dem Ziel, Doping zu bekämpfen, festhalten, diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der Kollegin Freitag.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6148582 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 137 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung von Doping im Sport |