13.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 137 / Tagesordnungspunkt 29

Dirk WieseSPD - CETA-Abkommen

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Bernd Westphal hat schon angedeutet, dass ich mich auf zwei Punkte des Antrags der Grünen beschränken will. Einer davon betrifft den Bereich der regulatorischen Kooperation.

Die angestrebte regulatorische Kooperation kann … dazu beitragen, die Entwicklung neuer Regulierungen besser zu koordinieren bzw. gemeinsam zu gestalten. … Die Entwicklung gemeinsamer transatlantischer Standards kann gute Rahmenbedingungen für Innovationen insbesondere auch im Bereich der nachhaltigen Zukunftstechnologien schaffen und damit die Innovationsfähigkeit der Unternehmen insgesamt steigern.

Liebe Grüne, Sie dürfen klatschen, das ist aus dem Eckpunktepapier der baden-württembergischen Landesregierung.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das bringen Sie jedes Mal! Das kennen wir schon! – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist doch langweilig!)

Liebe Grüne, Sie haben in Ihrem Antrag dargestellt und viele Punkte aufgeführt, warum Sie CETA in der derzeitigen Fassung nicht zustimmen. Ich muss Ihnen ehrlicherweise eines sagen: Ich war unter der Woche hier in Berlin auf Podiumsdiskussionen zu TTIP und CETA und habe Ihre baden-württembergische Staatsministerin Silke Krebs auf den Diskussionen explizit sagen gehört – der Kollege Beyer war selbst da gewesen und auch Klaus Müller von der Verbraucherzentrale Bundesverband –, dass sie die Position, die die Bundestagsfraktion einnimmt, nicht versteht und nicht teilt. Gleichzeitig aber sagt sie, sie würde CETA in der jetzigen Form zustimmen. Sie hingegen suggerieren den Bürgern, dass Sie sich an die Spitze einer Bewegung stellen, die versucht, CETA abzulehnen und zu verändern. Das ist aber unglaubwürdig, weil die baden-württembergische Landesregierung und auch andere Landesregierungen, in denen Sie Wirtschaftsminister stellen, dem letztendlich zustimmen wollen. Es ist unglaubwürdig, was Sie den Bürgerinnen und Bürgern suggerieren.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

An dieser Stelle – jetzt bitte einmal zuhören – muss ich den Kollegen Klaus Ernst einmal loben.

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Was?)

Der Kollege Klaus Ernst ist in der Sache wenigstens klar. Auch wenn wir uns bei CETA und TTIP nur auf Marktzugangskriterien einigen würden, auch wenn wir uns nur auf Zölle einigen würden, auch wenn wir die Schiedsgerichte komplett herausnehmen oder etwa die Implementierung der ILO-Kernarbeitsnormen durchsetzen würden: Sie würden es trotzdem ablehnen. Sie würden Nein zu TTIP und CETA sagen, egal welche Reformbestrebungen wir auf den Weg bringen. Das sollten Sie an der einen oder anderen Stelle ebenfalls ehrlich sagen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Noch ein letzter Punkt. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, eine kleine Differenz besteht auch zwischen uns. Das muss man einmal sagen.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine kleine nur? – Zuruf von der CDU/CSU: Muss auch sein!)

Sie sind für TTIP und CETA, egal was darin steht. Wir wollen wenigstens noch verhandeln. Das ist ein ganz kleiner Unterschied.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)

Wir wollen ein gutes, ein richtiges Abkommen. Dafür muss man erst einmal verhandeln.

(Beifall bei der SPD)

Frau Dröge, Sie haben am Anfang das Bundeswirtschaftsministerium angesprochen.

Kollege Wiese, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lenkert?

Ja, selbstverständlich.

Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich wollte vorhin schon die Kollegen fragen: Ist Ihnen der Fall Hamburg-Moorburg bekannt? Ausgangspunkt waren die vom Hamburger Senat ausgesprochenen Umweltauflagen. In einem internationalen Schiedsgerichtsverfahren mit den USA wurde ein Vergleich geschlossen, und die Umweltauflagen wurden zurückgenommen. Jetzt findet daraufhin ein Vertragsverletzungsverfahren durch die Europäische Kommission statt, weil bei den Umweltauflagen europäisches Recht nicht eingehalten worden ist. Die Umweltauflagen mussten aber aufgrund des Vergleiches im Schiedsgerichtsverfahren zurückgenommen werden.

Meine Frage an Sie: Ist es klug, ein Abkommen abzuschließen, wonach sich am Ende die Hansestadt Hamburg entscheiden muss, ob sie an den Investor das im Schiedsgerichtsverfahren ausgehandelte Strafgeld oder an die EU-Kommission wegen Vertragsverletzung zahlt, weil man die EU-Norm nicht eingehalten hat?

(Beifall bei der LINKEN – Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Steilvorlage!)

