Rainer SpieringSPD - CETA-Abkommen
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne! Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen. Es mag sein, dass ich falsch liege, aber wenn ich das Verfahren einigermaßen richtig verstanden habe, dann hat man sich in Europa geeinigt, dass das Europäische Parlament für Europa die Verhandlungen führt.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Nein! Die Kommission!)
– Richtig, die Kommission. Danke schön, Herr Ernst, für die Berichtigung.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre aber einmal eine gute Idee!)
Momentan liegt die Verhandlungsführung also bei der Europäischen Kommission. Es entspricht unseren europäischen Wertvorstellungen, das gemeinsam zu tun. Wenn ich es weiterhin richtig verstanden habe – die Aussagen in meiner Fraktion sind eindeutig –, dann handelt es sich um ein gemischtes Abkommen. Wenn es sich um ein solches Abkommen handelt – davon gehe ich aus –, dann wird es letztendlich zu einer endgültigen Entscheidung über CETA und TTIP in diesem Hohen Hause kommen; das ist so auch richtig.
(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Mit Ja und Nein!)
– Richtig, mit Ja und Nein. – Von meinem Verständnis her – ich kann sicherlich falsch liegen – verhält es sich so: Entweder wir trauen Europa und dem Europäischen Parlament einschließlich aller Abgeordneten und Fraktionen – Frau Höhn, auch der Grünen – Kompetenz zu oder nicht.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das ist für mich die entscheidende Frage: Trauen wir dem Europäischen Parlament zu, seine Souveränität für Europa auszuüben?
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist an den Verhandlungen nicht beteiligt!)
Wenn nicht, dann ist das Ihre Entscheidung. Aber wir trauen es dem Europäischen Parlament zu. Wir trauen dem Europäischen Parlament und der Kommission auch zu, ordnungsgemäß zu verhandeln.
Herr Kollege Spiering, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Ernst?
(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Nein! Er hat schon genug geredet!)
Das müssen Sie schon mir überlassen. Jetzt erst recht!
(Heiterkeit bei der LINKEN)
Der Kollege Ernst hat damit das Wort.
Das macht Sie sehr sympathisch, Herr Spiering. – Ich will auf das Vertrauen eingehen. Glauben Sie denn, Kollege Spiering, dass es dem Präsidenten des Deutschen Bundestags an Vertrauen in die europäischen Institutionen mangelt?
Darum geht es nicht.
Doch, genau darum geht es. – Er fordert, dass bei den infragestehenden Handelsabkommen die Parlamente in der Form beteiligt werden müssen, dass sie Einfluss auf die Inhalte haben.
(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Das hat er doch gesagt!)
Die nationalen Parlamente.
Richtig, die nationalen Parlamente. – Er hat ausdrücklich von unserem Parlament und nicht vom italienischen oder vom Europäischen Parlament gesprochen. Er fordert, dass die Parlamente Einfluss auf die Gestaltung der Verträge haben müssen.
(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Nein!)
Sie sollen nicht nur abwinken oder mit Ja oder Nein stimmen. Ich glaube, dem Präsidenten des Deutschen Bundestages mangelt es nicht an Vertrauen in die europäischen Institutionen.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Er hat es nicht verstanden!)
– Was hat er nicht verstanden? Meinen Sie Herrn Spiering oder mich?
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sie haben es nicht verstanden!)
– Ich verstehe zwar viel nicht. Aber Sie könnten einmal zuhören.
Der Punkt ist: Wenn wir uns als Parlament nur auf die Vertrauensebene begeben, Herr Kollege Spiering, dann werden wir dem nicht gerecht, was die Bürger von uns erwarten. Die Bürger erwarten schon, dass auch dann, wenn es ein gemischtes Abkommen ist – Sie sagen, es solle eines sein; es war gestern bei Frau Malmström völlig unklar, ob es ein gemischtes Abkommen ist oder nicht; es ist selbst jetzt noch unklar, ob wir selbst bei der Endabstimmung überhaupt mitreden dürfen –,
(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Keine zweite Rede!)
wir über das Vertrauen hinaus einen Schritt machen, um unseren Einfluss als Parlament im Sinne unseres Bundestagspräsidenten geltend zu machen. Glauben Sie das nicht auch?
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Ernst, lassen Sie mich bescheiden antworten: Es steht mir nicht zu, den Bundestagspräsidenten zu interpretieren. Dafür fühle ich mich viel zu klein.
Meine zweite Bemerkung betrifft das Grundverständnis – das will ich gerne noch einmal erklären – des Aufbaus der Europäischen Union. Daran kann man viel kritisieren. Ich mache mir viele Sorgen um Europa, ganz viele, aber so, wie Europa im Moment aufgebaut ist, müssen wir dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission erst einmal zubilligen, das zu tun, was ihnen obliegt. Das ist meine Auffassung dazu.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Ich will das gerne wiederholen: Ich gehe davon aus, dass meine Fraktion recht hat und wir ein gemischtes Abkommen haben. Die Fragen, die übrigens zu Recht von der Bevölkerung angesprochen werden, müssen beantwortet werden. Frau Höhn, ich nehme die 250 000 Menschen, die demonstriert haben, sehr ernst.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaube ich!)
Frau Höhn, ich nehme aber auch viele andere ernst, die im Lande im Moment Auffassungen vertreten, die ich nicht vertrete und die den Umgang mit Flüchtlingen betreffen. Auch die nehme ich ernst; denn man muss die Strömungen aufnehmen. Man kann sich nicht davor wegducken.
Weil wir die Fragen und Bedenken ernst nehmen, beschäftigen wir uns intensiv damit. Es ist nicht so, dass wir die Kritikpunkte der Grünen nicht verstehen können. Selbstverständlich kann man diese verstehen. Ich halte Transparenz für das Wichtigste im politischen Umgang. Wir müssen klarmachen, worum es uns geht. Aber noch einmal: Der entscheidende Tag wird dann kommen, wenn wir hier im Bundestag mit Ja oder Nein abstimmen.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Dann können wir nicht mehr mitreden!)
Lassen Sie mich abschließend noch etwas sagen, wozu ich noch gar nicht gekommen bin. Meine Aufgabe war es hier, die AG Landwirtschaft zu vertreten.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gründlich misslungen!)
Wir haben im Bereich der Landwirtschaft einen Sektor, die Landmaschinentechnologie, der extrem erfolgreich ist. Der ist allerdings zu 75 Prozent vom Export abhängig. Ich habe mir einmal die Zahlen von Kanada kommen lassen. Wir kommen fast nicht in diesen Markt hinein.
(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: So ist es! – Zurufe von der LINKEN: Oh! – Gegenruf des Abg. Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Das kann man wirklich bedauern!)
– Ich als Vertreter einer Industrienation bedaure das. – Wir haben ganz große Probleme, in diesen Markt zu kommen. Ich habe mir heute Morgen die Zahlen geben lassen. Es gibt einen Wahnsinnsmarkt, es werden da allein 26 000 Schlepper pro Jahr veräußert. Wir kommen da gar nicht vor. Wir haben aber eine unglaublich effiziente, auf Hightech basierende Landmaschinenindustrie. Ich würde mich zutiefst freuen, wenn die sehr gut bezahlten Arbeitsplätze in den Betrieben, die fast durchgängig der Mitbestimmung unterliegen, in Deutschland an Zahl zunehmen könnten, weil das unserer Mentalität entspricht.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Herzlichen Dank fürs Zuhören.
Abschließender Redner in dieser Aussprache ist der Kollege Dirk Wiese für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU )
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6148868 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 137 |
Tagesordnungspunkt | CETA-Abkommen |