24.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 138 / Tagesordnungspunkt I.4

Ralph BrinkhausCDU/CSU - Einzelpläne Finanzen, Bundesrechnungshof

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Haushaltsdebatte irgendwie zur Steuerdebatte mutiert ist,

(Bettina Hagedorn [SPD]: Das gehört zusammen!)

muss man vielleicht mal eines klarstellen: Es hat keine Bundesregierung, kein Finanzminister so viel gegen internationale Steuerhinterziehung und -verkürzung getan wie unser Finanzminister Wolfgang Schäuble. Das gehört auch zur Wahrheit dazu, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich würde gerne über den Haushalt reden und möchte meine Ausführungen unter drei Überschriften subsumieren. Die erste Überschrift ist „Lob und Dank“, dann kommen „Vorsicht“ und „Zuversicht“.

Fangen wir mit Lob und Dank an. Wir nehmen es mittlerweile als Selbstverständlichkeit hin, dass wir wieder einmal trotz aller Fährnisse und Gefahren einen Haushaltsplan mit einer schwarzen Null vorgelegt haben. Das haben Generationen unserer Vorgänger nicht hingekriegt. Das ist etwas Besonderes. Dass etwas Besonderes gelungen ist, liegt nicht nur an der guten Wirtschaftsleistung, die wir in diesem Land haben, liegt nicht nur an den niedrigen Zinsen, sondern liegt auch an der vorausschauenden und guten Haushaltspolitik.

Wenn man sich überlegt, welche Rucksäcke wir uns dabei noch aufgeladen haben: Wir haben diese schwarze Null nämlich geschafft ohne Steuererhöhung, ohne neue Steuern, und – Sie haben darauf hingewiesen – wir haben die Steuern durch den Abbau der kalten Progression und durch die Erhöhung der Freibeträge sogar gesenkt. Wir haben sehr viel Geld an die Kommunen und Länder gegeben; Kollege Rehberg hat darauf hingewiesen. Wir haben die Investitionen erhöht, auch für die Kommunen. Wir geben mehr Geld für Bildung und Forschung aus. Und wir tragen als einziges Land in Europa, vielleicht neben Schweden, eine unglaubliche Last infolge der Menschen, die zu uns kommen. Allein im nächsten Jahr wird die Zusatzbelastung des Bundeshaushaltes – je nachdem, wie man es rechnet – 8 bis 9 Milliarden Euro betragen.

Für all das gilt allen Beteiligten mein großes Dankeschön; denn das war nicht einfach. Unsere Haushälter mussten kurzfristig improvisieren, sie mussten priorisieren, sie mussten umschichten. Sie mussten vor allen Dingen ganz viel Nein sagen. Das muss man den Haushältern hoch anrechnen; denn die Kunst, Nein zu sagen, ist nicht ganz einfach. Dafür braucht man ein dickes Fell und einen breiten Rücken, und beides haben sie. Dafür ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Die zweite Überschrift lautet „Vorsicht“. Wir müssen in der Tat vorsichtig sein, weil in diesem Haushalt natürlich Risiken enthalten sind, und zwar nicht nur auf der Ausgabenseite – Thema Migration, Thema innere Sicherheit, Thema äußere Sicherheit –, sondern auch auf der Einnahmenseite. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Steuereinnahmen so gut sind. Deswegen müssen wir viel Kraft darauf verwenden, dass das so bleibt und dass wir unseren Wirtschaftsstandort stärken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir müssen aber auch vorsichtig sein, dass wir uns insgesamt nicht übernehmen. Ich hatte in den letzten Wochen ein Gespräch mit einem ausländischen Kollegen. Er fragte mich: Was packt ihr Deutschen euch eigentlich alles in euren Rucksack hinein? Im weiteren Verlauf dieses Gespräches wurde klar, was er meinte: Wir sind der größte Nettozahler innerhalb der Europäischen Union, wir stabilisieren mit unseren Garantien maßgeblich die Euro-Zone, wir haben eine sehr ehrgeizige Energiewende, die viel kostet, auf den Weg gebracht, und wir haben umfangreiche Sozialpakete in den Bereichen Rente, Krankenhaus und Pflege auf den Weg gebracht. Wir sind nicht nur dabei, der Einwanderungsströme in irgendeiner Art und Weise, auch mit finanziellen Mitteln, Herr zu werden und eine vernünftige Finanzausstattung zu gewährleisten, sondern wir investieren auch in innere Sicherheit.