Sehr geehrter Kollege Lenkert, ich danke Ihnen für die Frage, weil ich noch einmal die Gelegenheit habe, dies klarzustellen. Warum, meinen Sie, war Sigmar Gabriel in Madrid mit den Handelsministern der Europäischen Union unterwegs? Warum, meinen Sie, ist Bernd Lange in vorderster Front unterwegs mit einer Resolution, um Reformen im bestehenden ISDS-System auf den Weg zu bringen? Weil das alte ISDS-System – darum ist auch die Klage betreffend Hamburg-Moorburg auf den Weg gebracht worden, die Sie angesprochen haben – reformbedürftig ist. Dafür setzen wir uns ein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])

Diese Reformen in den Verfahren, lieber Herr Klaus Ernst, erreicht man nur am Verhandlungstisch. Wenn man nicht am Verhandlungstisch sitzt, wird es noch mehr Fälle wie Hamburg-Moorburg geben. Sie tragen dazu bei, weil Sie es ablehnen und nicht mitgestalten wollen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Widerspruch des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]))

Die Kollegin Höhn möchte auch eine Zwischenfrage stellen, wobei ich meine, dass am Schluss der Debatte keine weiteren Zwischenfragen mehr gestellt werden sollten. Wir haben schon eine sehr lebendige Debatte gehabt.

Sie haben das Wort.

Herr Kollege Wiese, Sie haben gerade zu Recht gesagt, dass eine Reform der Schiedsgerichtsverfahren auch von den Sozialdemokraten deshalb angestrebt wird, weil die Passagen, die bei TTIP vorgesehen sind, auch aus Ihrer Sicht nicht befriedigend sind. Gleichzeitig gibt es aber im CETA-Vertragstext Passagen zu Schiedsgerichtsverfahren. Hier wird gesagt: Nur noch im Rahmen eines Legal Scrubbing wird etwas geändert. Wird die SPD-Fraktion einem CETA-Vertragstext zustimmen, wo diese Schiedsgerichtsverfahren noch enthalten sind und damit US-Firmen über ihre Dependancen in Kanada weiterhin die Schiedsgerichtsverfahren gegen Deutschland anstrengen können?

(Beifall bei der LINKEN – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist eine ganz entscheidende Frage!)

Ich komme gerne darauf zu sprechen. Einmal bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass auch in den reformierten ISDS-Verfahren, sowohl das Abkommen mit Singapur als auch das CETA-Abkommen betreffend, die klassische Klagemöglichkeit von Briefkastenfirmen

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht gesagt!)

– lassen Sie mich aussprechen –, die in allen vorherigen Abkommen stand, herausgenommen worden ist. Das ist die erste Feststellung.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU -Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon habe ich nicht gesprochen!)

Den zweiten Punkt, den Sie ansprechen, kann ich aus Sicht der Opposition voll und ganz verstehen. Sie möchten gerne wissen, ob am heutigen Tag feststeht, ob wir Ja oder Nein sagen. Ich kann das nachvollziehen. Das ist Ihr gutes Recht.

Nur: Die neue kanadische Regierung hat vor einer Woche die Arbeit aufgenommen. Wir waren gestern zu Gesprächen in Brüssel. Auch wir haben mit den Kolleginnen und Kollegen des Europäischen Parlaments gesprochen. Ich bin guter Dinge, dass wir in dem sich noch bis Ostern 2016 hinziehenden sogenannten Legal-Scrubbing-Verfahren – Frau Dröge, ich teile Ihnen den Zeitplan gern mit; schließlich haben Sie vorhin gesagt, Sie wüssten davon nichts – noch zu punktuellen Veränderungen kommen.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Und wenn nicht? – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es verschiebt sich immer mehr!)

Die EU-Kommissarin Malmström hat uns gestern in einem Gespräch gesagt – Frau Dröge, vielleicht tauschen Sie sich einmal mit dem Kollegen Janecek aus, wenn er von einer Reise zurückgekommen ist –, dass sie Kontakt mit der neuen kanadischen Handelsministerin aufnimmt, um klarzustellen, dass im Legal-Scrubbing-Verfahren noch Möglichkeiten bestehen, an der einen oder anderen Stelle Feinjustierungen, Änderungen vorzunehmen.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An der einen oder anderen Stelle? – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Die Frage war eine andere!)

Ich bitte Sie an diesem Punkt einfach einmal um etwas Geduld; denn hier wird sich zeigen, dass die SPD sowohl im Europäischen Parlament als auch über das Bundeswirtschaftsministerium an jeder Stelle versuchen wird, da noch etwas zustande zu bringen. Das ist Politikgestalten, und da machen Sie nicht mit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie lenken ab! – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Wenn’s nicht gelingt, stimmt ihr dann zu oder nicht? – Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Ja, wenn die Welt untergeht, sehen wir weiter!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6148927
Wahlperiode 18
Sitzung 137
Tagesordnungspunkt CETA-Abkommen
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