Lothar BindingSPD - Einzelpläne Finanzen, Bundesrechnungshof
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir haben jetzt sehr viel über die Aufstellung des Haushalts und die geplanten Ausgaben gehört. Für 2016, denke ich, ist das auch sehr gut gelungen. Dafür kann man der Arbeitsgruppe für Haushalt der SPD und der Arbeitsgruppe der CDU/CSU nur danken.
Ich spreche hier über die Einnahmen. Dafür brauchen wir eine langfristige Strukturpolitik. Ihr habt im Rahmen der Möglichkeiten gute Arbeit gemacht. Unsere Aufgabe ist aber, diese Möglichkeiten zu erweitern. Steuerpolitik ist eben die unverzichtbare Grundlage für einen soliden Haushalt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir sind allen Bürgerinnen und Bürgern und auch den Unternehmen dankbar, die sich an der finanziellen Grundlage mit fast 300 Milliarden Euro beteiligen; denn sie erbringen die eigentliche Leistung. Wir kümmern uns dann nur noch um eine faire Verteilung.
Kurzfristig sind wir in einer wirklich sehr guten Lage. Die Frage ist aber, ob wir langfristig auf der Einnahmeseite strukturell gut aufgestellt sind. Dahinter muss man doch ein paar Fragezeichen setzen. Meine Kollegen haben schon darauf hingewiesen, welche Bedeutung der niedrige Ölpreis für unsere Entwicklung, der Euro für den Export, die niedrigen Zinsen und die hohe Beschäftigungsquote haben. Wir sehen: Vieles stabilisiert unseren Haushalt für das kommende Jahr. Aber es gibt hohe Zukunftsrisiken, auf die es zu achten gilt.
Wenn man die Leute fragt, was den größten Anteil an den Steuereinnahmen ausmacht, dann ist manchen gar nicht klar, dass das die Lohn- und Einkommensteuer und die Mehrwertsteuer sind. Man muss aber einmal schauen, wer den größten Anteil an der Lohn- und Einkommensteuer und der Mehrwertsteuer trägt. Das sind jedenfalls nicht die ganz Reichen.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)
Insofern gibt es auf der Einnahmeseite verschiedene Dinge, um die wir uns besonders kümmern.
Eine Sache ist die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und ‑vermeidung; dazu haben wir schon viel gehört. Carsten Schneider hat vorhin die Bekämpfung von BEPS, Base Erosion and Profit Shifting, angesprochen. Das ist sicherlich ein ganz großes Problem. Er hat auch vom automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten gesprochen. Auch dadurch wird Steuerhinterziehung bekämpft. Wir haben auch schon Erfolge bei der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs.
Wir wollen die Finanztransaktionsteuer einführen. Hier sind wir dem Bundesminister dankbar, der auf einem guten Weg ist, die Einführung dieser Steuer im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit mit den Europäern zu erreichen. Ein Wermutstropfen dabei: Aktien werden möglicherweise nur mit 80 Prozent, Derivate nur mit 90 Prozent, und Anleihen nur mit null Prozent berücksichtigt. Daran müssen wir arbeiten.
(Heiterkeit des Abg. Johannes Kahrs [SPD])
Trotzdem ist mein Dank ernst gemeint; denn wir wissen, wie schwer die Verhandlungen in Europa sind.
(Beifall bei der SPD)
Insgesamt meinen wir, dass es ein Fehler ist, den Steuertopf zu durchlöchern. Ich will einige Beispiele nennen, die zeigen, dass einzelne Branchen durchaus Sonderregelungen in Anspruch nehmen und viele Begehrlichkeiten entwickeln, die mir nicht so gut gefallen. Auch die Süddeutsche Zeitung hat mich nach ein paar sehr merkwürdigen Regelungen gefragt.
Stellen wir uns einmal vor, dieser Pappbecher wäre der Steuertopf. Er ist noch leer für das nächste Jahr. Das ist verständlich; denn die Steuereinnahmen kommen ja erst im Laufe des nächsten Jahres hinein. Wenn das Geld dann hineinkommt und der Steuertopf gefüllt ist, haben die Haushälter eine gute Chance, ihre Ausgaben zu realisieren. Jetzt kommen aber Leute, die in diesen Steuertopf ein Loch machen, so wie ich jetzt mit diesem Schraubenzieher.
(Heiterkeit)
Nehmen wir einmal die maritime Wirtschaft. Die Vertreter der maritimen Wirtschaft hatten die Idee, zu sagen: Die Lohnsteuer für den Arbeitnehmer wird an den Arbeitgeber gezahlt.
Herr Kollege, ich hoffe, Sie haben keinen kompletten Werkzeugkoffer dabei, sonst müsste ich aus Sicherheitsgründen eingreifen.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Nein, nein. Das hätte man ja gesehen. Ich habe zwar einen blauen Werkzeugkoffer; aber das hier ist nur ein Schraubenzieher, der mir hilft, in diesen Becher Steuerschlupflöcher zu machen.
(Heiterkeit)
Also: Ein Arbeitgeber muss ja Lohnsteuer für seinen Arbeitnehmer abführen. An wen? Natürlich an den Fiskus, also konkret an den Kämmerer bzw. an Herrn Schäuble im Bund. Bei der maritimen Wirtschaft ist es aber so: Die Lohnsteuer, die ein Arbeitnehmer zu zahlen hat, bekommt nicht Herr Schäuble, sondern der Arbeitgeber. Das ist ein total verrücktes System. Die Frage ist jetzt nicht, ob die Arbeitgeber das Geld auch bekommen. Die Antwort habe ich ja schon gegeben: Sie bekommen es. Die Frage ist: Warum bekommen das eigentlich die Bäcker, die Klempner und die Arbeitgeber in anderen Branchen nicht? Das interessiert mich; denn da spielt das Moment der Gerechtigkeit eine große Rolle. Ja, ich weiß, dem maritimen Kollegen gefällt das nicht. Aber ich glaube, darüber müssen wir reden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich komme zur Tourismusbranche.
(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Man muss wissen, worüber man redet, Kollege Binding!)
Nachdem für die Hotels bereits die Mehrwertsteuer gesenkt wurde, gibt es dort nun die Idee, auch noch die Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer entfallen zu lassen. Das würde zulasten der Kommunen gehen.
Ich will das Problem einmal beschreiben: Ein Tourismusunternehmen, das eine Pauschalreise für 1 000 Euro anbietet, muss eine Zusatzlast von 17,50 Euro aushalten. Natürlich ist klar, dass die komplette Tourismusbranche in Konkurs geraten würde und Deutschland deshalb verlassen muss. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob nicht jeder Bürger mit einer fairen Besteuerung – das wären bei einer 1 000-Euro-Reise 17,50 Euro mehr – einverstanden wäre. Ich glaube, das wäre kein Problem. Auch dieses Schlupfloch ist nicht gut.
Sie merken, was ich damit sagen will: Der Steuertopf wird gefüllt, indem Unternehmen und Bürger ihre Steuern zahlen; aber unten läuft das Geld durch die Schlupflöcher wieder heraus. Dann kann der Haushaltsausschuss seine Aufgaben nicht mehr so erledigen, wie er es tun müsste.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Insofern bin ich dafür, Steuerschlupflöcher zu stopfen.
Es gibt andere Ideen, zum Beispiel im Hinblick auf die Kfz-Besteuerung für landwirtschaftliche Fahrzeuge, die für die Pflege von Streuobstwiesen eingesetzt werden. Ich frage mich: Braucht man da wirklich eine Entlastung? Oder schaffen wir die Pflege der Wiesen nicht auch, wenn für diese landwirtschaftlichen Maschinen ein wenig Kfz-Steuer gezahlt wird?
Es gibt noch viele andere Ideen, zum Beispiel hinsichtlich der Mitarbeiterkapitalbeteiligung.
Die können Sie jetzt aber leider nicht mehr alle vortragen.
Nur noch ganz kurz. – Da wollen die Unternehmen den Arbeitnehmern etwas schenken, sind dabei aber nicht so ganz ehrlich. Sie wollen nämlich, dass wir uns an diesen Geschenken beteiligen.
Ich bin der Meinung: Die Steuerschlupflöcher müssen abgeschafft werden. Bei der Erhebung von Steuern muss es fair zugehen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dann wird der Haushaltsausschuss seine Arbeit wirklich gut machen, nicht nur was die Ausgabenseite angeht, sondern auch was die Einnahmeseite anbelangt.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Kollege Binding, wenn Sie sich nach Rückkehr ins Büro einen verdienten Becher Kaffee einschenken lassen, denken Sie bitte daran, dass Sie in diesen ein Loch gebohrt haben.
(Heiterkeit – Johannes Kahrs [SPD]: Nicht nur eins!)
Nun hat der Kollege Carsten Körber für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6206891 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 138 |
Tagesordnungspunkt | Einzelpläne Finanzen, Bundesrechnungshof |