Da stellt sich schon die Frage: Was können wir eigentlich noch tragen? Was kann man noch draufpacken? Der ausländische Kollege hat mir dann gesagt: Das könnt ihr so lange stemmen, solange eure Wirtschaftsleistung gut ist. Aber was macht ihr eigentlich, wenn es mit der Wirtschaft bergab geht? Und er sagte noch etwas – und das ist ganz entscheidend –: Das ist dann nicht nur euer Problem, sondern das ist auch unser Problem, weil ihr mit eurer Wirtschaft die Lokomotive in Europa seid. Ihr zieht den Karren in Europa. Wir im Rest von Europa sind darauf angewiesen, dass eure Wirtschaft und euer Land funktionieren. – Das sollten wir immer beachten, wenn wir uns wieder etwas Neues in unseren Rucksack hi­neinpacken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir müssen auch vorsichtig sein, weil die ersten Stimmen laut werden, die fordern, dass die nationale Schuldenbremse oder die europäische Schuldenbremse, der Fiskalpakt, wegen der Migration, wegen der inneren Sicherheit und wegen der äußeren Sicherheit gelockert oder ausgesetzt werden sollen. Meine Damen und Herren, es ist die Entscheidung dieser Generation, zu sagen: Wir nehmen in unserem Land Einwanderer und Flüchtlinge auf. Es ist die Herausforderung dieser Generation, dass wir Probleme mit der inneren und äußeren Sicherheit haben. Andere Generationen treffen neue Entscheidungen. Sie werden vor neuen Herausforderungen stehen: Klimawandel, Rohstoffknappheit und was sonst noch kommen mag. Deswegen ist es meines Erachtens nicht legitim, die Belastungen, die wir heute haben, auf die nächste Generation zu verschieben. Wir sollten daher nicht darüber nachdenken, an der Schuldenbremse oder am Fiskalpakt zu rütteln.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr gute Worte!)

Wir müssen aber auch vorsichtig sein, weil – der Bundesrechnungshof hat es uns schriftlich gegeben – mittlerweile eine große Unwucht bei den Bund-Länder-Finanzbeziehungen entstanden ist.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

Worum geht es? Wir geben sehr viel Geld aus – Eckhardt Rehberg hat es ausgerechnet: von 2010 bis 2018 mehr als 125 Milliarden Euro –, um Länder und die Kommunen seitens des Bundes zu unterstützen. Bei den Regionalisierungsmitteln, also den Mitteln für den öffentlichen Schienenpersonennahverkehr, haben wir noch einmal kräftig etwas draufgelegt. Meine Damen und Herren, das kann nicht so weitergehen. Wir müssen da wieder Klarheit reinbringen. Wir müssen klare Verhältnisse schaffen. Deswegen müssen wir die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu ordnen. Das ist auch im Sinne unseres Bundeshaushaltes eine ganz wichtige Aufgabe.

Wir müssen vorsichtig sein, weil es in der Politik eine ungünstige Entwicklung gibt. Natürlich ist es wichtig, dass wir im Moment sehr viel über Migration reden. Wir haben aber die Tendenz – das gilt auch für die Medien –, eine serielle Ein-Thema-Politik zu betreiben. Im August haben wir nur über Griechenland gesprochen, jetzt sprechen wir nur über Migration und demnächst vielleicht – leider – nur über innere Sicherheit. Wir dürfen bei all den Herausforderungen nicht vergessen, das Ganze im Blick zu behalten – nicht nur die Haushaltskonsolidierung, sondern auch die anderen großen Projekte –: die Euro-Stabilisierung, die geplante Energiewende, die soziale Gerechtigkeit in diesem Land. Vor allem aber müssen wir dafür sorgen, dass wir diesen Wirtschaftsstandort zukunftsfähig halten. Deswegen müssen wir über den Tellerrand hinausschauen.

Die dritte Überschrift lautet „Zuversicht“. Wir können eigentlich zuversichtlich sein, weil wir auch in diesem Haushalt noch Reserven haben. Damit meine ich nicht, dass wir irgendwo kürzen sollten, sondern ich meine, dass wir anfangen sollten, jeden Euro effektiver und effizienter auszugeben, damit wir für jeden Euro mehr Autobahn bekommen, damit wir für jeden Euro, den wir in das System stecken, eine bessere Integration der Langzeitarbeitslosen bekommen, damit wir mit jedem Euro, den wir investieren, mehr gegen den Klimawandel und für die Energiewende tun und, und, und. Ich glaube, das sind große Aufgaben. Da haben wir noch einiges zu erledigen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich bin auch deswegen zuversichtlich, weil ich an unsere starke Wirtschaft glaube. Wir haben eine gesunde Wirtschaft, bestehend aus familiengeführten mittelständischen Unternehmen, großen Unternehmen, kapitalmarkt­orientierten Unternehmen. Das Thema Erbschaftsteuer ist schon angesprochen worden, lieber Axel Troost. Wir müssen aufpassen, dass wir diese Struktur nicht kaputtmachen; denn diese Struktur ist die Basis für unseren wirtschaftlichen Erfolg, für hohe Steuereinnahmen und für gute Haushaltsergebnisse.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich bin zuversichtlich, dass wir im Bereich Migration gute Entscheidungen treffen werden. In den vergangenen fast 70 Jahren haben wir es immer geschafft, gute Entscheidungen zu treffen. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Balance finden werden zwischen unserem berechtigten Anspruch auf Menschlichkeit, Humanität und Nächstenliebe auf der einen Seite und dem genauso berechtigten Anspruch darauf, das Ganze zu ordnen, zu steuern, zu reduzieren und zu begrenzen. Das ist eine große Aufgabe, der wir uns im nächsten Jahr stellen müssen.

Letztlich bin ich zuversichtlich, wenn ich mir anschaue, was dieses Land in den letzten sieben Jahren geleistet hat: Wir hatten 2008 eine Bankenkrise, danach eine Wirtschaftskrise, danach eine Euro-Krise und eine Staatsverschuldungskrise. Das, was Angela Merkel in ihren Regierungserklärungen immer wieder gesagt hat, ist richtig: Wir gehen aus diesen Krisen stärker hervor, als wir hineingegangen sind. Das ist eine großartige Gemeinschaftsleistung der Menschen in diesem Land.

Erst recht stolz bin ich auf das, was wir in den letzten sieben Monaten geleistet haben, in denen viele Menschen sich aus ganz unterschiedlichen Gründen entschieden haben, zu uns zu kommen. Wann hat es das in der Weltgeschichte schon einmal gegeben, dass binnen eines halben Jahres fast 1 Million Menschen aufgenommen wurden, die noch dazu nicht aus der unmittelbaren Nachbarschaft kommen – sie kommen nicht aus Holland, Frankreich oder so –, sondern aus anderen Erdteilen mit einer anderen Kultur, mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen? Wir alle zusammen, die Politiker, die Hauptamtlichen und die Ehrenamtlichen, haben es geschafft, dass jeder von ihnen ein Dach über dem Kopf hat, dass er genug zu essen hat, dass er Bekleidung und eine medizinische Versorgung hat. Ich glaube, das ist etwas, worauf wir stolz sein können. Das sollten wir nicht immer wieder kleinreden.

Meine Damen und Herren, ich wünsche mir, dass wir diese Zuversicht bei aller Vorsicht und allen berechtigten Zweifeln bezüglich dessen, was in den nächsten Jahren passieren wird, mit in das kommende Haushaltsjahr nehmen; denn Zuversicht ist das, was wir am dringendsten brauchen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das Wort erhält jetzt der Kollege Hans-Ulrich Krüger für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6206831
Wahlperiode 18
Sitzung 138
Tagesordnungspunkt Einzelpläne Finanzen, Bundesrechnungshof
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta